Künstliche Befruchtung:Geschäft mit der Eizelle

Ein Schweizer Konzern sichert sich das Patent auf ein Verfahren der künstlichen Befruchtung. Daraus könnte sich ein Anspruch auf das Erbgut ableiten.

S. Liebrich und K. Blawat

Für viele Paare ist eine künstliche Befruchtung die letzte Hoffnung, um sich den Kinderwunsch zu erfüllen. Seit 1978 das erste Retorten-Baby geboren wurde, kamen mehr als drei Millionen Kinder auf diese Weise zur Welt. Für die betroffenen Paare ist das Verfahren meist nicht nur nervenaufreibend, sondern auch kostspielig.

Künstliche Befruchtung: Eine Eizelle wird per Injektion mit der Nadel künstlich befruchtet.

Eine Eizelle wird per Injektion mit der Nadel künstlich befruchtet.

(Foto: Foto: dpa)

Pharmakonzerne haben großes Interesse, sich mit Patenten einen Wettbewerbsvorsprung zu sichern. Die entscheidende Frage, die sich dabei stellt: Ist menschliches Leben überhaupt patentierbar?

Höchst umstritten ist deshalb ein neues Patent auf die Verwendung menschlicher Eizellen, das der Schweizer Konzern Merck Serono vom Europäischen Patentamt erhalten hat. Nach Ansicht der Organisation Testbiotech wird damit gegen EU-Recht verstoßen, das Patente auf den menschlichen Körper und seine Entstehung grundsätzlich verbietet.

Möglicher Präzedenzfall

Geschäftsführer Christoph Then sieht darin einen weiteren möglichen Präzedenzfall. Als solcher gilt auch das umstrittene Patent des Forschers Oliver Brüstle auf die Verwendung von embryonalen Stammzellen zu Forschungs- und Therapiezwecken. Der Bundesgerichtshof kündigte vergangene Woche an, dass er dieses Patent vom Europäischen Gerichtshof prüfen lassen will.

Bei dem Verfahren von Merck Serono geht es nicht um Stammzellen, sondern um Eizellen, die künstlich befruchtet werden sollen. Es erlaubt eine schonendere Behandlung der betroffenen Frauen. Das Patent bezieht sich unter anderem auf chemische Substanzen, die die Reifung der Eizellen im Reagenzglas fördern sollen. Der Vorteil für die Patientinnen: Sie müssten weniger Hormone nehmen, die gesundheitsschädliche Nebenwirkungen haben können. Der Patenthalter Merck Serono äußerte sich bislang nicht, ob und wie er das Patent überhaupt nutzen will, was in der Branche durchaus üblich ist.

Beim Europäischen Patentamt stieß der Vorwurf zumindest nicht gänzlich auf Unverständnis. Das Patent beziehe sich zwar ausschließlich auf das Verfahren der künstlichen Befruchtung, "kein einzelner Anspruch ist auf die Eizelle direkt gerichtet", sagte ein Amtssprecher. Doch er räumt ein, dass es juristischen Spielraum geben könnte. Die künstliche Befruchtung sei ein medizinisches Verfahren, aus dem sich theoretisch auch Ansprüche auf das Produkt, also die Eizelle, ergeben könnten. "Das ist Auslegungssache", ergänzte der Sprecher.

Was erlaubt ist und was nicht, regelt die 1998 vom Europäischen Parlament verabschiedete EU-Biopatentrichtlinie. Dieses Gesetz in nach Einschätzung von Then jedoch lückenhaft. Er prüft einen Einspruch gegen das Patent für Merck Serono. Der Sprecher des Patentamtes bemängelte vor diesem Hintergrund, dass es in der Europäischen Union kein einheitliches Patentrecht gibt. Insbesondere die Biopatentrichtlinie werde von einzelnen Staaten unterschiedlich gehandhabt. "Das führt zu einer rechtlichen Unsicherheit", sagte er.

Zum Rohstofflager degradiert

Kritiker monieren, dass Patente auf Eizellen und Embryonen den menschlichen Körper kommerzialisierten und zum Rohstofflager degradierten. Das Geschäftemachen mit dem menschlichen Erbgut widerspreche aber grundlegenden internationalen ethischen Normen, kritisiert unter anderem die Initiative "Kein Patent auf Leben".

Zwar bezieht sich das der Firma Merck erteilte Patent ausdrücklich auf die Verwendung der Eizellen für künstliche Befruchtung und nicht auf die Zellen selbst oder deren Gewinnung. Doch mit menschlichen Eizellen dürften überhaupt keine Geschäfte gemacht werden, forderte Then, zumal man die Eizellen ja irgendwie gewinnen müsse, um sie dann in dem patentierten Verfahren zu verwenden.

Eizellspenden aber sind für Frauen schmerzhaft und riskant, weshalb ihnen in einigen Ländern sogar Geld geboten wird, um die Spendenbereitschaft zu erhöhen. Der wegen Fälschungen angeklagte Klonforscher Hwang Woo-Suk hatte 2005 zugegeben, entgegen den ethischen Standards für seine Forschung auch Eizellen seiner Mitarbeiterinnen verwendet zu haben.

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