Meeresforschung:Festgefahren

Meeresforschung: Zurück aus 2435 Metern Wassertiefe: Der autonome Unterwasserroboter Tramper.

Zurück aus 2435 Metern Wassertiefe: Der autonome Unterwasserroboter Tramper.

(Foto: Alfred-Wegener-Institut)

Nach einem Jahr unter dem arktischen Eis haben Forscher einen Tauchroboter aus dem Meer geborgen. Ein Defekt am Antrieb vermasselte womöglich die wichtigsten Messungen.

Von Christopher Schrader

Als Frank Wenzhöfer seinen Roboter am vergangenen Freitag endlich wiedersah, hatte sich das Gerät ein Nest gebaut - 2435 Meter unter der arktischen See. Der Wissenschaftler vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven stand an Bord des Forschungsschiffs Polarstern 140 Kilometer westlich von Spitzbergen vor einem Monitor, der die Bilder eines zweiten, von der Oberfläche gesteuerten Kameraroboters wiedergab. Sie zeigten das Kettenfahrzeug Tramper, das Wenzhöfer im Juli 2016 in der Tiefe ausgesetzt hatte. Es sollte als erster autonomer Roboter ein gutes Jahr am Boden der Arktis verbringen, unter dem Packeis, in Wasser, das nur wegen seines Salzgehalts und des hohen Drucks in der Tiefe nicht gefriert.

Doch der Roboter kam nicht so weit, wie geplant. Irgendwann im Dezember 2016 musste der rechte der beiden Kettenantriebe ausgefallen sein, sodass sich der 1,5 Meter lange und 1,2 Meter hohe Tramper nur noch im Kreis drehen konnte. "Als wir ihn in den Kameras auftauchen sahen, waren wir zunächst etwas verwundert, dass er quer zur Fahrtrichtung stand", sagt Wenzhöfer. Außerdem saß der Roboter in einem etwa zwei Meter großen Kreis, den er bei seinen Pirouetten aufgeschüttet hatte, wie eine Sandburg.

Auf die Erklärung, was genau passiert war, und ob das Gerät trotz des mechanischen Malheurs seine Messungen fortgesetzt hatte, musste das Tramper-Team allerdings noch zwei Tage warten: Erst am vergangenen Sonntag war das Wasser ruhig genug, um die Bergung zu beginnen.

Um 15.50 Uhr schickte Wenzhöfer einen akustischen Befehl zum Roboter, sein Ballastgewicht abzuwerfen. Es dauerte zwei Stunden, bis erst eine Boje und dann der gelbe Roboter an der Oberfläche auftauchten. "Ein paar Seemöwen umkreisten sehr bald neugierig dieses fremde rechteckige 'Wesen' und schaukelten mit ihm auf den Wellen", schildert Martina Wilde im Weblog der Polarstern die Szene. Sie koordiniert am AWI das Robex-Programm, das Forschungsroboter für die Tiefsee, aber auch das Weltall entwickelt.

Sobald er konnte, las Wenzhöfer die Daten aus dem Speicher des Roboters aus, denn der Tramper hatte das ganze Jahr über keinen Funkkontakt mit der Außenwelt gehabt. Seine Aufzeichnungen zeigten, dass das Kettenfahrzeug 24 Wochen lang wie geplant an jedem Montag 15 Meter vorwärts gefahren war und den Sauerstoffgehalt im Sediment bestimmt hatte. Auch nach Ausfall der rechten Kette hatte der Roboter seine Messungen planmäßig erledigt, nur eben seit Januar immer an praktisch der gleichen, immer wieder neu umgepflügten Stelle, Forscherpech. Wenzhöfer und seinem Team kam es gerade auf die Daten aus dem Frühjahr 2017 an.

Der Sauerstoffgehalt der Sedimente ist für die Forscher deswegen interessant, weil dort Bakterien leben, die alles organische Material verwerten, das von oben herabgerieselt ist. Je weniger Sauerstoff noch vorhanden ist, desto mehr Kohlenstoffverbindungen haben die Mikroben verspeist. "Besonders das Frühjahr interessiert uns, wenn nach der Algenblüte die abgestorbenen Organismen zu Boden regnen", sagte Wenzhöfer vor seiner Expedition. "Dann müsste es eigentlich einen rapiden Abfall im Sauerstoffgehalt geben, der sonst das ganze Jahr einigermaßen konstant bleibt." Der Roboter sollte zum ersten Mal Informationen darüber liefern, was im Lauf eines ganzen Jahres unter dem Eis passiert.

