Kultur in Italien:Pompeji stirbt noch einmal

Pompeji in Not

Eine Straße in Pompeji mit Blick auf den Vesuv

(Foto: dpa)

Die italienische Regierung hat kein Geld für den Erhalt und die Pflege von Kultureinrichtungen. Besonders im Süden des Landes verfallen sie zunehmend . Und wo noch Mittel vorhanden sind, verhindern bürokratische Hürden ihren Einsatz..

Von Henning Klüver

Das war kein gutes Wochenende für die staatlichen Kultureinrichtungen. Lange Besucherschlangen bildeten sich vor allem am Freitag vor dem Kolosseum in Rom, das ebenso wegen Gewerkschaftsprotesten zeitweilig geschlossen wurde wie die Galleria Borghese.

In Mailand war die Pinacoteca Brera von kurzen Streiks betroffen, in Florenz die Galleria dell'Accademia und die Uffizien.

In mehreren Städten kam es zu wütenden Protesten von Touristen, besonders heftig sollen sie nach Medienberichten vor den geschlossenen Eingängen der Ausgrabungen von Pompeji gewesen sein.

Die Gewerkschaften fordern ausstehende Gehaltszahlungen für Überstunden und Sonderdienste. Von 12.000 Sollstellen für das Aufsichtspersonal sind nur 9000 besetzt. Ein Treffen der Gewerkschaften mit Kulturminister Massimo Bray ist für den 8. Juli vorgesehen, bis dahin muss mit Behinderungen gerechnet werden.

Doch das Kulturministerium, dessen Haushaltsmittel in den vergangenen fünf Jahren um ein Drittel reduziert wurde, hat kein Geld. Als Bray im März sein Amt angetreten hat, fand er Schulden von rund 40 Millionen Euro für unbezahlte Rechnungen der staatlichen Kultureinrichtungen des Landes vor, zu denen neben den Museen, Ausgrabungsstätten und architektonischen Anlagen auch die personell unterbesetzten Denkmalschutzämter gehören.

Es fehlt Geld für den Erhalt und die Pflege von Einrichtungen besonders im Süden des Landes, die zunehmend verfallen. Und wo Mittel vorhanden sind, verhindern bürokratische Hürden ihren Einsatz.

Eine Kommission der Unesco hat jetzt für die Ausgrabungen von Pompeji bis zum Jahresende Fortschritte bei Schutz- und Konservierungsmaßnahmen gefordert, andernfalls käme der Status als Weltkulturerbe in Gefahr. Überall im Land fehlt Fachpersonal.

Wie der Corriere della Sera berichtet, gibt es für über 700 staatliche Ausgrabungsstätten nur knapp 340 Archäologen, die auch über weitere rund 1300 Anlagen der Regionen, Provinzen und Kommunen wachen sollen. Ein ähnliches Missverhältnis gilt für Kunsthistoriker und Architekten.

Derweil geht zum ersten Mal seit Jahren die Nutzung des Kulturangebots in Italien zurück. Nach einer Untersuchung des Verbandes der Kulturunternehmen (Federculture) haben die italienischen Museen 2012 rund vier Millionen Besucher verloren (minus sieben Prozent gegenüber dem Vorjahr). Der Besuch von Konzerten und Veranstaltungen klassischer Musik ging sogar um 23 Prozent zurück. Der von Theateraufführungen, der in der Vergangenheit immer gestiegen war, büßt acht Prozent ein.

Kunsthistoriker wie der Mailänder Philippe Daverio fordern einen "Marshall-Plan für die Kultur". Ohne internationale, europäische Hilfe seien die italienischen Kulturgüter nicht zu retten. Daverios neapolitanischer Kollege Tomaso Montanari setzt dagegen auf eine Reform des Schulunterrichts und eine neue "Alphabetisierung der Italiener". Nur wer seine Kulturgüter und seine Landschaften kenne, setze sich auch dafür ein, sie zu erhalten.

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