Meeresforschung:"Kapitän Ahabs" Schiff entdeckt

Sein Schicksal war das Vorbild für die Geschichte von Moby Dick: George Pollard war jener Walfänger, dessen Schiff von einem Pottwal versenkt wurde. Jetzt wurde das Wrack seines zweiten Walfangschiffs entdeckt.

Jörg Häntzschel

Bevor es Erdöl gab, gab es Waltran. Er wurde für Kerzen, Laternen und Seife gebraucht, er schmierte die Maschinen in der Frühphase der Industrialisierung. Und bevor es die Ölindustrie gab, gab es den Walfang: Er versprach dieselben Profite, weckte dieselbe Gier und barg ähnliche Risiken.

Two Brothers George Pollard

Meeresarchäologen der amerikanischen National Oceanic and Atmospheric Administration haben auf einem Riff vor den French Frigate Shoals westlich von Hawaii den Anker und andere Überreste der "Two Brothers" entdeckt. Das Schiff war ein Walfänger aus Nantucket. Sein Kapitän George Pollard war das Vorbild für Kapitän Ahab in Herman Melvilles Buch "Moby Dick".

(Foto: NOAA)

Daran erinnert das Wrack eines gesunkenen Walfangboots, das vergangene Woche 600 Meilen nordwestlich von Honolulu gefunden wurde, 12.000 Meilen entfernt von seinem Heimathafen Nantucket. Heute urlauben hier Millionäre aus Boston und New York. Damals war es Amerikas Walfangkapitale.

Die "Two Brothers", deren Anker, Harpunen und Ölkessel, auf einem Riff verstreut lagen, ist das einzige von unzähligen gesunkenen Walfangschiffen, dessen Wrack man gefunden hat.

Ihr Kapitän war kein anderer als George Pollard, der Mann, dessen vorherige, ebenfalls katastrophal geendeten Waljagd zum Vorbild für Herman Melvilles Roman "Moby Dick" wurde.

Nachdem die Gewässer im Nordatlantik nahezu leergefischt waren, nahmen die Walfänger immer längere und waghalsigere Fahrten in Kauf. Zwei bis vier Jahre waren die Boote in der Regel unterwegs. Die Reise der "Two Brothers", die Amerikas Ostküste nach Süden bis ans Kap Hoorn entlanggefahren und dann im Pazifik Richtung Japan gesegelt war, bevor sie 1823 sank, war also nicht ungewöhnlich.

Pollards erste Fahrt endete jedoch dramatischer. 1800 Meilen westlich der Galapagos-Inseln wurden die Jäger zu Gejagten: Ein Pottwal rammte sein Schiff, die "Essex", mehrfach, eine Episode, die Melville in seinem Jahrhundertroman unvergesslich gemacht hat.

Doch die Realität war noch grausamer. In ihrer Verzweiflung aßen sich die Seeleute in den Beibooten nacheinander selber auf.

Auf Pollards Boot waren schließlich nur noch vier Männer übrig. Als einer sterben sollte, um Nahrung für die anderen zu liefern, fiel das Los auf Pollards 19-jährigen Cousin, der erschossen und aufgegessen wurde.

Pollard schwor später dem Walfang ab und wurde Nachtwächter.

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