Auch Leif Anderson von der Universität Göteborg freute sich auf die Daten. Solche Daten seien vor allem deswegen interessant, weil sich die Eisbedingungen in der Arktis durch den Klimawandel rapide verändern, erklärte er, bevor der Roboter ausgesetzt wurde. "Der Rückgang des Eises dürfte die Produktion von Biomasse dort steigern, und damit gelangt auch mehr organische Materie auf den Meeresboden."

Doch nun ist zweifelhaft, ob die Messungen aus dem Frühjahr taugen. Der Plan war ja, jeweils unmittelbar vor einer Messung ein Stück zu fahren, um an einer unberührten Stelle den Sauerstoffgehalt in den obersten zehn bis fünfzehn Zentimetern der Sedimente zu messen. Dazu bohrte der Roboter Nadeln in den Boden. Damit sich aufgewirbelte Sedimente nicht direkt an der Messstelle ablegen und das Experiment beeinflussen, sollte der Roboter der vorherrschenden Strömung entgegen fahren. Sein Kurs zielte fast genau nach Osten, wich nur etwas Richtung Süden ab.

Falls die Forscher den Roboter reparieren können, soll er gleich wieder auf Tauchfahrt gehen

Lenken war für das Kettenfahrzeug nicht vorgesehen. Nur wenn der Roboter zu stark geneigt war, sollte er etwas zurücksetzen und es schräg zum vorigen Kurs noch einmal versuchen. Und falls er vor der Messung auf Fotos einen Stein entdeckte, sollte er einfach noch ein bisschen weiter fahren. Große Probleme aber erwarteten die AWI-Wissenschaftler nicht: Die Meeresregion in der Framstraße zwischen Spitzbergen und Grönland nennen sie schließlich "Hausgarten", seit 1999 steuern deutsche Forschungsschiffe das Areal immer wieder an, um inzwischen 21 Messstationen zu besuchen. Wo der Roboter ausgesetzt wurde, ist der Meeresboden flach, glatt und aufgeräumt - soweit man das von oben sagen kann.

Neben den Sauerstoffmessungen war das oberste Ziel der Mission, so wenig Energie wie möglich beim Fahren zu verbrauchen, denn die Batterie litt schon genug unter der Kälte. Doch als die Forscher den Energiespeicher nach der Bergung prüften, erlebten sie eine Überraschung: Er war erst halb leer, der Roboter hätte also auch zwei Jahre unten bleiben können.

Zur Sicherheit hatten die Entwickler den Mechanismus zum Auftauchen ohnehin unabhängig von der Antriebsbatterie gemacht. Das Raupenfahrzeug musste nur auf ein akustisches Signal hin die Verriegelung eines etwa 100 Kilogramm schweren Gewichts lösen, das zwischen seinen Ketten angebracht war. Es hielt den Roboter, der an Land etwa 650 Kilogramm Masse hat, am Boden. "Für den Motor dieses Hakens gibt es eine eigenen Batterie", so Wenzhöfer - es könne also nicht passieren, dass der Roboter seine letzte Energie beim Fahren verbraucht und dann nicht mehr aufzusteigen vermag.

Das Problem mit der Kette hingegen hat die Forscher überrascht. "Der Grund waren feine Metallabriebe, die sich in den Planetengetrieben abgesetzt haben und letztendlich zur kompletten Blockade führten", erklärt Wenzhöfer. Schon vor seinem Wiedersehen mit dem Roboter hatte er gesagt: "Da einen solchen Einsatz vor uns in der Arktis noch niemand gewagt hat, besteht ein Risiko, dass irgendetwas nicht so geklappt hat wie vorher berechnet."

Falls die Forscher es schaffen, den Kettenantrieb zu reparieren und den Fehler zu beheben, wollen sie den Tramper noch während der laufenden Polarstern-Fahrt wieder aussetzen. Er braucht neue Sensoren, Batterien, Befehle - und ein neues Ballastgewicht.

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