Magische Gedanken:Die Lehre der Voodoo-Studenten

Kaum jemand wird behaupten, man könne Ereignisse mit der Kraft der Gedanken beeinflussen. Warum verhalten wir uns dann oft so, als ob es doch funktioniert?

Markus C. Schulte von Drach

Drücken Sie manchmal jemandem die Daumen? Und glauben Sie, dass es hilft? Nein? Warum haben Sie es dann getan?

Voodoo-Puppen

Voodoo in Kroatien: Mit Hilfe von Politiker-Puppen wollte ein Künstler offenbar Einfluss auf die Politik nehmen.

(Foto: Foto: AP)

Wissenschaftler bezeichnen den Glauben, Ereignisse aus der Entfernung durch die Kraft der Gedanken oder durch Rituale beeinflussen zu können, als magisches Denken.

Und auch wenn die meisten von uns diese Vorstellung vermutlich weit von sich weisen - es ist auch bei ganz normalen Menschen viel stärker verbreitet, als man denkt.

Und nicht nur das: Magisches Denken lässt sich sogar relativ einfach auslösen. Das zeigen etwa Studien von Dan Wegner von der Harvard University.

So hat der Psychologe zum Beispiel harmlose College-Studenten in Voodoo-Priester verwandelt.

Wie Wegner kürzlich zusammen mit Emily Pronin von der Princeton University berichtete, hatten die Forscher Versuchspersonen zu einem Test eingeladen, bei dem die Teilnehmer Hexendoktor und Opfer spielen sollten.

Was die Probanden nicht wussten: Alle Opfer waren eingeweiht und wussten, wie sie sich zu verhalten hatten.

Während des Versuchs musste der Hexendoktor sich für eine Minute gedanklich mit dem Opfer beschäftigen - und dann fünf Nadeln in eine Voodoo-Puppe jagen, die dessen Namen trug. Und siehe da, anschließend klagte das Opfer über leichte Kopfschmerzen.

Ein direkten Zusammenhang würde hier vermutlich kaum jemand vermuten - obwohl eine der Nadeln tatsächlich in den Kopf der Puppe gesteckt wurde.

Aber: Wenn das Opfer als unsympathische Nervensäge aufgetreten war, führte dies dazu, dass die Voodoo-Hexer ziemlich schlecht von ihm dachten, bevor sie auf die Puppe einstachen.

Und nach dem Ritual hatten nun jene Voodoo-Studenten, die sich über ihre Opfer geärgert hatten, das Gefühl, sie wären mitverantwortlich für die Schmerzen des Opfers (Journal of Personality and Social Psychology, Bd. 91, S.218, 2006).

Geistiger Beistand für Sportler

Eine weitere Bestätigung dafür, wie leicht sich magisches Denken auslösen lässt, fanden die Wissenschaftler bei Versuchen, in denen eine Testperson sich in Gedanken bestimmte Würfe ausmalen sollte, mit denen ein Mitspieler mit verbundenen Augen erfolgreich einen Basketball in einen Korb werfen würde.

Der Werfer allerdings, dessen Augenbinde nicht dicht war, hatte die Anweisung, eine bestimmte Reihenfolge von Wurftechniken anzuwenden. Bei einigen Versuchspersonen stimmte diese mit den vorgegebenen Gedankenbildern überein, bei einigen aber nicht.

Wurden die Würfe nun mit Erfolg so ausgeführt, wie der Proband sich das zuvor vorgestellt hatte, stellte sich bei ihm das Gefühl ein, er hätte den Werfer Kraft seiner Gedanken unterstützt.

Wieder war es den Forschern gelungen, harmlosen Studenten den Eindruck zu vermitteln, sie hätten übersinnliche Kräfte.

Und viele Basketball-Fans, die die Super Bowl 2005 geschaut hatten, fühlten sich einer Untersuchung der Wissenschaftler zufolge mitverantwortlich dafür, dass ihre Mannschaft gewonnen oder verloren hatte.

Warum aber bauen wir diese Illusion magischer Macht auf?

In unserem Gehirn werden häufig Entscheidungen gefällt, lange bevor wir bewusst darüber nachgedacht haben. Immer wieder konnten Wissenschaftler beobachten, dass Menschen Zusammenhänge manchmal spontan richtig erkennen, während langes Abwägen zu falschen Ergebnissen führen kann.

Das bedeutet natürlich nicht, dass diese Intuition immer zum richtigen Schluss führt. Im Gegenteil.

Gerade die Tendenz, Zusammenhänge auf der Grundlage subjektiver Eindrücke herzustellen, führt uns vielmehr häufig in die Irre.

Gedacht - getan?

Dan Wegner vermutet nun, dass wir von Natur aus dazu neigen, kausale Zusammenhänge unbewusst zwischen unseren Gedanken und dem Geschehen in der äußeren Welt herzustellen - und zwar dann, wenn etwas geschieht, nachdem wir gerade erst daran gedacht haben.

So entsteht das schlechte Gewissen, wenn der Kollege, dem wir gerade erst die Pest an den Hals gewünscht haben, sich kurz darauf ein Bein bricht.

Und so entsteht das Gefühl, am erfolgreich versenkten Elfmeter beteiligt gewesen zu sein, wenn man dem Spieler vom Fernsehsessel aus angefeuert hat.

Der Harvard-Psychologe hat sogar eine Idee, warum wir so funktionieren: Vielleicht brauchen wir das Gefühl, Dinge Kraft unserer Gedanken irgendwie kontrollieren zu können, als Gegengewicht zu dem Eindruck, vielen Ereignissen einfach ausgesetzt zu sein.

Dies würde zu der Beobachtung passen, dass Menschen besonders dann zu magischem Denken neigen, wenn sie unter Stress stehen - etwa Soldaten im Krieg oder Sportler bei wichtigen Turnieren.

Zwar wird kaum jemand, der bei Verstand ist, die wichtigsten Entscheidungen im Leben auf der Grundlage magischer Gedanken fällen. Dafür stehen diese doch zu häufig im Widerspruch zu unseren praktischen Erfahrungen.

Für Dan Wegner allerdings sind die Voodoo-Versuche nur ein Beispiel unter vielen, die zeigen, dass wir nur glauben, unser bewusstes Ich sei Urheber einer Aktion.

Er geht viel weiter: "Wir fühlen, dass wir wollen, was wir tun", so Wegner. Aber vielleicht ist das Gefühl des Wollens nur eine Illusion, weil wir beides - Gedanken und Handlungen - wahrnehmen, nicht aber die geistigen Prozesse, die tatsächlich dahinter stecken.

Unser Bewusstsein, so vermutet Wegner, könnte eine Begleiterscheinung unserer Handlungen sein, die dem Hirn lediglich dabei hilft, sich daran zu erinnern, dass ein Ereignis von uns selbst ausgelöst wurde.

Das Gefühl des freien Willens würde im Gehirn demnach lediglich den Eindruck verstärken: Das warst DU.

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