Landwirtschaft:Eine einzige Sauerei

10.000 Sauen und 35.000 Ferkel: In Mecklenburg soll Deutschlands größte Schweinezucht entstehen. Das beunruhigt Naturschützer - und jene, die an die Qualität des Fleisches denken.

Jens Schneider

Das Tal der Tollense in Vorpommern ist ein stilles Natur-Idyll. Für viele ist es mit dem Ende der DDR hier im Kreis Demmin zu still geworden. Gut 90 Prozent der Arbeitsplätze in der Landwirtschaft sind weggefallen. Wer eine Zukunft wollte, musste sie meist woanders suchen. Nur langsam wächst der sanfte Tourismus als Alternative heran.

Landwirtschaft: "Verwurstung des ganzen Landes": Naturschützer protestieren in Demmin gegen die Schweinemast-Anlage.

"Verwurstung des ganzen Landes": Naturschützer protestieren in Demmin gegen die Schweinemast-Anlage.

(Foto: Foto: dpa)

Die Landschaft hat neue Liebhaber gefunden, manche sind aus dem Westen gekommen. In einst verlassenen Gutshäuser werden nun Touristen bewirtet. Doch jetzt sehen sie diese Perspektive durch ein gigantisches Projekt bedroht, in das manch Alteingesessener die letzte Hoffnung setzt. Wenige Kilometer vom Naturschutzgebiet entfernt soll in Alt Tellin Deutschlands größte Schweinezuchtanlage entstehen.

Es geht um Dimensionen, die den Rahmen des üblichen sprengen. Etwa 10.500 Sauen und mehr als 35.000 Ferkel will ein Groß-Investor aus den Niederlanden in einem alten DDR-Betrieb halten. Die Genehmigung steht noch aus.

Seit dieser Woche werden in Demmin Hunderte Einwände von Bürgern geprüft. Diese "industrielle Tierhaltung" sei Tierquälerei, sagt Corinna Cwielag vom Bund für Umwelt und Naturschutz. Die Tiere müssten auf Betonböden und Gitterrösten leben. "In Anlagen dieser Größenordnungen leiden sie unter enormem Stress." Ein natürliches Verhalten sei unmöglich. Obwohl Abluftsysteme und eine Biogasanlage für die Gülle geplant sind, rechnen Umweltschützer mit massiven Folgen für die Natur. Trotz der Gasanlage blieben riesige Mengen an Gülleresten.

Risiken für Verbraucher

Die Großanlage scheint dem Trend zu widersprechen. Hatte doch die Politik vor Jahren unter dem Eindruck von Schweinemast-Skandalen und BSE eine Wende verkündet. Tatsächlich sehen Experten wie Jutta Jaksche vom Bundesverband der Verbraucherzentralen solche Anlagen kritisch - wegen dem Umgang mit den Tieren, aber auch den Risiken für Verbraucher. Großbetriebe setzten erfahrungsgemäß beispielsweise mehr Antibiotika ein, sagt Jaksche: "Die Tendenz, massenhaft Tiere stereotyp zu behandeln, kann zu einer Gefahr für die öffentliche Gesundheit werden."

Auf dem Schweinemarkt hat es die große Umkehr jedoch nicht gegeben. Im Osten haben nach der Wende niederländische Investoren industrielle Großanlagen errichtet. Damit hätten sie gegenüber kleineren Betrieben einen massiven Kostenvorteil, sagt Detlef Breuer vom deutschen Schweinezüchterverband. "Das bereitet auch uns Sorgen."

Ein Durchschnittsbetrieb habe in Deutschland 170 Sauen, in den vergangenen Jahren hätten viele Kleinbetriebe wegen des Preisdrucks aufgeben müssen. "Mit wenigen Ferkeln hat einer auf dem Markt keine Chance." Das hat mit den Preisen in Supermärkten zu tun. Ein Kottelet aus tierfreundlicher Haltung ist eben nicht für drei Euro haben, sagt Jaksche. Für diesen Preis aber kaufen viele Kunden. Dabei sei die Zahl der Verbraucher gestiegen, die für Produkte aus naturnaher Landwirtschaft gern mehr zahlen. Meist jedoch könnten sie vor dem Kühlregal gar nicht erkennen, wie ein Stück Fleisch hergestellt sei.

In Alt Tellin reklamieren Gegner der Schweinemast-Anlage, dass der Tourismus längst mehr als die von den Investoren versprochenen 40 Arbeitsplätze bringe. Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) räumt ein, dass er lieber eine kleinere Anlage hätte. Aber wenn die Vorschriften eingehalten würden, stehe dem Bau nichts im Wege.

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