Metall-Diebe:Die DNS im Kupferdraht

Der Metallklau hat Konjunktur, wegen der hohen Metallpreise werden Gullydeckel und Kupferkabel gestohlen, selbst ein Kirchendach aus Kupfer wurde bereits entwendet. Nun sollen künstliche DNS und elektrische Fallen die Diebe stoppen.

Ralph Diermann

Fast dreißig Jahre lang schmückte die bronzene "Pandora", geschaffen vom Bildhauer Edwin Scharff, eine kleine Grünfläche im Duisburger Stadtteil Homberg. Doch eines Morgens im Winter 2011 war die 2,40 Meter hohe Statue plötzlich verschwunden: Diebe hatten die griechische Unheilsbotin knapp oberhalb des Sockels abgesägt. Solche Kunstwerke gelten als unverkäuflich; die für 100.000 Euro versicherte Pandora ist bis heute nicht wieder aufgetaucht. Vermutlich hat sie den Tätern weit weniger eingebracht, weil es ihnen um den Materialwert ging. Dann ist die Statue längst eingeschmolzen, die Bronze vielleicht zu einer Glocke oder Schmuck geworden.

STROMAUSFALL IM BAHNHOF ESSEN

Diebe haben es vor allem auf die kupfernen Erdungs-, Signal- oder Fernmeldekabel sowie die Fahrleitungsdrähte der Deutschen Bahn abgesehen.

(Foto: DPA/DPAWEB)

Der Metallklau hat Konjunktur, überall im Lande melden die Polizeibehörden spektakuläre Diebstähle. Erst langsam werden technische Tricks angewandt und Ersatzmaterialien benutzt, um die Diebe zu stoppen. Ob Dachrinnen aus Kupfer, gusseiserne Gullydeckel oder bronzene Gedenkplatten - "gestohlen wird alles, was nicht niet- und nagelfest ist", sagt Frank Scheulen, Sprecher des Landeskriminalamtes (LKA) Nordrhein-Westfalen. Im fränkischen Giebelstadt deckten Diebe gleich das ganze Kupferdach einer Kirche ab. In Meerhof bei Paderborn wurden 720 Meter Erdungskabel aus dem Turm eines Windrads geklaut. In Brandenburg demontierten Kriminelle im vergangenen Sommer 22 Stahltüren von Toiletten auf Autobahnrastplätzen. Und in Düsseldorf fasste die Polizei zwei Männer, die sechzig Grablichter und Vasen aus Messing vom Friedhof gestohlen hatten.

Die Beutezüge lohnen sich, denn die Preise für Edelmetalle sind in den letzten Jahren in die Höhe geschossen. Für ein Kilogramm Kupferschrott zahlen die Händler heute bis zu vier Euro, Anfang 2010 waren es zwei bis drei Euro. "Wir sehen ganz deutlich einen Zusammenhang zwischen der Preisentwicklung und den Deliktzahlen. Das ist kein Wunder, denn die Kriminellen wägen die Risiken eines Diebstahls genau ab", sagt Jörg Lacher, Sprecher des Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung. 5312 Delikte verzeichnete allein das LKA Nordrhein-Westfalen 2011; im Vorjahr waren es 2336. Meist wird das Diebesgut nach Osteuropa gebracht und dort eingeschmolzen. Metalle wie Kupfer können problemlos wiederverwertet werden, weil sich Verunreinigungen mit Hilfe der Elektrolyse restlos entfernen lassen.

Besonders betroffen vom Edelmetallklau ist die Deutsche Bahn. Diebe haben es vor allem auf die kupfernen Erdungs-, Signal- oder Fernmeldekabel sowie die Fahrleitungsdrähte abgesehen, die entlang der Schienen gespannt sind. Etwa 3000 Delikte meldete die Bahn im vergangenen Jahr, 1000 mehr als im Vorjahr. Das Unternehmen gab 2011 insgesamt 15 Millionen Euro aus, um die entwendeten Teile zu ersetzen. Noch schwerer allerdings wiegt der Schaden, der entsteht, weil sich Züge wegen der Diebstähle verspäten oder ganz ausfallen.

"Unser Streckennetz umfasst 34 000 Kilometer. Das entspricht dem dreifachen Autobahnnetz. Es ist unmöglich, das lückenlos zu überwachen", sagt ein Bahnsprecher. Deshalb hat das Unternehmen in Regionen mit besonders hoher Diebstahlquote damit begonnen, die Kabel mit einer Art künstlicher DNS zu versehen. Dabei werden winzige witterungsbeständige Metallpartikel auf die zu schützenden Teile gesprüht. Die Partikel enthalten einen Code, der sich mit einem Mikroskop entziffern lässt. "Wenn ein Täter vor Gericht steht, können wir jetzt nachweisen, dass er Material der Bahn gestohlen hat", erklärt der Unternehmenssprecher. Zugleich hofft die Bahn, dass die Markierung potentielle Diebe abschreckt.

