Meteorologie:Wälder sollen Wolken fabrizieren

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Undurchsichtiges Naturschauspiel: Wie sich Wolken bilden, war Forschern lange unklar (Foto: dpa)

Wie und wann bilden sich Wolken? Forscher vom Cern verblüffen mit einer neuen Studie: Eine große Rolle könnten Wälder spielen.

Von Christopher Schrader

Das Bild einer Wolke zeichnet sich leicht, wenn man ein Kind ist. Erwachsene, vor allem erwachsene Physiker, haben es da schwerer, weil sie auch verstehen wollen, wie sich dieses weiße Ding am Himmel überhaupt bilden konnte. Ein internationales Forscherteam ist bei dieser Frage nun einen entscheidenden Schritt weiter gekommen. Offenbar lässt sich die Wolkenbildung zumindest über Wäldern durch die Ausdünstungen der Bäume erklären. Die sogenannten Terpene sorgen dafür, dass genügend Kondensationskeime entstehen, an denen sich die kleinen Wassertröpfchen in der Wolke bilden können.

Wasserdampf allein in der Luft reicht nämlich nicht; er braucht einen Auslöser, um flüssig zu werden. Staubpartikel in der Luft können diese Aufgabe übernehmen, machen aber nur etwa die Hälfte der Kondensationskeime aus. Viele andere Verbindungen in der Luft sind für sich genommen zu klein, um als Keim zu wirken. Besonders die Moleküle der reichlich vorhandenen Schwefelsäure ballen sich zwar zusammen, zerfallen aber auch schnell wieder. Die Aufgabe, sie zu stabilisieren, übernehmen über Waldgebieten die Terpene.

"Sie sind ein guter Klebstoff für die Schwefelsäure und reichlich vorhanden", sagt Joachim Curtius von der Universität Frankfurt. Er gehört zum sogenannten Cloud-Experiment am Genfer Forschungszentrum Cern. Dort haben die Physiker zum ersten Mal fast im ganzen Bereich, in dem Kondensationskeime in der Natur vorkommen, entsprechende Partikel im Labor erzeugen können. "Wir sind recht sicher, dass wir den Prozess über den Wäldern jetzt verstanden haben", sagt Curtius.

Wenn Kondensationskeime selten sind, helfen Reisende aus dem All

Die Wolkenkammer des Forscherteams ist ein Edelstahlgefäß mit extrem sauberer Luft, in das sich die nötigen Chemikalien in kleinsten Mengen einfüllen und kontrollieren lassen. Zudem können die Physiker einen Strahl geladener Teilchen durch die Kammer schießen, um den Effekt kosmischer Strahlung nachzustellen. Gerade dieser Aspekt hat der Arbeitsgruppe viel Aufmerksamkeit beschert. Eine Theorie von Kritikern der etablierten Klimaforschung besagt, dass Schwankungen der Sonnenaktivität auf dem Umweg über ihren Effekt auf die kosmische Strahlung die Wolkenbildung auf der Erde beeinflussen könnten. Bisherige Daten zur Erwärmung stützen diese These nicht. Aber so lange niemand genau wusste, was kosmische Strahlung mit den Wolken macht, blieb ein Zweifel.

Im Verlauf der jüngsten Cloud-Experimente zeigte sich nun, dass die geladenen Partikel nur dann nennenswerten Effekt auf die Bildung von Kondensationskeimen hatten, wenn wenig Zutaten dafür vorhanden waren. Sie waren dann zu etwa 60 Prozent an der eher seltenen Bildung solcher Keime beteiligt. Schwebten hingegen viel Schwefelsäure und Terpene in der Luft, war kosmische Strahlung relativ unwichtig ( Science, Bd. 344, S. 717, 2014).

Die Physiker vom Cloud-Experiment kennen daher nun drei Methoden, Schwefelsäure-Moleküle zu brauchbaren Kondensationskeimen zusammen zu kleben. Vor den Terpenen hatte ein Versuch auch sogenannte Amine identifiziert; sie entstehen in der Tierhaltung oder über den Ozeanen als Verwesungsprodukt. Kosmische Strahlung als dritte Option hat ihren Effekt, wenn andere Möglichkeiten zur Stabilisierung der Schwefelsäure-Cluster weitgehend fehlen. Die relative Bedeutung dieser drei Pfade müssen jetzt globale Modelle zeigen.

© SZ vom 19.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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