Max Planck:Vater der Quanten

Ein Revolutionär wider Willen: Zum 150. Geburtstag von Max Planck, der den Mut hatte, die Grundlagen der modernen Physik zu legen.

Dieter Hoffmann

"Plancks Name wird für alle Zeiten in der Physik bleiben. Zwar haben andere nach ihm die Quantentheorie weiter, viel weiter entwickelt ... Aber den ersten richtungsweisenden Schritt, der sich in der Einführung einer neuen universellen Konstante h dokumentiert, hat eben doch Planck und kein anderer gewagt. Der geniale Mut, der sich darin äußert, wird als Vorbild für künftige große Taten noch nach Jahrhunderten die Wissenschaftler begeistern."

Max Planck: Max Planck, 1906

Max Planck, 1906

(Foto: Foto: Archiv der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin-Dahlem)

Mit diesen Worten charakterisierte der Physiker Max von Laue das wissenschaftliche Lebenswerk von Max Planck, dessen Geburtstag sich am 23. April zum 150. Male jährt. Plancks Quantenhypothese, wonach Strahlung nicht kontinuierlich, sondern in winzigen Energieportionen, Quanten genannt, ausgesandt wird, markiert den Beginn einer neuen Epoche physikalischer Forschung. Sie öffnete den Weg zum Verständnis atomarer Vorgänge.

Indem die Quantenphysik in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zur Vollendung gebracht wurde, durchdrang Plancks revolutionäre Idee fast alle Bereiche von Naturwissenschaft und Technik. Ein Ende der für den Alltag relevanten Anwendungen, ob Quantenoptik, Mikroelektronik oder Nanotechnologie, ist nicht in Sicht. Hinzu kommt, dass die Quantenhypothese zu einem neuen Weltbild der Physik führte und so auch dem Denken der Moderne ihren Stempel aufgedrückt hat.

Max Planck entstammte einer schwäbischen Gelehrtenfamilie, die eine Reihe bedeutender Juristen und Theologen hervorgebracht hat - unter ihnen den Göttinger Juristen Gottlieb, einen Mitbegründer des Bürgerlichen Gesetzbuches. Auch Plancks Vater war Jurist, der in Kiel wirkte, als Max Planck am 23. April 1858 auf die Welt kam.

Obwohl sein Geburtsort Kiel war, so sind die prägenden Erlebnisse von Plancks Kindheit und Jugend nicht dort, sondern in München zu finden. Dorthin war die Familie übergesiedelt, nachdem der Vater einem Ruf der Ludwig-Maximilians-Universität gefolgt war. In München besuchte der junge Max das Maximiliansgymnasium, das er 16-jährig mit einem glänzenden Abitur verließ. Von 1874 bis 1879 studierte er an der Universität München Physik; unterbrochen von zwei Gastsemestern in Berlin.

Im Sommer 1879 schloss er sein Studium mit der Promotion ab; bereits im folgenden Jahr folgte die Habilitation. Damit wurde er mit nur 22 Jahren in den Stand der Hochschullehrer aufgenommen. Als unbesoldeter Privatdozent lehrte er in den folgenden fünf Jahren in München, bevor er 1885 einem Ruf der Universität Kiel als außerordentlicher Professor für theoretische Physik folgte.

Im Jahr 1889 wechselte er an die Berliner Universität. Als Professor und Direktor des Instituts für theoretische Physik bleibt Plancks weiteres Wirken über seine Emeritierung (1926) hinaus mit Berlin verbunden. Seine Persönlichkeit führte nicht nur die große Tradition der theoretischen Physik in Berlin zur Blüte, sondern prägte die gesamte Naturwissenschaft durch die zahlreichen herausragenden Positionen, die Planck in seiner zweiten Lebenshälfte bekleidete. So war er seit dem Jahr 1894 nicht nur Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften, sondern stand ihr von 1912 bis 1938 auch als einer ihrer beständigen Sekretare vor.

Private Tragödien

Darüber hinaus war er im akademischen Jahr 1913/14 Rektor der Berliner Universität und zwischen 1930 und 1937 Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft.

