Medizin:Die Abwehr im Blut

Impfungen sind ein Segen der Neuzeit. Doch viele lehnen sie ab, besonders junge Eltern. Das verhilft Krankheiten zu neuer Kraft.

Christina Berndt

Auch bei dem achten Kind gab es also diesen unheimlichen Zusammenhang. Dem erfahrenen Magen-Darm-Spezialisten Andrew Wakefield schwante Böses, als er mit den Eltern dieses kleinen Jungen sprach, der unter einer merkwürdigen Form von Autismus litt.

Grippeimpfung, AP

Impfungen sind ohnehin alles andere als beliebt. Vorurteile und Gerüchte sorgen zudem für teils rückgängige Impfzahlen.

(Foto: Foto: AP)

Sieben Jahre war der Junge alt und nicht nur über die Maßen in sich gekehrt. Er litt auch noch unter diesen seltsamen Schmerzen im Bauch. Sein Darm war geschwollen wie eine Wollwurst, weil so viele weiße Blutkörperchen eingefallen waren. Irgendwie meinte das Immunsystem des Jungen, gegen einen Feind in seinem Inneren kämpfen zu müssen.

Woran ihr Sohn litt, wussten die Eltern nicht, als sie ihn im Spätherbst 1997 in das Royal Free Hospital in London brachten. Aber die Ursache der Beschwerden glaubten sie zu kennen: 15 Monate lang hatte sich ihr Baby normal entwickelt - bis es gegen Masern, Mumps und Röteln geimpft wurde.

Folgenschwerer Irrtum

Wie ausgewechselt sei ihr Sohn daraufhin gewesen, versicherten die Eltern. Andrew Wakefield empfand jetzt Gewissheit. Er kannte noch sieben weitere Kinder, die im Anschluss an die Masern-Mumps-Röteln-Impfung ihr Verhalten geändert hatten. Der Doktor beschloss, der Fachwelt von seiner Beobachtung zu berichten, und die angesehene Ärztezeitschrift The Lancet druckte seine Geschichte ab.

Doch das sollten nicht nur die Verantwortlichen der Zeitschrift bitter bereuen. Auch Wakefield hatte in der Folge schwere Kämpfe auszutragen. Sie gipfelten darin, dass er seinen Professoren-Job hinschmeißen musste. Denn mit der Zeit zeigte sich: Der Darmspezialist hatte seine Beobachtungen keineswegs unvoreingenommen gemacht.

Die Kinder waren nicht zufällig nacheinander bei ihm in der Klinik aufgetaucht, wie er geschrieben hatte. Vielmehr hatte Wakefield gezielt nach Eltern gesucht, die ihre Kinder für Impf-Autisten hielten. Und er wurde auch noch bezahlt:

55.000 Pfund hatte er von einer Interessengruppe erhalten, die Eltern bei dem Versuch unterstützen wollte, für vermeintliche Impfschäden ihrer Kinder eine Entschädigung zu erstreiten.

Enttarnung und Entwarnung aber kamen zu spät: Auf den britischen Inseln bekamen Eltern durch Wakefields Lancet-Veröffentlichung und die Berichte in der Presse so viel Angst vor der Masern-Mumps-Röteln-Impfung, dass die Impfzahlen dramatisch zurückgingen.

"Es dauert ewig, bis solche Meldungen wieder vom Tisch sind", sagt der Kinderarzt Alfred Nassauer vom Robert-Koch- Institut seufzend. "Bei vielen Eltern bleiben nur die negativen Botschaften hängen." Bis heute führen besorgte Eltern immer wieder die Beobachtungen aus London an, wenn sie den Sinn von Impfungen diskutieren.

Das Risiko ist kalkulierbar

Dabei haben Studien aus Wakefields aufgeblasener Warnung längst die Luft gelassen. "Risiken durch Impfungen gibt es ganz klar", sagt Robert Chen von der Abteilung für Impfsicherheit der amerikanischen Centers for Disease Control.

Dennoch gehören Impfstoffe zu den sichersten Stoffen, die man von einem Arzt bekommen kann: Weil sie jedes Jahr zig Millionen Menschen verabreicht werden, gelten für sie extrem hohe Standards - höhere als für Medikamente. Trotzdem werden Impfstoffe von der Bevölkerung kritisch beäugt.

