Luftfahrt:Mission possible

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Mit dem Hubschrauber sicher durch die Nacht: Neue Geräte entlasten die Piloten: Hellas warnt vor Hindernissen. Pilas schlägt Ausweichmanöver vor oder fliegt ganz autonom.

Peter Weidenhammer

Wie wär's: Sie starten morgens nicht im Auto in den Stau zur Geschäftsreise, sondern nehmen den Helikopter. Ein Pilot? Sind Sie selber. Hubschrauber fliegen, so einfach wie Autofahren. Der Traum ist in etwa so alt wie der Drehflügler selbst.

Im Rahmen eines Forschungsprogramms wird gegenwärtig das Pilotenassistenz-System PILAS entwickelt. Ziel ist die Entwicklung eines Hilfsystems für den Piloten, das ihm die Durchführung anspruchsvoller Einsatzmissionen unter allen Wetterbedingungen und zu jeder Tageszeit ermöglichen soll. (Foto: Foto: Eurocopter /innovate!)

In der technischen Aufbruchstimmung der 50er und 60er sah man die Zeit schon bald gekommen. Doch die Prophezeiungen waren ebenso euphorisch wie naiv: Helikopter fliegen wurde nicht einfacher, sondern immer komplexer.

Aber jetzt bekommt der alte Traum neue Nahrung. Die große Stärke des Hubschraubers ist auch seine Achillesferse: Er kann in sehr niedrigen Höhen fliegen; genau dort aber lauern auch die größten Gefahren in Form von Stromkabeln oder Spanndrähten, Geländeerhebungen oder sonstigen Hindernissen. Bis heute sind bei zivilen Helikoptern in aller Regel die Augen der Piloten die einzigen Sensoren, die diese Hindernisse erkennen, und seine Flugkünste das einzige Programm, das sie sicher umfliegen kann.

Je schlechter die Sichtbedingungen, desto mehr wachsen die Anforderungen an beides. Und das ist oft nicht die Ausnahme, sondern der Normalfall: Rund 70 Prozent aller angeforderten Einsätze, so sagt eine Statistik der Rettungsflieger, treten nachts und unter schlechten Wetterbedingungen auf. "Genau dafür haben wir HELLAS entwickelt", sagt Peter Kielhorn, Produktmanager für das Helicopter Laser Radar der neuesten Generation (HELLAS-Awareness) bei der EADS Defence Electronics.

Die Helikopter, die damit bereits ausgerüstet sind, bilden die Ausnahme von der Regel: Die Hubschrauberflotte der Bundespolizei und zwei Maschinen, in denen die thailändische Königsfamilie fliegt, haben ein paar Laseraugen mehr. "HELLAS-W ist ein Hindernis-Warngerät für Hubschrauber, das die Sicherheit im Flug erhöht, aber trotzdem die Arbeitsbelastung des Piloten reduziert", ergänzt Kielhorn.

Herzstück des Systems ist ein gepulster Laser mit einer Wellenlänge von 1,5 Mikrometer, der für das menschliche Auge ungefährlich ist. Aus einer Box vom Format eines größeren Schuhkartons, die in der Regel unter der Zelle montiert ist, sendet der Sensor seine unsichtbaren Lichtstrahlen in Flugrichtung aus.

Wie bei einem Fernsehbild tastet er in einem Sichtfenster von 32 mal 32 Grad Zeile für Zeile den Raum vor dem Helikopter ab. Hört sich wenig an, ist es aber nicht: Ein Mensch kann mit einem Auge zwar einen Blickwinkel von 150 Grad erfassen; doch das tatsächlich scharfe Sehen ist auf einen Winkel von nur rund 1,5 Grad begrenzt.

Treffen die Lichtwellen des Sensors auf Objekte, werden sie reflektiert und von einer Empfangseinheit in der HELLAS-Box aufgenommen und anschließend analysiert. Im Gegensatz zu Flächenflugzeugen bleibt die Zelle des Helikopters allerdings in Flugrichtung nicht überwiegend horizontal konstant.

Um den oft zu beobachtenden Anstellwinkel des Hubschraubers auszugleichen, kann die Radaroptik darüber hinaus noch mechanisch um jeweils 15 Grad nach oben oder unten geschwenkt werden.

Das Lichtwellen-Radar, kurz Ladar genannt, hat eine Reichweite von 1000 Metern und liefert über diese Entfernung detaillierte Angaben über Topografie und Hindernisse in der momentanen Flugrichtung des Helikopters. Weil das selbst bei Nacht und Nebel funktioniert, verfügt der Pilot allein dadurch schon über weitaus mehr Informationen, als es seine Augen liefern können.