Dass er bereit war, Verantwortung für das Schicksal der gesamten Wissenschaft zu tragen und nicht nur für den eigenen Forscherruhm zu sorgen, entsprach seinem beruflichen Ethos und preußischen Pflichtgefühl sowie der Überzeugung, dass der moderne Wissenschaftsbetrieb nur dann funktionieren kann, wenn die damit verbundenen Aufgaben nicht der staatlichen Bürokratie überlassen bleiben.

Planck hat so einen bis in die 1930er Jahre wachsenden Einfluss auf die Wissenschafts- und Forschungspolitik in Deutschland ausgeübt. Er kann durchaus als einer der ersten Wissenschaftsmanager im modernen Sinne bezeichnet werden.

Im Kontrast zu diesen außerordentlichen Leistungen standen die Tragödien, von denen sein Privatleben überschattet war: Seine erste Frau Marie, seine Jugendliebe, die er 1887 geheiratet hatte, starb bereits im Jahr 1909 und auch die vier Kinder aus dieser Ehe hat er alle überlebt. Sein ältester Sohn Karl fiel im Mai 1916 vor Verdun, die Zwillingstöchter Grete und Marie starben 1917 und 1919 beide im Wochenbett und der jüngste Sohn Erwin, der zum engsten Vertrauten und Freund geworden war, wurde als Mitverschwörer des 20. Juli noch im Januar 1945 von den Nazis hingerichtet.

Vater der Quanten

Plancks zentrales Forschungsthema war die Thermodynamik und insbesondere die Bedeutung des zweiten Hauptsatzes mit dem Entropiebegriff. Er knüpfte an die Arbeiten von Rudolf Clausius an, der den Entropiebegriff als Maß für den Ordnungszustand eines Systems in die Physik eingeführt und gezeigt hatte, dass diese Größe neben der Energie die wichtigste Eigenschaft eines physikalischen Systems ist.

Max Planck: Max Planck (mitte) 1928 im Kreis berühmter Kollegen: Walther Nernst, Albert Einstein, Max Planck, Robert Millikan und Max von Laue (von links).

Max Planck (mitte) 1928 im Kreis berühmter Kollegen: Walther Nernst, Albert Einstein, Max Planck, Robert Millikan und Max von Laue (von links).

(Foto: Foto: Archiv der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin-Dahlem)

Planck hat mit seinen Forschungen die Durchsetzung des damals noch umstrittenen und unklaren Begriffs maßgeblich gefördert und systematisch physikalisch-chemische Gleichgewichte untersucht - insbesondere wie sich Materie in feste, flüssige und gasförmige Zustände umwandelt.

Fundamentale Bedeutung lange nicht erkannt

Hierbei gelangte er zu zahlreichen, bis heute weitgehend gültig gebliebenen Erkenntnissen. Die Ausdehnung seiner Forschungen von physiko-chemischen Gleichgewichten auf die Strahlung, etwa die Frage, nach welchen Gesetzen eine Glühlampe leuchtet, war es auch, die ihn zur Aufstellung seines Strahlungsgesetzes und der revolutionären Quantenhypothese führten.

Allerdings waren sich zunächst weder Planck noch seine Zeitgenossen der fundamentalen Bedeutung dieser Erkenntnis bewusst. Erst die Lichtquantenhypothese von Albert Einstein aus dem Jahre 1905 markierte den Beginn des modernen Verständnisses vom quantenhaften Charakter atomarer Vorgänge und der zentralen Rolle des Planckschen Wirkungsquantums h, das den unauflösbaren Widerspruch zu den Grundlagen der klassischen Physik aufzeigte.

Doch auch nach Einstein bedurfte es noch fast eines Jahrzehnts, bis die revolutionäre Konsequenz der Planckschen Quantenhypothese allgemein akzeptiert war und quantenphysikalische Effekte endgültig ins Zentrum der physikalischen Forschung rückten. Planck selbst, dessen Weltbild stark im 19. Jahrhundert und in der klassischen Physik wurzelte, empfand die Quantenhypothese lange Zeit als "eine ungeheuerliche und für das Vorstellungsvermögen fast unerträgliche Zumutung".