Die Abwehr im Blut

Die Krankheit, vor der die Spritze schützen soll, ist nur eine theoretische Bedrohung, die den Impfling in der Realität womöglich niemals heimsuchen wird. Die potenziellen Gefahren der Impfung aber fühlen sich in dem Moment, in dem der Arzt die Spritze aufzieht, ganz real an.

Medizin: Drei Jahre dauerte es, bis sich die Pest im 14. Jahrhundert von Sizilien bis nach Norwegen ausgebreitet hatte. Heute reisen Erreger mit dem Flugzeug binnen Stunden um die ganze Welt. Zwei Millionen Flüge pro Woche gibt es zwischen den 457 wichtigsten Flughäfen - das sind 95 Prozent des weltweiten Luftverkehrs. Die Helligkeit der Linien bildet das Passagieraufkommen ab: Das hellste Gelb steht für bis zu 25.000 Passagiere täglich, das dunkelste Rot für mindestens elf Reisende pro Tag.

Drei Jahre dauerte es, bis sich die Pest im 14. Jahrhundert von Sizilien bis nach Norwegen ausgebreitet hatte. Heute reisen Erreger mit dem Flugzeug binnen Stunden um die ganze Welt. Zwei Millionen Flüge pro Woche gibt es zwischen den 457 wichtigsten Flughäfen - das sind 95 Prozent des weltweiten Luftverkehrs. Die Helligkeit der Linien bildet das Passagieraufkommen ab: Das hellste Gelb steht für bis zu 25.000 Passagiere täglich, das dunkelste Rot für mindestens elf Reisende pro Tag.

(Foto: Illustration: Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation)

Wohl auch deshalb sind die Vorbehalte gegen das Impfen so alt wie das Impfen selbst. Schon das erste Vakzin der Geschichte - das immerhin Schutz vor den lebensgefährlichen Pocken versprach - wurde extrem kritisch gesehen. Das ärgerte den Dichter Johann Wolfgang von Goethe; drei Geschwister waren an den Pocken gestorben.

Er selbst hatte die Blattern als Sechsjähriger nur knapp überstanden. Goethe setzte sich Zeit seines Lebens für die Impfung gegen die Pocken ein. Als er Geheimrat in Weimar war, wollte er sogar einen Impfzwang durchsetzen.

Abergläubische Angst vor Hörnern und Eutern

Allerdings waren die Vorbehalte gegen die Impfung zu Goethes Zeiten andere als heute. Während Eltern in der Gegenwart fürchten, dass ihre Kinder durch Impfungen schreckliche Krankheiten bekommen oder dass zu viel Schutz dem Immunsystem schadet, glaubten des Dichters Zeitgenossen, ihnen könnten Hörner oder Euter wachsen.

Hatte der britische Arzt Edward Jenner den Pockenimpfstoff nicht aus Kühen gewonnen? Dem Landdoktor war aufgefallen, dass Melkerin in Zeiten der Blattern ein Hochsicherheitsjob war. Während andere Frauen starben oder Pockennarben davontrugen, zeigten die Mägde stolz ihre zarte Haut.

Bestätigung im Menschenversuch

Das musste mit den Kuhpocken zusammenhängen, dachte sich Jenner und missbrauchte 1796 einen kleinen Jungen für ein menschenverachtendes Experiment: Er injizierte dem Knaben Eiter aus einer Kuhpockenpustel und spritzte ihm etwas später echte Pocken.

Tatsächlich konnten die Erreger dem Jungen nichts anhaben. Die Schutzimpfung war erfunden. "Vakzination" nannte Jenner sie - dem Rindvieh zu Ehren: "Vacca" heißt auf Lateinisch "Kuh". Vielleicht hätte Jenner sich einen wohlklingenderen Namen überlegt, wenn er geahnt hätte, welchen Segen seine Idee den Menschen bringen würde.

Bismarck führte den Impfzwang ein

Allerdings mussten viele zu ihrem Glück gezwungen werden: Bismarck legte im Jahr 1874 sein "Gesetz über den Impfzwang" vor, das jedes Kind im Deutschen Reich zur Blatternimpfung verpflichtete. Später wurde der Kampf gegen die Pocken weltweit organisiert.

Als 1966 noch immer zehn Millionen Menschen von der Krankheit befallen wurden und zwei Millionen an ihr starben, beschloss die Weltgesundheitsorganisation WHO die Ausrottung des Erregers. Eine gigantische Impfaktion begann. Elf Jahre später forderten die Pocken in Somalia ihr letztes Opfer, und am 8. Mai 1980 verkündete die WHO, die Pockenviren seien vom Erdball vertrieben.

Mit anderen Krankheiten taten sich die Seuchenschützer zwar schwerer, doch insgesamt sind ihre Erfolge beeindruckend. Die einst so gefürchtete Kinderlähmung, die noch Mitte des 20. Jahrhunderts Millionen Kinder verkrüppelte oder in die eiserne Lunge zwang, ist heute fast vollständig verschwunden. Und die einst großen Bedrohungen wie Tuberkulose, Diphtherie oder Masern sind zumindest in der westlichen Welt selten geworden.

Zwischenfälle allerdings gab es immer wieder. So war das erste Vakzin gegen die Kinderlähmung mit Tumorviren von Affen verseucht, weil das Impfvirus mit Hilfe von Primatenzellen gezüchtet worden war. Mehreren hundert Millionen Menschen hatte man den kontaminierten Impfstoff Anfang der Sechzigerjahre gespritzt. Ein glücklicher Zufall, dass sich die Viren für den Menschen als harmlos erwiesen.

Tödliche Fehrlerquote

Weniger glimpflich verlief in den Anfängen der Tuberkuloseimpfung das Lübecker Impfunglück von 1930: Von 251 geimpften Säuglingen starben damals 77, weil die Tuberkelbazillen, die ihnen gespritzt wurden, aus Versehen nicht abgeschwächt worden waren. Auch die Jenner'sche Pockenimpfung war im 19. Jahrhundert keine sichere Sache.

Die Abwehr im Blut

Immer wieder lösten die aus den Wunden von Kranken gewonnenen Viren, die als Impfstoff dienten, die Krankheit erst aus. So starben zwei bis drei von 100 Geimpften. Jedoch grassierten die Pocken damals auch mit ganzer Wucht in Europa, von 100 Infizierten starben etwa 30.

Zweifelsohne sind Impfstoffe seither immer sicherer geworden. Während sie anfangs meist noch lebende Viren enthielten, um den Körper in Alarmbereitschaft zu versetzen, waren es später abgeschwächte Erreger. Auch solche Impfstoffe haben aber Tücken. Es hängt von den Erregern ab, ob sie etwa auch in abgetöteter Form als Impfstoff taugen.

Spritze sicherer als Schluckimpfung

Die bekannte Schluckimpfung gegen die Kinderlähmung zum Beispiel wurde inzwischen durch ein sichereres Vakzin aus toten Erregern ausgetauscht. Das muss zwar gespritzt werden, aber der betröpfelte Zuckerwürfel, einst ein Symbol des Schutzes, hatte die bittere Krankheit mitunter ausgelöst.

Besonders sicher lassen sich moderne Impfstoffe mithilfe der Gentechnik machen. So genügt es, zum Schutz vor der lebensbedrohenden Leberentzündung Hepatitis B gentechnisch hergestellte Partikel der Erreger zu spritzen, deren Originale von der Oberfläche des Hepatitis-B-Virus stammen. Wie alle Impfstoffe bereiten sie den Körper auf einen potenziellen Feind vor, sodass er die echten Viren vertreiben kann, sollten sie ihn heimsuchen.

Steigende Vorbehalte

Eine Leberentzündung können die Virus-Schnipsel nicht hervorrufen. Frei von Nebenwirkungen sind auch solche Hightech-Impfstoffe nicht, aber es handelt sich dabei in erster Linie um Fieber, Hautrötung und Übelkeit. Das Paradoxon: Obwohl die Impfstoffe immer sicherer werden, wachsen die Vorbehalte.

"Durch ihren beeindruckenden Erfolg werden Schutzimpfungen zu ihrem eigenen Feind", sagt Johannes Löwer, Leiter des Paul-Ehrlich-Instituts, das für Zulassung und Sicherheit der Impfstoffe in Deutschland zuständig ist.

Die Menschen hätten vergessen, welche Bedrohung Infektionskrankheiten darstellen, und hielten Impfungen häufig für überflüssig - oder für das größere Übel.

So kommt es immer wieder zu neuen Ausbrüchen von Krankheiten, die schon besiegt schienen. Im Winter 1999/2000 etwa ereilte die Kinderlähmung zwei streng calvinistische Gemeinden in den Niederlanden. 3000 Personen erkrankten, drei Menschen starben.

"Masern-Partys" bei den Nachbarn

Vor wenigen Wochen mussten auch die USA einen Rückschlag in ihren Bemühungen hinnehmen, die Krankheit auszurotten: Bei den Amish People im Bundesstaat Minnesota sind mindestens fünf Fälle von Kinderlähmung aufgetreten. Zum ersten Mal nach 26 Jahren hatte die Krankheit wieder einen Amerikaner befallen.

In Deutschland hat die Verweigerung weniger religiöse Gründe, aber einer Ideologie gehorchen viele Eltern trotzdem, wenn sie ihre Kinder nicht impfen lassen oder sie gar zu "Masern-Partys" im Haus kranker Nachbarskinder schicken.

Die Abwehr im Blut

Meist sind es Anhänger alternativer Heilmethoden, die Impfungen ablehnen, weil sie Kinderkrankheiten für wichtige Entwicklungsschritte halten oder Nebenwirkungen der Vakzine fürchten. So gingen die jüngsten Masern-Ausbrüche in Deutschland von anthroposophischen Kindergärten und Schulen aus.

Der Volksmund wiegelt ab

Zuletzt grassierte die Krankheit im Winter 2004/05 in Hessen. 200 Kranke und ein totes 14-jähriges Mädchen waren die Bilanz. Im Jahr 2002 kam es in Coburg sogar zu mehr als 1200 Fällen von Masern. Die Eltern betrachteten es trotz der teils gravierenden Komplikationen bei ihren Kindern als nützlich, dass diese die Krankheit durchmachten. "Das sind nur Kinderkrankheiten", wiegelt der Volksmund ab.

Dabei sind Kinderkrankheiten oft tragisch. Sie werden nur so genannt, weil sie derart ansteckend sind, dass die meisten Menschen sie schon in den ersten Lebensjahren bekommen - nicht selten mit schwerwiegenden Folgen.

"Die Masern werden besonders unterschätzt", sagt der Pädiater Heinz-Josef Schmitt von der Universitätskinderklinik Mainz. Dabei seien die Masern eine der ansteckendsten Krankheiten überhaupt. In jedem fünften bis zehnten Fall führen sie zu schweren Komplikationen wie Entzündungen von Lunge oder Gehirn.

Außerdem hat sich jüngst gezeigt, dass die Folgen der Masern noch drastischer sind als bisher angenommen. Jahre nach der Infektion kann es zu der tödlich verlaufenden Gehirnentzündung SSPE kommen, der Subakuten Sklerosierenden Panenzephalitis. Bisher haben Kinderärzte angenommen, es gebe ein oder zwei jährliche Todesfälle durch Masern in Deutschland.

Immer noch Tote durch Masern

Wenn aber die Spätfolgen der Virusinfektion berücksichtigt werden, sind es wohl eher fünf bis zehn Tote pro Jahr, wie kürzlich Würzburger Virologen warnten. Sie haben seit 1988 rund 120 SSPETodesfälle dokumentiert. Die von vielen Eltern so gefürchtete Masern-Mumps-Röteln-Impfung ist dagegen gut verträglich.

Aber wie jeder Eingriff in den Körper ist auch sie nicht völlig frei von unerwünschten Wirkungen (siehe Tabelle). Bei jedem 1000. bis 10.000. Kind kommt es nach der Impfung zu Fieber. Mitunter sorgen die Impfviren auch dafür, dass die Krankheiten ausbrechen. Diese Impfkrankheiten verlaufen aber im Vergleich zu den echten Leiden milde und sie sind auch nicht ansteckend für andere. Denn der Impfstoff enthält nur abgeschwächte Viren.

Geringes Impfrisiko

So liegt das Risiko, durch eine Masernimpfung an einer Hirn- (haut)entzündung zu erkranken, bei eins zu einer Million. Bei den echten Masern ist das Risiko tausendmal so hoch. Dass Masernviren in einem Impfstoff in seltenen Fällen Masern auslösen können und Polioviren Kinderlähmung, zweifelt kein ernst zu nehmender Impfbefürworter an.

Doch wie im Fall der Autismus-Theorie des Andrew Wakefield sind es eher Geschichten über mysteriöse Impfkatastrophen, die die Gespräche junger Eltern beherrschen. Die Liste angeblicher, dramatischer Nebenwirkungen ist lang.

Zusammenhänge nie wissenschaftlich belegt

So soll die Impfung gegen Hepatitis B zu Multipler Sklerose führen und die Impfung gegen Haemophilus influenzae B zu Zuckerkrankheit. Doch diese Zusammenhänge konnten wissenschaftlich nie belegt werden.

Umfangreiche Studien haben zudem gezeigt, dass die Keuchhustenimpfung nichts mit dem plötzlichen Kindstod zu tun hat und die Impfung gegen Hirnhautentzündung nichts mit Diabetes. Impfungen sind außerdem auch nicht für den weltweiten Anstieg allergischer Erkrankungen verantwortlich - im Gegenteil:

Die Abwehr im Blut

Kinder in der DDR zum Beispiel, die wegen des dortigen Impfzwangs durchimmunisiert waren, litten kaum unter Allergien. Auch wenn Warnungen vor möglichen Impfschäden auf noch so vagen Grundlagen stehen: Haben die Gerüchte erst einmal das Internet und einschlägige Elternzeitschriften erreicht, sind sie schwer wieder aus der Welt zu schaffen.

Gerüchte schwer widerlegbar

Denn während die beunruhigenden Hypothesen schrill und eingängig sind, basiert die Gegenargumentation meist auf anspruchsvollen wissenschaftlichen Argumenten, die Laien oft kaum oder nur schwer nachvollziehen können.

Wie schwierig die Gerüchte zu widerlegen sind, zeigt die Arbeit dänischer Epidemiologen zu Andrew Wakefields Autismus-Hypothese: Die Forscher vom Wissenschaftszentrum in Arhus haben die Daten von 537.303 Kindern analysiert, die zwischen 1991 und 1998 geboren wurden. 82 Prozent von ihnen waren gegen Masern, Mumps und Röteln geimpft worden.

Das Ergebnis: Die Impfung hatte das Risiko für Autismus nicht im Geringsten erhöht. Noch schwerer haben es die Kinderärzte mit impfkritischen Behauptungen, die rein weltanschaulicher Natur sind und sich deshalb einer wissenschaftlichen Argumentation entziehen.

Das ist zum Beispiel bei der pseudowissenschaftlichen Überzeugung der Fall, das kindliche Immunsystem könne nur reifen, wenn es sich mit Kinderkrankheiten auseinander setze. Das Argument ist nicht neu.

Kinderkrankheiten sind kein notwendiges Übel

Schon die Gegner der ersten Impfungen sahen die Krankheiten bei Kindern als ein notwendiges Übel an - "als einen Reinigungsvorgang des Körpers von schädlichen Säften oder sogar als gottgewolltes Schicksal", sagt Eberhard Wolff vom medizinhistorischen Institut der Universität Zürich.

Die Kinderärztin Christiane Meyer schüttelt da nur den Kopf. "Das kindliche Immunsystem muss sich nach der Geburt mit einer Vielzahl von Krankheitskeimen auseinander setzen", sagt Meyer, die am Robert-Koch- Institut die Impfempfehlungen mit ausarbeitet. Es hat also genug Möglichkeiten, sich auszutoben.

Das gleiche Argument bemüht Meyer, wenn Eltern umgekehrt befürchten, dass die Kombinationsimpfstoffe, die mehrere Krankheiten verhüten, zu viel für die Kinder seien. "Die Welt ist voller Keime, jeden Tag." Meyer kennt sie alle, die Argumente gegen das Impfen.

"Viele sind verständliche Einwände, die sich leicht aus der Welt schaffen lassen", sagt sie. "Mich ärgert aber, dass manche Impfgegner längst widerlegte Thesen gebetsmühlenartig wiederholen. Da muss man sich schon fragen, ob ihnen wirklich die Kenntnisse fehlen oder ob sie solche Behauptungen eher mit dem Vorsatz aufstellen, andere zu täuschen."

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