Medizin:Streit um Gebärmutter-Transplantationen

Die gescheiterte Transplantation einer Gebärmutter wirft ethische Fragen auf: Ist der Wunsch nach Kindern wichtig genug, um einer anderen lebenden Frau den Uterus zu entnehmen?

Von Christina Berndt

Ende Oktober hatte das Universitätsklinikum Tübingen eine aufsehenerregende Nachricht zu verkünden: Erstmals in Deutschland hatten Ärzte eine Gebärmutter transplantiert. Eine 23-jährige Frau, geboren ohne Uterus, sollte dank dieses Eingriffs ein eigenes Kind zur Welt bringen können. So groß sei das seelische Leid solcher Frauen, sagte die leitende Ärztin Sara Brucker damals, dass dies den Eingriff rechtfertige. Auch wenn er schwerwiegend sei - für die Patientin wie für die Spenderin. Die Tübinger hatten kein Organ einer Leiche verwendet, sondern von einer Lebenden. Die Patientin sollte ihr Baby mit der Gebärmutter ihrer Mutter bekommen.

Doch diese Entscheidung kann auch viel seelisches Leid bedeuten, wie Chirurgen im Vorfeld der an diesem Mittwoch im Alpbach beginnenden Wintertagung der Organverteilungsstelle Eurotransplant diskutieren. Denn inzwischen haben die Tübinger Ärzte eine zweite Gebärmuttertransplantation gewagt. Und diese ist gescheitert. Der Uterus sei der Spenderin zwar entnommen worden, bestätigte Sara Brucker der SZ, doch sei es nicht gelungen, ihn zu spülen und von Blut und Geweberesten zu befreien. Die Ärzte hätten das Organ schließlich verwerfen müssen. Die Spenderin hat sich dem Eingriff also ohne Nutzen unterzogen. Sie muss nun mit Operationsnarben leben wie auch mit dem Gefühl, dass sie nicht helfen konnte.

Eine Gebärmuttertransplantation rettet kein Leben, es geht nur um den Kinderwunsch

Dass nach einem ersten Erfolg bereits die zweite Transplantation in Deutschland misslang, heizt die medizinethische Diskussion über Gebärmuttertransplantationen an. "Vor dem Hintergrund des missglückten Versuchs sollte man noch einmal darüber nachdenken, lieber Organe von Verstorbenen zu verwenden", sagt Eurotransplant-Präsident Bruno Meiser, "dann besteht wenigstens kein Risiko für die Spenderin." Zwar bringe eine Lebendspende viele Vorteile mit sich, weil der Uterus nach eingehender Planung entnommen werden könne, ergänzt Xavier Rogiers, Leiter des Transplantationszentrums am Universitätskrankenhaus Gent: "Aber gerade weil es bei Uterustransplantationen nicht um Leben und Tod geht, sondern nur um Kinderwunsch, planen wir ausschließlich die Verwendung von Leichenspenden."

Spenderorgane von Leichen sind für Sara Brucker trotz aller Schwierigkeiten aber derzeit keine Alternative: "Es gibt bis jetzt weltweit keinen Erfolg mit einer postmortalen Spende", betont sie. Erfolg heiße schließlich: ein Kind. In Göteborg, wo mit Mats Brännström der Pionier der Gebärmuttertransplantation ansässig ist, wurden dagegen schon fünf Babys aus Gebärmüttern lebender Spenderinnen geboren. Allerdings mussten auch dort zwei gespendete Uteri wieder entfernt werden.

Wie es der Tübinger Spenderin derzeit geht, die ihre Gebärmutter glücklos hergab, will Sara Brucker mit Verweis auf die Schweigepflicht nicht sagen. "Der Eingriff verlief aber komplikationslos, und wir haben das Organ eingehend untersucht, auch um daraus zu lernen." Denn das Projekt soll weitergehen, trotz aller Risiken und der Möglichkeit, dass es am Ende doch nicht klappt. Rund 80 Patientinnen hätten sich bereits für eine Uterustransplantation gemeldet, viele mit einer Spendewilligen an ihrer Seite. Und der einen Frau, bei der der Eingriff bislang klappte, geht es Brucker zufolge gut. Im Herbst wird sie sich und ihre Gebärmutter der Herausforderung stellen: Sie will versuchen, schwanger zu werden.

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