Die künstliche DNS wird in kleinen Dosen ausgeliefert, deren Codes sich voneinander unterscheiden. Da die Experten der Bahn im Streckenkataster hinterlegt haben, wo welcher Code versprüht wurde, können sie sogar erkennen, an welcher Stelle das Diebesgut entwendet wurde. Zwar überlebt der Code das Einschmelzen nicht, aber die Markierung enthält eine Substanz, die hartnäckig an Händen, Kleidung und Werkzeugen der Kriminellen haftet und unter UV-Licht blau leuchtet. Seit diese Technologie im vergangenen Sommer eingeführt wurde und zugleich mehr Streifen entlang der Schienenstrecken unterwegs sind, gingen die Deliktzahlen zurück, meldet das Unternehmen.

Da aber der Aufwand für die Markierung groß ist, kann die Bahn die Technologie nicht flächendeckend einsetzen. Deshalb versucht das Unternehmen, Kupferkabel so weit wie möglich durch Leitungen aus Aluminium zu ersetzen. Wegen der deutlich niedrigeren Schrottpreise ist das Leichtmetall für Diebe uninteressant. Allerdings hat es einen Haken: Aluminium leitet Strom lediglich halb so gut wie Kupfer. Deshalb kann die Bahn nur in wenigen Bereichen auf das rotschimmernde Edelmetall verzichten.

"Viele Tatorte lassen sich nicht schützen"

Alternativen zum Kupfer suchen auch manche Immobilienbesitzer, die unter Diebstählen leiden. So hat etwa die Kirchengemeinde im Kieler Stadtteil Gaarden kupferfarbene Kunststoff-Fallrohre an ihrer St.-Johannis-Kirche installiert, nachdem die Originale aus Kupfer geklaut worden waren. Kunststoff statt Metall - damit will auch die englische Firma Grating Company den Dieben das Geschäft verderben: Sie hat einen Gullydeckel aus Fiberglas entwickelt. Der mit Glasfasern verstärkte Kunststoff ist genauso robust wie Gusseisen, hat für Verbrecher jedoch keinen Wert. In Deutschland sind die Fiberglas-Deckel allerdings nicht erhältlich.

Hierzulande verlassen sich die Kommunen lieber auf die herkömmlichen Abdeckungen aus Metall, obwohl auch diese immer stärker ins Visier der Ganoven geraten. In Düsseldorf zum Beispiel sind allein im Januar fünfzig Gullydeckel verschwunden - immerhin etwa achtzig Kilogramm pures Gusseisen pro Stück. Das ist gefährlich, denn offene Schächte bergen ein großes Unfallrisiko. Meist liegen die Deckel unbefestigt auf dem Kanalschacht auf.

"Diebe können die Abdeckungen einfach herauswuchten", sagt Axel Piper von der Firma Hydrotec, die solche Produkte herstellt. Zwar werden längst Gullydeckel mit Arretierung angeboten, die sich nur mit Hilfe einer besonders geformten Stange entfernen lassen. Doch mit einem Preis von etwa 160 Euro sind sie rund fünfzig Euro teurer als die Varianten ohne Verriegelung. Trotz der Diebstahlserien scheuen die klammen Kommunen die Mehrausgaben, sagt Piper: "Die Nachfrage nach arretierbaren Systemen ist bei uns nicht gestiegen."

Im Kampf gegen die Metalldiebe zieht die Polizei meist den Kürzeren. Nur zwölf Prozent aller Delikte konnte die Polizei in Nordrhein-Westfalen im letzten Jahr aufklären. "Viele Tatorte lassen sich einfach nicht schützen", sagt LKA-Sprecher Scheulen. Abgelegene Bahnstrecken, einsame Baustellen, Friedhöfe - wer hier zuschlägt, muss kaum befürchten, auf frischer Tat ertappt zu werden. Industriebetriebe können sich immerhin mit Zäunen oder einem Wachdienst gegen Diebstahl wappnen, sagt Scheulen. Auch technische Überwachungssysteme böten Schutz.

Ein solches, speziell auf die Sicherung von Kupferleitungen ausgelegtes System hat die badische Firma Klotter Elektrotechnik entwickelt. Das batteriebetriebene Kontrollgerät wird direkt an spannungsführende Kabel angeschlossen. Sackt die Spannung plötzlich ab, weil Diebe eine Leitung durchtrennt haben, schlägt das System per SMS Alarm und setzt eine rote Warnleuchte in Gang.

"Das Gerät wird überall dort eingesetzt, wo man den Zugang nicht abriegeln kann", erklärt Vertriebsleiter Gerhard Zimmermann. Als Beispiel nennt er Kieswerke, deren Schwimmbagger oder Förderbänder immer wieder Ziel von Metalldieben sind. "Wenn da eine Anlage stillsteht, weil Zuleitungen geklaut wurden, kostet das die Firmen schnell mehrere zehntausend Euro", sagt Zimmermann.

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