Denn das Laserlicht hat aufgrund seiner Wellenlänge der optischen Wahrnehmung des Menschen gegenüber einige Vorteile: "Mit Hilfe von Filtern können wir die Sichtbeeinträchtigungen, die Sonne oder Schneefall normalerweise mit sich bringen, ausgleichen," erklärt Peter Kielhorn.

Durch die Nacht sehen können Wärmebildkameras oder Restlichtverstärker zwar auch; aber an die eigentliche Stärke von HELLAS kommen sie nicht im mindesten heran: In einer Entfernung von bereits 600 Metern ist das System in der Lage, selbst nur einen Zentimeter dicke Drähte mit 99,5-prozentiger Sicherheit innerhalb einer Sekunde zu erkennen. "Das macht HELLAS zu einem einzigartigen System weltweit", sagt Peter Kielhorn.

HELLAS-Box. (Foto: Foto: Eurocopter)

Die EADS-Experten haben eine Reihe von Möglichkeiten entwickelt, wie sich der Pilot die Gefahr melden lassen kann. Grundversion ist eine Anzeigeleiste mit drei Symbolen: Einem Rechteck, flankiert von zwei Pfeilen nach rechts und links. Je nachdem, auf welcher Seite der momentanen Flugrichtung ein Hindernis entdeckt wurde, das auf Kollisionskurs liegt, leuchtet das entsprechende Symbol auf.

"Selbst bei Geschwindigkeiten von 150, 180 Knoten gibt das dem Piloten genügend Zeit, das Hindernis zu finden und ein Ausweichmanöver zu fliegen," erklärt Kielhorn.

Die Richtung zur Gefahrenstelle allein sagt dem Menschen am Steuerknüppel jedoch noch lange nicht, wo genau das Hindernis zu finden ist, wie hoch es ist und wie man ihm am besten ausweicht. An einem Kran kann er beispielsweise leicht seitlich vorbeisteuern, eine Hochspannungsleitung dagegen muss er überfliegen. Und einen Berg sowieso.

Um dem Menschen am Steuerknüppel auf eine vergleichbar einfache, aber deutlich differenziertere Weise klar zu machen, wo und was die Gefahr ist, bietet EADS Defence Electronics zusätzliche Informationen auf einem Display an. Es zeigt die aufbereiteten Rohdaten der Umgebung als Schwarzweiß-Bild, in dem das Hindernis farbig skizziert ist. Der Pilot weiß damit sofort, wo die Gefahrenstelle lauert und kann ihre Position selbst bei nachlassender Sicht orten.

Eine alternative Hindernis-Warnung bietet darüber hinaus die Kombination mit einer Videokamera, auf Wunsch auch mit einer Infrarotkamera. Vor dem Hintergrund des Real-Bildes wird hier die so genannte Safety Line angezeigt, oberhalb der keine Gefahr droht.

Anhand des zusätzlich eingespiegelten künstlichen Horizonts und eines Vektorpunktes, der die aktuelle Flugrichtung markiert, kann der Pilot mit einem Blick feststellen, ob er auf sicherem Kurs ist oder nicht.

Deutliches Plus an Sicherheit

HELLAS bietet für alle Missionen, die in eine Hinderniskulisse führen, ein deutliches Plus an Sicherheit und auch Wirtschaftlichkeit. "Wenn ein Betreiber seinen Helikopter bis in die Nachtstunden ohne erhöhtes Risiko fliegen lassen kann, verdient er damit auch mehr Geld," argumentiert Alexander Kreupl, der bei EADS Defense Electronics für die HELLAS-Produktunterstützung zuständig ist. "Deswegen haben wir immer mehr Anfragen nach dem System von Betreibern wie von Hubschrauberherstellern."

Kein Wunder: Einige Flugunfälle hätten sich mit HELLAS "sicher verhindern lassen", so die Experten. Beispielsweise die Kollision eines Rettungshubschraubers mit einem Berg bei Weilheim, bei der alle vier Insassen ums Leben kamen.

Gerade für Rettungseinsätze, bei denen die Piloten bei nahezu jeder Mission unbekannte und damit risikobehaftete Landungen vornehmen müssen, bietet sich das System an. Und es wird permanent verbessert. "Die nächste HELLAS-Generation (HELLAS-A) wird derzeit schon entwickelt. Dieses System wird kleiner, leichter und dennoch deutlich leistungsfähiger sein," verspricht Peter Kielhorn.

Hubschrauber fliegen sicherer mit HELLAS; aber leichter wird es dadurch für die Piloten noch nicht. Das aber ist allerdings schon lange eine Forderung der Rettungsflieger: Um das Einsatzzeitfenster zu erweitern und langfristig bei jedem Wetter fliegen zu können, muss mit der virtuellen Information im Hubschrauber-Cockpit auch die Reglerunterstützung durch Automaten zunehmen.

