Studie über Krebsrisiko von Handys:"Wir erkennen keinen Zusammenhang"

Vorsichtige Entwarnung: Die weltweit größte Studie zum Mobilfunk stellt keine erhöhte Krebsgefahr durch den gewöhnlichen Gebrauch von Handys fest. Offen lässt sie allerdings, wie sich eine sehr starke Nutzung über Jahrzehnte auswirkt. Auch das Risiko für Kinder ist weiterhin unklar.

Christina Berndt

Telefonate mit dem Handy sind nicht immer angenehm. Mal stören die Hintergrundgeräusche, und manchmal wird sogar das Ohr heiß. Aber ist mobiles Telefonieren auch gesundheitsschädlich?

Darüber wird gestritten, seit es Handys gibt. Im Mai hatte eine Mitteilung der Internationalen Agentur für Krebsforschung IARC zu Protesten geführt: Diese stufte elektromagnetische Felder von Mobiltelefonen als "möglicherweise krebserregend" ein. Hintergrund waren einzelne Ergebnisse der insgesamt eher beruhigend ausgefallenen Interphone-Studie: Die 13-Länder-Studie hatte ein minimal erhöhtes Risiko für den seltenen Hirntumor Gliom bei extremen Vieltelefonierern ergeben.

Doch nun gibt die größte Untersuchung, die je zum Mobilfunkrisiko durchgeführt wurde, Entwarnung. "Wir konnten keinen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Krebs und dem Gebrauch von Handys erkennen", schreiben Forscher vom Institut für Krebsepidemiologie in Kopenhagen (British Medical Journal). Es ergab sich auch kein erhöhtes Risiko für spezielle Hirntumore und keine Gefahr für Handynutzer, die mehr als 13 Jahre lang mobil telefonierten.

Die Forscher haben eine beeindruckende Datenmenge bewältigt: Sie bezogen alle über 30-jährigen Dänen in ihre Studie ein. Ausgewertet wurden das Krebsregister und auch sämtliche Handyverträge, die es zwischen 1982 und 1995 in dem 5,5-Millionen-Volk gab. Dänemark ist ein Paradies für Epidemiologen, weil jeder Däne eine Personenkennziffer besitzt, die immer wieder erfasst wird - etwa wenn er einen Handyvertrag abschließt oder an Krebs erkrankt.

In Zukunft können Menschen also bedenkenlos am Mobiltelefon plauschen? "Rufen Sie mich doch bitte auf dem Festnetz an", ist das erste, was Patrizia Frei, die Erstautorin der dänischen Studie, im Gespräch mit der SZ sagt. Das aber habe rein praktische Gründe, weil die Verbindung oft schlecht sei.

Auch nach ihrer Studie will Frei der Mobiltelefonie jedoch keine Unbedenklichkeit bescheinigen. "Es sind noch viele Fragen offen", sagt sie. So sei unbekannt, wie sich Handys auf die Gesundheit von Kindern auswirken.

"Auch kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine sehr starke Nutzung über Jahrzehnte vielleicht doch ein erhöhtes Krebsrisiko mit sich bringt." Schon deshalb würde sie den Handygebrauch auf ein Minimum beschränken.

Frei räumt zudem berechtigte Kritik an ihrer Datenauswertung ein: Rund 200.000 Verträge für Firmenhandys musste ihr Team aussortieren, da die Nutzer nicht namentlich erfassbar waren. Unter diesen waren aber womöglich Vieltelefonierer, die dadurch der Gruppe der Nichtnutzer zugeschanzt wurden und deren Krebsrisiko statistisch erhöhten. Auch liefen alle Dänen, die erst nach 1996 ihr erstes Handy anschafften, als Nichtnutzer weiter.

Gleichwohl ist die dänische Studie vom Ansatz her das Beste, was sich Forscher wünschen können. Als Kohortenstudie erfasst sie ganze Jahrgänge. Das ist aussagekräftiger, als wenn ausgewählte Personen nachträglich von ihren Gewohnheiten erzählen, wie dies bei der Interphone-Studie der Fall war. Solche späten Interviews können Ergebnisse verzerren. Denn wer an Krebs erkrankt ist, ist eher geneigt, an einer Befragung teilzunehmen. Auch erinnert er sich an zu viele Handygespräche, wenn er annimmt, diese seien Ursache seines Leidens.

Nicht nur die neue dänische Studie ist derzeit Anlass für Entwarnung. Auch eine aktuelle Rückschau aller verfügbaren Daten ergibt, dass eine Gefahr durch Handys unwahrscheinlich sei (Bioelectromagnetics, online). Die allermeisten ernstzunehmenden Studien zeigten keine Krebsgefahr, schreiben zudem Anders Ahlbom und Maria Feychting vom Karolinska-Institut im British Medical Journal. Dies sei inzwischen schon aus der Krebsstatistik herauszulesen, wonach die Zahl der Hirntumoren seit 40 Jahren stagniert. Wenn Handys ein Killer wären, müsste dies angesichts ihrer weiten Verbreitung längst erkennbar sein.

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