Musik:Hit-Formel für Chartstürmer

Forscher von der Universität Bristol haben eine Gleichung entwickelt, mit der sie abschätzen können, ob es ein Song unter die ersten fünf Plätze der Hitliste schafft. Was allerdings früher Erfolgsrezept war, muss heute nicht mehr Chart-Erfolg garantieren.

Katrin Blawat

Als die amerikanische Band Gnarls Barkley vor fünf Jahren den Song "Crazy" herausbrachte, kam der Erfolg prompt und weltweit. In vielen Ländern Europas, in den USA und Kanada hielt sich die erste Single der Band wochenlang unter den Top Ten der Charts; unter anderem in Großbritannien sogar auf Platz eins.

Hucknall, lead singer of Simply Red, performs during 50th International Song Festival in Vina Del Mar city

In den 1980er Jahren konnte man mit langsamen, aber kurzen Stücken Erfolge landen. Ein Beispiel ist "If you don't know me by now" von Simply Red. In den 1990er Jahren änderte sich der Geschmack dann deutlich.

(Foto: REUTERS)

Kein Wunder, sagt Tijl De Bie, Professor für künstliche Intelligenz an der Universität Bristol. Das Stück sei ein typischer Erfolg der 2000er Jahre: Unter anderem lässt es sich gut dazu tanzen, außerdem wurde es mit hohem Lautstärkepegel aufgenommen. De Bie und seine Kollegen stufen "Crazy" daher in die Kategorie "erwartbarer Hit" ein.

Die Forscher haben eine Gleichung entwickelt, mit der sie abschätzen können, ob es ein Song unter die ersten fünf Plätze der Hitliste schafft oder ewig auf den hinteren Plätzen der britischen Charts vor sich hindümpeln wird. Die Treffsicherheit betrage 60 Prozent, sagten die Forscher, als sie ihr Programm kürzlich auf einem Workshop in Spanien vorstellten.

Bevor sie sich an Prognosen wagten, hatten De Bie und seine Kollegen ihre Computer mit Daten von knapp 6000 Songs der vergangenen 50 Jahre aus den britischen Charts gefüttert. Daraus ermittelten die Forscher 23 Eigenschaften, die über Flop oder Hit entscheiden, zum Beispiel Tempo, Dauer, Lautstärkepegel, wie komplex die Harmonie des Stückes ist und ob sich diese Merkmale während des Songs ändern.

Doch erst als De Bie und seine Kollegen auch das Jahrzehnt berücksichtigten, in der ein Song erschienen ist, stimmten ihre Berechnungen und die Wirklichkeit in vielen Fällen überein. "Musikgeschmäcker verändern sich, deshalb muss sich auch unsere Hit-Potential-Gleichung entwickeln", sagt De Bie.

So störte es bis in die 1980er Jahre kaum jemanden, wenn es sich zu einem Hit schlecht tanzen ließ. Wichtiger war, dass der Song harmonisch einfach konstruiert war - deshalb habe auch T. Rex 1971 mit "Get It On" den Spitzenplatz belegt, so die Forscher. In den 1980er Jahren galt es als zuverlässiges Erfolgsrezept, langsame Stücke zu spielen, die dafür nicht lange dauerten, wie etwa "If you don't know me by now" von Simply Red, das 1989 auf Platz zwei landete. In den 1990er Jahren änderte sich der Geschmack dann deutlich.

Wer jetzt einen Hit landen wollte, musste die Menschen zum Tanzen bringen - das gilt heute noch. Auch ein einfacher Rhythmus wie der Vier-Viertel-Takt steigerte in den 1990er Jahren die Erfolgsaussichten. Was außerdem immer mehr zählt, ist neben hohem Tempo vor allem die Lautstärke.

"Wearing My Rolex" von Wiley zum Beispiel habe es 2008 vor allem bis auf Platz zwei der britischen Hitliste geschafft, weil es laut sei, so die Forscher. Das Hit-Potential der Stücke aus den vergangenen Jahren lässt sich besonders leicht abschätzen: Alles klingt ähnlich, das erleichtert dem Computer die Arbeit.

Auch für die Songs der aktuellen Charts vom 12. Dezember wagen De Bie und sein Team Prognosen (www.scoreahit.com). Die Aussichten sind jedoch düster.

Demnach wird es keiner der Songs unter die ersten fünf der Hitliste schaffen. Am besten schneidet "Piles Of $$$" von Caged Animals ab - es landet im sogenannten Songometer am oberen Ende des letzten Drittels zwischen "Hit" und "Flop".

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