Eine einseitige Erweiterung - entweder der virtuellen Information oder der Reglerunterstützung - führt zu einer unangemessenen Belastung des Piloten. Damit würde das Sicherheitsrisiko steigen.

Genau aus diesem Grund entstand das Forschungsprogramm PILAS. Das "Piloten Assistenz System" soll den Hubschrauber-Piloten nicht nur den Umgang mit ihrer Maschine erleichtern: "Ziel ist die Entwicklung und Erprobung eines künftigen Piloten Assistenz Systems für anspruchsvolle "Helicopter Emergency Medical Service"-Missionen unter allen Wetterbedingungen und zu allen Tageszeiten," heißt es bei Eurocopter.

Deshalb setzten sich die Forscher zu allererst mit den betroffenen Organisationen in Verbindung und stellten einen detaillierten Wunschkatalog seitens der Deutschen und der Schweizerischen Rettungsflugwacht DRF und REGA sowie des ADAC zusammen. Einige der Hauptforderungen: ein besseres Situationsbewusstsein des Piloten während aller Flugphasen sowie eine einfachere Handhabung des Helikopters.

Dafür soll ein Autopilotensystem entwickelt werden, das die Fähigkeit zum Abfliegen von vierdimensionalen Flugpfaden beinhaltet.

PILAS ist eingebettet in das nationale Luftforschungsprogramm III, in den einschlägigen Kreisen als LUFO III bezeichnet. Die Initiative startete vor drei Jahren. Bereits seit letztem Sommer wird in einem zweimotorigen Eurocopter EC 145 das erste Teilsystem in der Praxis getestet: Ein sogenannter Vierachsen-Autopilot.

"Damit sind die Steuerachsen eines Hubschraubers gemeint," sagt Dr. Wolfgang Kreitmair-Steck, Programm Manager Systems Technology bei Eurocopter Deutschland und erklärt, was die neue Technik kann: "Wenn das System die richtigen Vorgaben hat, kann es den Helikopter autonom über die gesamte Distanz fliegen."

Für Verkehrsflieger ist der Autopilot alltäglich, für Hubschrauber noch eher selten. Die allermeisten Helikopter verfügen nach wie vor über eine Steuerung auf mechanischer Basis. Eine ausgereifte und sichere, aber auch sehr aufwändige und schwere Technik.

Und vor allem Schwerstarbeit für den Piloten: Während ein Flächenflugzeug ohne steuernde Hand wie ein Papierflieger in die eingeschlagene Richtung weitergleitet, ist ein Drehflügler ein instabiles Fluggerät und wird nur durch die permanente Regelung des Piloten auf Kurs gehalten. Erst mit der Entwicklung des militärischen NH90 Helikopters entstand vor wenigen Jahren das erste Fly-by-wire Kontrollsystem.

Durch den weiterentwickelten Autopiloten wird es möglich, einen Hubschrauber vollautomatisch zu steuern. "Die Idee ist, einen vierdimensionalen Flugpfad zu definieren", erläutert Kreitmair-Steck, "also die genaue Position in den drei räumlichen Dimensionen plus den Zeitfaktor." Vor der Mission werden dazu alle notwendigen Parameter in den Computer eingegeben, nach dem Start überlässt der Pilot dann dem Autopiloten das Fliegen.

Das System ist dabei schon so weit fortgeschritten, dass es selbst den schwierigen Schwebeflug beherrschen wird - das Stillstehen in der Luft. Kern des Systems ist der Assistenzrechner, der alle Funktionen überwacht und steuert. Er vergleicht permanent Flugdaten wie Geschwindigkeit und Position mit den gespeicherten Daten.

Selbst wenn der Pilot den Autopiloten während des Fluges ausschaltet, bleibt der Assistenzrechner im Hintergrund aktiv und warnt ihn beispielsweise, wenn er sich auf einem gefährlichen Kollisionskurs mit einem bekannten Hindernis befindet. Dazu entstehen im Rahmen von PILAS exakte Datenbanken, die alle immobilen Erhebungen umfassen.

Berge und Häuser bleiben in aller Regel da, wo sie sind. Kräne oder Vogelschwärme aber nicht. "Der Pilot muss den Flug weiterhin überwachen, falls unvorhergesehene Ereignisse wie etwa ein Drachenflieger auftreten", sagt Wolfgang Kreitmair-Steck. Auch andere Helikopter oder Flugzeuge können einer Mission in die Quere kommen.

