Meteoritensuche:Jäger der kosmischen Splitter

Besonders hartnäckige Forscher finden wertvolle, vom Himmel gefallene Meteoriten - manche machen die Suche sogar zu ihrem Beruf.

Th. Bührke

Wenn ein Stein vom Himmel fällt und als Sternschnuppe verglüht, darf man sich etwas wünschen. Eigentlich muss man es geheim halten, so der Volksglaube. Doch bei besonders großen Sternschnuppen, die als heller Feuerball über den Himmel ziehen, kann man vielen Forschern den Wunsch vom Gesicht ablesen: Sie möchten die Bruchstücke des Geschosses auf der Erde finden. Meteoriten sind für Wissenschaftler vor allem deswegen interessant, weil sie Informationen über die Entstehung des Sonnensystems enthalten.

Meteoritensuche: Diese Meteoritenstücke wurden auf der dänischen Insel Lolland gefunden.

Diese Meteoritenstücke wurden auf der dänischen Insel Lolland gefunden.

(Foto: Foto: dpa)

Doch Meteoriten zu finden, ist eine Aufgabe für eigensinnige Menschen. Das beweist zum Beispiel Petrus Jenniskens vom Seti-Institut in Mountain View, Kalifornien. Wie er in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Nature berichtet, entdeckte er durch geduldiges Suchen im Sudan die Fragmente eines Meteoriten, von denen die meisten Experten annahmen, er sei vollständig in der Atmosphäre verglüht (Bd.458, S.485, 2009).

Ähnlich hartnäckig ist eine der schillerndsten Figuren der Szene, Thomas Grau aus Bernau bei Berlin. Er entdeckte kürzlich auf einem Acker der dänischen Insel Lolland einen Meteoriten, an den außer ihm niemand geglaubt hatte. Grau hat die Meteoritensuche sogar zu seinem Beruf gemacht. Seine Arbeit ist zeit- und kostenintensiv, vier Monate im Jahr ist der 36-Jährige unterwegs.

Das zahlt sich jedoch offenbar aus, denn manche der Steine aus dem All werden "wie Edelsteine" gehandelt, sagt Jürgen Oberst vom Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt in Berlin. Das Studium der physikalischen Ingenieurwissenschaften hat Grau vor einigen Jahren wegen "zu viel Rechnerei" aufgegeben. Mit der Meteoritensuche klappt es besser: In drei Fällen wurde er bereits fündig, darunter bei Neuschwanstein und in Spanien, und sammelte 31Meteoritenbruchstücke ein.

"Mich hat die Meldung von dem Fund auf Lolland vom Hocker gehauen", sagt Jürgen Oberst. Er leitet das europäische Feuerkugelnetz, einen Verbund von Kameras, die pausenlos den gesamten Himmel überwachen. Durchquert ein Meteorit in klarer Nacht die Atmosphäre, so lässt sich anhand der Aufnahmen der mögliche Aufschlagsort berechnen. Doch von der Feuerkugel, die im Januar den Abendhimmel über Nordeuropa erhellte, gab es keine Aufnahmen. Es war bedeckt und regnete. Ein schwieriger Fall also. Doch das schreckte Thomas Grau nicht.

Unermüdliche Sternschnuppen-Jagd

Der Sternschnuppen-Jäger machte sich auf den Weg nach Dänemark, um mögliche Überreste des Meteoriten zu finden. Eine Woche lang befragte er Augenzeugen, wobei er auch von Geräuschen zu hören bekam. Im Fernsehen erfuhr er zufällig von einer privaten Überwachungskamera in Südschweden, die den Feuerball gefilmt hatte. Letztlich schloss er, dass der Himmelsbote mindestens einen Meter groß gewesen und in rund 25 Kilometer Höhe zerbrochen sein muss.

All diese Informationen führten ihn schließlich auf die 60 Kilometer lange und 20 Kilometer breite dänische Insel Lolland. Dort durchkämmte er systematisch ein Wiesengelände: "Pro Tag habe ich einen ein Kilometer langen und hundert Meter breiten Streifen abgesucht", sagt Grau. Am sechsten Tag wurde er fündig. "Da bekommt man natürlich Herzklopfen bei solch einem Fund." Insgesamt waren es neun Bruchstücke, zusammen so groß wie ein Tischtennisball.

