Medizin:Weibliche Heilkunst

Wer zum Arzt muss, sollte vielleicht darüber nachdenken, ob es nicht besser eine Ärztin sein sollte. Diabetiker jedenfalls werden von Medizinerinnen besser behandelt als von deren männlichen Kollegen.

Werner Bartens

Patienten sollten überlegen, zu welchem Arzt sie gehen. Entscheidend ist dabei nicht nur, ob der Doktor sympathisch ist und man sich gut betreut und aufgehoben fühlt. Auch das Geschlecht des Arztes spielt offenbar eine Rolle für die Therapie. Zumindest für die Versorgung von Diabetikern scheint das zuzutreffen.

Medizin: Ärztinnen behandeln Zuckerkranke besser als Ärzte.

Ärztinnen behandeln Zuckerkranke besser als Ärzte.

(Foto: Foto: iStock)

Bisher standen eher die Patienten im Blickpunkt, wenn es um Geschlechtsunterschiede in der Medizin ging.

Mediziner um Heiner Berthold und Wilhelm Krone von den Universitäten Bonn und Köln berichten nun im Journal of Internal Medicine (online) jedoch, dass es auch einen Unterschied macht, ob der Arzt männlich oder weiblich ist, weil Zuckerkranke von Ärztinnen wohl besser behandelt werden als von Ärzten.

"Aus wissenschaftlicher Sicht haben wir keine Erklärung", sagt Berthold. "Und unsere naheliegenden Spekulationen verfestigen Klischees." Bisherige Erhebungen deuteten nämlich darauf hin, dass weibliche Ärzte Patienten besser in die gemeinsame Entscheidungsfindung einbeziehen.

"Die Versorgungsqualität war bei Ärztinnen besser"

Diabetes ist ein kompliziertes Leiden, bei dem Betroffene Lebensstil, Ernährung, ein strenges Medikamenten-Regime und den Umgang mit Spritzen beachten müssen. "Viele Patienten halten sich nicht an ärztliche Empfehlungen und müssen bei der Stange gehalten werden", sagt Berthold. "Ärztinnen gelingt das besser; sie bekommen öfter gelungene Zielvereinbarungen hin."

In der Studie wurden 51.000 Patienten bundesweit untersucht, die bei 3000 Ärzten in Betreuung waren. Nach medizinischen Kriterien wurden Diabetiker besser betreut, wenn sie bei Ärztinnen in Behandlung waren: Blutdruck und Blutfette wurden stärker gesenkt; der HbA1c genannte Wert, der ein Maß für die Einstellung des Blutzuckers ist, lag bei Patienten von Ärztinnen ebenfalls in niedrigeren Bereichen.

"Die Versorgungsqualität war bei Ärztinnen besser", schreiben die Autoren. Sie beobachteten zudem, dass Ärzte eher auf Technik - wie Blutzuckermessgeräte - setzten, während Ärztinnen stärker das Gespräch suchten.

Die unterschiedliche Behandlung durch Ärztinnen und Ärzte zeigte sich unabhängig vom Geschlecht der Patienten. Frauen gehen zwar lieber zu Frauen. Doch auch Männer, die zu Ärztinnen gingen, erfuhren dort eine bessere Versorgung als ihre Geschlechtsgenossen, die bei Ärzten in Behandlung waren.

"Ich könnte mir vorstellen, dass es auch Studien gibt, die nahelegen, dass Männer die besseren Ärzte sind", sagt Martina Dören, Professorin für Frauenforschung an der Charité. "Allerdings mehren sich die Hinweise, dass es Unterschiede in der Behandlung von Frauen und Männern gibt - auf Seiten der Patienten wie auf Seiten der Ärzte."

Im Januar hatte eine Studie gezeigt, dass weibliche Chirurgen Frauen mit Brustkrebs nach der Operation eher zur zusätzlichen Bestrahlung raten als männliche Chirurgen (Journal of the National Cancer Institute, Bd.100, S.199, 2008).

Weibliche Heilkunst

"Es gibt Belege dafür, dass Ärztinnen sich eher vergewissern, ob das Gesagte bei Patienten auch angekommen ist", sagt Vera Regitz-Zagrosek, Expertin für Herzleiden und Frauengesundheit an der Charité. "Männer neigen dazu, Patienten weniger ausreden zu lassen und nach einem festen Schema vorzugehen."

"Zu früh für Schlussfolgerungen"

Dass Zuckerkranke lieber zu einer Ärztin anstatt zu einem Arzt gehen sollten, empfiehlt Heiner Berthold dennoch nicht: "Für solche Schlussfolgerungen ist es nach einer Studie noch zu früh." Der Mediziner zeigt sich vielmehr darüber verärgert, dass die Versorgung der Diabetiker in Deutschland insgesamt "ziemlich lausig" sei. "

Diabetiker haben ein fünfmal so hohes Risiko wie Gesunde für plötzlichen Herztod", sagt Berthold. "Trotzdem werden wichtige Risiken wie erhöhter Blutdruck und erhöhte Fette nicht ausreichend behandelt." In der aktuellen Studie erreichten nur 15 Prozent der Diabetiker einen Blutdruck von unter 130 Millimeter Quecksilbersäule.

Ingrid Mühlhauser, Professorin für Gesundheitswissenschaften in Hamburg, hat hingegen Zweifel, dass Frauen die besseren Ärzte für Diabetiker sind. "Das lässt sich aus diesen Daten nicht ableiten", sagt sie. Zudem sei fraglich, ob die Normalisierung von Blutzucker, Blutdruck und Blutfetten auch einer besseren Behandlung entspricht. "Normalität um jeden Preis kann nicht das Ziel sein", sagt Mühlhauser.

Vor wenigen Wochen wurde erst eine Studie an Diabetikern abgebrochen, deren Blutzucker und HbA1c zwar im niedrigsten Bereich lagen - die Sterblichkeit der Patienten war unter der aggressiven Therapie jedoch erhöht. "Letztlich ist für die Therapie die Hingabe zum Beruf wichtig", sagt Martina Dören. "Und dass der Patient sich aufgehoben fühlt."

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