Um dies in geregelte Bahnen zu bringen, umfasst das PILAS-Programm unter anderem die Installation eines "Traffic Collision Avoidance Device". PILAS analysiert die Luftverkehrssituation und ist deshalb in der Lage, ein Ausweichmanöver vorzuschlagen. Dem Piloten wird das Manöver in Form eines Flugtunnels auf dem Bildschirm angeboten. Er muss es lediglich bestätigen, dann fliegt der Autopilot die Ausweichstrecke, oder der Pilot greift eben selbst zum Steuerknüppel.

Mitunter kann es allerdings auch vorkommen, dass die gesamte Flugroute geändert werden muss, etwa wenn das Wetter plötzlich umschlägt. Durch die Verbindung mit der meteorologischen Datenbank erfährt PILAS das unverzüglich und plant blitzschnell eine Alternativstrecke. "PILAS sammelt Informationen über den Hubschrauber und seine Umgebung mittels Sensoren, Datenbanken und Datenlink," fasst Wolfgang Kreitmair-Steck zusammen.

Um die für den Piloten aktuell wichtigsten Daten auf eine möglichst eindeutige und intuitiv erfassbare Weise darzustellen, entwickeln die PILAS-Forscher mehrere Informationssysteme. Das reicht von zwei hochauflösenden Multifunktions-Bildschirmen, die in dem Forschungshubschrauber eingebaut werden, bis hin zu Sprachausgaben.

Angepasste Mensch-Maschine-Schnittstelle

Das Ziel: PILAS soll in der Lage sein, "dem Piloten eine angepasste Mensch-Maschine-Schnittstelle anzubieten, die ihn in der gegenwärtigen Situation am besten unterstützt." Statt wie bisher über eine Vielzahl von Instrumenten, deren Werte der Pilot interpretieren muss, will man die aktuelle Situation grafisch darstellen: Sein zu fliegender Kurs wird zum Beispiel mit einem Tunnel markiert.

Doch der Mensch am Steuer soll nicht nur Daten empfangen, sondern auch jederzeit in das System eingreifen können. Dazu kommuniziert er über eine Tastatur mit der Bordelektronik. "Weil im Cockpit kein Platz für eine komfortabel ausgelegte Tastatur ist, denken wir daran, eine kleine Bedieneinheit mit zum Teil mehrfach belegten Tasten zu nutzen," sagt der EADS-Forscher.

"Es gibt Untersuchungen dazu, wie die Bedieneinheit optimal beschaffen sein müsste." Das Problem dabei: Der Pilot muss das Interface auch während des Fluges bedienen können - ohne zu sehr abgelenkt zu werden. Allerdings sollen solche Eingriffe auf kurze Eingaben wie beispielsweise die von Funkfrequenzen beschränkt bleiben.Wann immer möglich, soll PILAS dem Piloten eine Auswahl von Möglichkeiten vorschlagen, die dieser nur bestätigen muss.

Natürlich sind heute auch schon Flüge unter fast allen Wetterbedingungen möglich. Doch diese so genannten IFR-Flüge - die Buchstabenkombination steht für "Instrumental Flight Rules" - sind mit dem Hubschrauber nur unter praktisch den gleichen Bedingungen möglich wie für Flächenflugzeuge. Die meisten Rettungshelikopter sind entsprechend ausgerüstet, so dass sie Transportaufgaben auf vorher festgelegten Strecken auch ohne Sicht und nur anhand von Instrumentenangaben durchführen können.

Landen kann der Hubschrauber allerdings auch nur auf Flugplätzen mit IFR-Einrichtung, die der Maschine den Anflugkorridor weist. Und im Gegensatz zu Linienmaschinen ist eine Landung ohne Sicht zum Boden mit dem Hubschrauber nicht möglich.

"Unsere Idealvorstellung ist, mit PILAS die Aufgaben für den Piloten zu vereinfachen und ihm somit freie Kapazitäten für seinen Auftrag zu geben," sagt Wolfgang Kreitmair-Steck. De facto wird es aber eine Balance sein: Wenn die Möglichkeit besteht, auch schwierigere Missionen sicher durchzuführen, wird diese zweifellos auch genutzt werden.

Dabei kann sich der Pilot zwar auf modernere Technik verlassen, aber er muss die neue Situation auch überwachen - neue Belastungen kommen auf ihn zu. Die Forscher würden das Handling eines Hubschraubers gern so einfach machen wie Autofahren. Aber den Traum aus den 60ern vom Massenverkehrsmittel Hubschrauber träumen sie nicht: "Trotz aller neuen Technik wird das Fliegen immer nur speziell geschulten Personen vorbehalten bleiben."

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