Nun hat ausgerechnet Dänemark ein Gesetz, das alle Meteoritenfunde zum Eigentum des Staates erklärt. Deshalb lieferte Grau seine kostbaren Steine im Geologischen Museum von Kopenhagen ab, wo sich nun der Experte Henning Haack damit beschäftigt. Nach seiner Analyse handelt es sich um sogenannte kohlige Chondrite, sehr seltene und für die Wissenschaft hochinteressante Objekte. "Diese Chondrite sind in den ersten fünf Millionen Jahren des Sonnensystems entstanden und haben sich seitdem nicht verändert", erklärt der Mineraloge Addi Bischoff von der Universität Münster.

Bischoff will sich an der Analyse der Meteoriten beteiligen, denn diese besitzen interessante Einschlüsse. In Poren steckt manchmal Material, das lange vor der Entstehung des Sonnensystems von explodierenden Sternen ins All geschleudert wurde. Aus der Analyse dieses "Sternenstaubs" lässt sich sogar ermitteln, von welchem Sterntyp das Material gekommen ist.

So warten nun Bischoff und Grau auf eine Reaktion aus Kopenhagen. Der eine ist am Meteoritenmaterial interessiert, der andere am Finderlohn.

Mit 45000 Kilometern pro Stunde Richtung Erde

Der am Seti-Institut tätige Petrus Jenniskens hatte bei seinem Fund viel bessere Voraussetzungen als Grau. Astronomen mit einem automatischen Teleskop in Arizona hatten am 6. Oktober 2008 einen anfliegenden Meteoriten entdeckt. Eine Bahnanalyse ergab, dass er 19 Stunden später in die Erdatmosphäre stürzen würde; eine Gefahr für Menschen gab es nicht. Tatsächlich raste der vier Meter dicke Gesteinsbrocken mit 45000 Kilometer pro Stunde über die nubische Wüste im Norden Sudans und explodierte in etwa 37 Kilometer Höhe.

Die Experten waren sich einig, dass von ihm nichts übrig geblieben sein konnte. Jenniskens sah das anders. "Irgendwer musste etwas tun", sagt er. Ihn trieb vor allem ein Gedanke: Noch nie zuvor war es gelungen, einen Meteoriten während des Anfluges im Weltraum zu beobachten und in der Folge zu bergen. "Es war eine einzigartige Möglichkeit, einen Körper, den wir vorher im Weltraum beobachtet haben, ins Labor zu bringen."

Der Meteoritenforscher wertete alle verfügbaren Quellen aus und berechnete, wo Reste des Meteoriten heruntergekommen sein mussten. Mit Hilfe von Studenten der Universität von Khartum unter der Leitung von Muawia Shaddad wurde er tatsächlich fündig. Bei zwei Expeditionen im Dezember vergangenen Jahres fand die Gruppe in einem Wüstengelände, das etwa die Ausmaße von Berlin hat, 47 Meteoriten-Splitter mit einer Gesamtmasse von knapp vier Kilogramm. Sie gehören zur Kategorie der sogenannten Ureiliten und wurden nach ihrem Fundort Almaha Sitta genannt.

Jenniskens glaubt nun sogar zu wissen, woher die Stücke kommen. Nach herrschender Lehrmeinung entstehen diese Meteoriten nämlich beim Zusammenstoß zweier Asteroiden und werden in Richtung Erde geschleudert. Die schwarzen Steine von Almaha Sitta stammen demnach von einem 2,6 Kilometer großen Asteroiden mit der Bezeichnung 1998 KU2. Angespornt durch den Erfolg sagt Jenniskens: "Ich warte schon auf den nächsten Anruf, der die Ankunft eines Meteoriten ankündigt." Er will dann wieder eine Expedition ausrüsten - wenn Thomas Grau aus Brandenburg ihm nicht zuvorkommt.

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