Masern:Riskante Nachlässigkeit

2010 haben sich in Deutschland bereits 219 Menschen mit Masern angesteckt - 35 mussten ins Krankenhaus. Eine Ursache: Eltern versäumen die zweite Impfung für den Nachwuchs.

219 Menschen haben sich in diesem Jahr bereits mit Masern angesteckt. 35 Patienten sind so schwer erkrankt, dass sie sich in einer Klinik behandeln lassen mussten. Das berichtet das Robert-Koch-Institut (RKI).

Impfung Masern Infektion RKI Reuters

2006 erkrankten beim schwersten Ausbruch der vergangenen Jahre 2308 Menschen an Masern, zwei Kinder starben.

(Foto: Foto: Reuters)

Damit zeichnet sich ab, dass auch in diesem Jahr die Masern nicht so stark zurückgehen werden, wie es angesichts der zur Verfügung stehenden Impfungen möglich wäre.

Seit 2005 schwanken die Zahlen der Maserninfektionen in Deutschland zwischen dem niedrigsten Wert von 566 Fällen im Jahr 2007 und dem höchsten Wert von 2308 Fällen im Jahr 2006. Bei diesem schwersten Ausbruch der vergangenen Jahre erkrankten allein in Nordrhein-Westfalen 1700 Menschen an Masern, zwei Kinder starben.

Der Hauptgrund dafür, dass die Krankheit sich in Deutschland nicht ausrotten lässt, ist Vergesslichkeit, vermutet RKI-Sprecherin Susanne Glasmacher. Die Ständige Impfkommission empfiehlt zwei Masernimpfungen im zweiten Lebensjahr. Doch eine Impfpflicht gibt es nicht.

Häufig nehmen Eltern die erste Masernimpfung für Kleinkinder noch wahr. Die zweite Impfung, die einen guten Schutz vor der Krankheit bewirkt, wird aber vernachlässigt.

Das bestätigen auch die jüngsten Untersuchungen vor der Einschulung von Kindern. Fast 96 Prozent der ABC-Schützen sind nach RKI-Angaben in Deutschland einmal gegen Masern geimpft, das ist ein guter Wert. Doch nur 89 Prozent haben auch die zweite Impfung erhalten. Diese Zahl ist schon erheblich besser als noch 2003 (51 Prozent). Doch sie reicht nicht, um die Krankheit verschwinden zu lassen.

Traditionell ist der Masern-Impfschutz in den ostdeutschen Bundesländern höher, weil Impfen zu DDR-Zeiten Pflicht war. Spitzenreiter bei den Masernimpfungen ist heute Mecklenburg-Vorpommern. 94 Prozent der Schulanfänger hatten dort auch die zweite Masernimpfung erhalten, beim Schlusslicht Bayern waren es nur 84,7 Prozent.

Neben Eltern, die das Impfen ihrer Kinder vergessen, gibt es auch entschiedene Impfgegner. Vor dieser Einstellung kann das RKI nur warnen. "Die Risiken der Impfung sind weitaus geringer als das Risiko einer Erkrankung", sagte Glasmacher. Bei Masern-Impfungen seien schwere Nebenwirkungen selten. Klinikeinweisungen gibt es bei Patienten dagegen immer wieder.

In Berlin hat sich erst im Januar gezeigt, welche Folgen eine einzige Masern-Infektion haben kann. Ein Junge, der eine Waldorf-Schule besuchte, war nicht gegen Masern geimpft. Er brachte die Infektion vermutlich Ende 2009 von einer Indienreise mit. In wenigen Wochen steckten sich dadurch nachweislich 62 Menschen an, darunter Geschwister, Mitschüler, Lehrer und Eltern. Die Infektion sprang auf andere Schulen und auch Kitas über. Schüler und Lehrer ohne Impfschutz wurden deshalb zeitweise vom Unterricht ausgeschlossen.

Ein Vater, der den Schulbesuch seines ungeimpften Kindes dennoch erzwingen wollte, bekam vor dem Berliner Verwaltungsgericht kein recht. Das Interesse am Schulbesuch müsse angesichts der Ansteckungsgefahr der mitunter sogar tödlich verlaufenden Krankheit zurücktreten, hieß es in der Begründung.

"Masern sind keine harmlose Kinderkrankheit", betonte Reinhard Burger, Vizepräsident des RKI, am Montag zum Auftakt der Europäischen Impfwoche vom 24. April bis 1. Mai.

Übrigens können sich auch Erwachsene, die oft schwerer an der Infektion erkranken als Kinder, impfen lassen.

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