Dies macht ihn zu einem Revolutionär wider Willen, der lange Zeit versuchte, seine Quantenhypothese in die klassische Physik einzufügen. Der physikalische Fortschritt ging über diese Versuche hinweg, und die weitere Entwicklung der Quantentheorie war das Werk einer jüngeren Physikergeneration, geprägt von Namen wie Erwin Schrödinger und Werner Heisenberg. Planck hat deren Erfolge aber vorbehaltlos anerkannt und ihre Forschungen kritisch begleitet.

Plancks Haltung war auch in gesellschaftlichen Fragen konservativ. Seine diesbezüglichen Ansichten wurzelten im deutschen Kaiserreich und wurden nachhaltig von preußischem Pflichtgefühl und Staatsgläubigkeit geprägt. Der Revolution von 1918 und der Weimarer Republik stand er verständnislos gegenüber, wenngleich er mit seinem wissenschaftsorganisatorischen Wirken zu ihrer politischen Stabilisierung beitrug.

Vater der Quanten

Max Planck: Max Planck Ende der  1930er Jahre. Der Physiker war auch Musiker.

Max Planck Ende der 1930er Jahre. Der Physiker war auch Musiker.

(Foto: Foto: Archiv der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin-Dahlem)

Noch größer war sein Dilemma im Dritten Reich. So hat er sich anfangs den neuen Machthabern weitgehend angepasst, womit sich auch in seinem Verhalten das Versagen der deutschen Eliten im Nationalsozialismus und gegenüber der von ihnen ungeliebten Weimarer Republik spiegelt.

Beispielsweise hoffte man, nun endlich die chronische Unterfinanzierung der Wissenschaft überwinden und so den Glanz der deutschen Wissenschaft befördern zu können. Für den Repräsentanten der deutschen Wissenschaft und engagierten "Wissenschaftsmanager" ein Lebensanliegen, für das man bereit war, Kompromisse mit den nationalsozialistischen Machthabern einzugehen und deren Übergriffe hinzunehmen.

Dass dies ein Pakt mit dem Teufel war, wurde Planck wohl Mitte der dreißiger Jahre klar. Von da an zeigte er deutliche Distanz zur Nazi-Diktatur und zuweilen sogar Zivilcourage.

Quer zur nationalsozialistischen Ideologie

Ein bevorzugtes Forum seiner kritischen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus wurden seine öffentlichen Vorträge, die er in großer Zahl in ganz Deutschland, aber auch im Ausland hielt und mit denen er schon in der Weimarer Republik einem interessierten Laienpublikum naturwissenschaftliche Erkenntnisse aus erster Hand zu vermitteln versuchte.

In ihnen wurden nun verstärkt Themen angesprochen, die quer zur nationalsozialistischen Ideologie standen. So betonte sein Vortrag "Religion und Naturwissenschaft" aus dem Jahre 1937 die Bedeutung religiöser Werte für das sittliche Handeln der Menschen und stellte dem Ungeist und der Unmoral der NS-Herrschaft die Werte des Christentums und des menschlichen Anstands entgegen.

Plancks Motto "Hin zu Gott" war so nicht nur Ausdruck der tiefen Religiosität des Gelehrten, sondern auch Ausdruck einer inneren Auflehnung und geistigen Gegenwehr. Dies machte ihn für viele auch zum Hoffnungsträger - insbesondere für jene, die es verstanden, zwischen den Zeilen zu lesen.

Nach 1945 stellte Planck seine wissenschaftliche Autorität und Reputation noch einmal für den wissenschaftlichen Wiederaufbau in Deutschland zur Verfügung und half damit die drohende Auflösung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zu verhindern und ihr Fortbestehen als Max-Planck-Gesellschaft zu sichern.

Max Planck hat so bis zu seinem Tod - er starb am 4. Oktober 1947 in Göttingen - maßgeblich zur internationalen Wertschätzung der deutschen Wissenschaft beigetragen, deren führender und allseits anerkannter Repräsentant er in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts war.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: