Krebsforschung:Therapien am Horizont

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Das Risiko, an einem bösartigen Tumor zu sterben, ist in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gesunken. Neue "Designermedikamente" scheinen nun auch für schwerste Erkrankungen Heilungsansätze zu bieten.

Felicitas Witte

Diese Diagnose Krebs ist für viele Menschen gleichbedeutend mit einem Todesurteil. Doch das Risiko, an einem bösartigen Tumor zu sterben, ist in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gesunken: Viele Menschen mit Krebs können durch eine Operation, Medikamente oder eine Strahlenbehandlung geheilt werden.

Trotzdem gibt es Tumoren, die jeder Therapie widerstehen. Auf einer internationalen Konferenz in San Francisco diskutierten daher vor kurzem mehr als 3000 Krebsforscher aus aller Welt Ansatzpunkte für neue Krebsmedikamente.

Ihr Fazit: Es gibt einige vielversprechende Substanzen für die Zukunft. Allerdings sind die meisten Stoffe bislang nur in Tierversuchen getestet worden, nur wenige Mittel wurden bereits am Menschen erprobt. Welche Arzneien eines Tages zur Behandlung von Krebserkrankungen zugelassen werden, lässt sich deshalb nicht vorhersagen.

Seit einigen Jahren verfolgen Krebsforscher eine neue Strategie. Sie versuchen "Designermedikamente" zu entwickeln - Substanzen also, die sich gezielt gegen bestimmte Eigenschaften der jeweiligen Tumorzellen richten. Herkömmliche Krebsmedikamente töten dagegen oft auch die gesunden Zellen des Patienten ab, weil sie sich gegen weit verbreitete Eigenschaften richten.

Große Hoffnungen setzen Wissenschaftler auf Präparate, die den Insulin-ähnlichen Wachstumsfaktor (IGF) hemmen. Dieses Molekül spielt eine wichtige Rolle für das Wachstum von Tumoren. Seine Wirkung unterbinden sogenannte IGF-R-Antagonisten, indem sie die Andockstelle für IGF auf den Tumorzellen blockieren.

"Die Antagonisten haben ein großes Potential, wirksame Krebsmedikamente zu werden", meint Michael Micksche, Leiter des Instituts für Krebsforschung an der Universität Wien. Die in San Francisco vorgestellten Daten seien vielversprechend. So hinderte ein Antagonist namens OSI-906 Darmkrebszellen von Mäusen am Wachsen. Ein anderer Antagonist namens R1507 wurde am Krebszentrum der University of Colorado in einer ersten Studie an 34 Patienten mit verschiedenen bösartigen Tumoren getestet. Die Krebskranken vertrugen das Medikament gut, und bei manchen von ihnen bildeten sich die Tumoren sogar zurück. Der Hersteller hat nun eine zweite Studie gestartet.

Auch andere Pharmafirmen testen bereits IGF-R-Antagonisten in Studien mit Patienten. Die Ergebnisse stehen aber noch aus. "Wie wirksam und wie sicher die Antagonisten sind, wird sich erst nach vielen Studien zeigen", sagt Christof von Kalle vom Nationalen Zentrum für Tumorerkrankungen in Heidelberg. Diese Studien seien aber wichtig, damit keine Patienten zu Schaden kommen. Doch gute Studien brauchen Zeit: "Die IGF-R-Antagonisten werden vermutlich erst in vier bis sechs Jahren in Deutschland zugelassen werden", schätzt Krebsforscher Micksche.

Auch andere Designermedikamente, die Tumoren gezielt zu Leibe rücken sollen, wurden in San Francisco vorgestellt, zum Beispiel ein Antikörper von der kanadischen Biotech-Firma Arius. Er hindert Krebszellen daran, sich vor dem Immunsystem zu verstecken, indem er an das Protein CD59 bindet. Viele Tumoren produzieren ein Übermaß des Eiweißstoffs CD59. Tatsächlich stoppte der Antikörper bei Mäusen das Wachstum von Brust-, Lungen-, Dickdarm- und Prostatakrebs. Die Entwickler halten den Antikörper für besonders vielversprechend bei Frauen mit Brustkrebs, die kein Herceptin bekommen können. In Kürze soll der Antikörper an Menschen getestet werden.

Eine andere gezielte Therapie sind Hemmstoffe der Proteinkinase D (PKD), einer von einigen Tumoren im Übermaß produzierten Substanz, welche das Wachstum von Tumoren fördert. Wissenschaftler vom University College London berichteten von ·ihrem PKD-Blocker, der das Wachstum von Bauchspeicheldrüsenkrebs bei Mäusen bremste, einer besonders aggressiven Krebsform.

Manche Wissenschaftler setzen beim Kampf gegen Krebs auf die Hilfe von Viren. So präsentierten Krebsforscher vom Memorial Sloan-Kettering·Cancer Center ein gentechnisch hergestelltes Herpes-ähnliches Virus mit dem Namen NV1023, das gezielt Tumorzellen abtötet, die sich an Nervenzellen befinden. Die Nervenzellen schädigte das Virus dabei nicht. Besonders bösartige Tumore der Prostata, der Bauchspeicheldrüse und von Kopf und Hals breiten sich gern entlang von Nervenfasern aus und können zu bleibenden Lähmungen führen. Die Entwickler planen zurzeit eine Studie am Menschen.

Designer-Cocktail

Nur mit Designermedikamenten kann man einen bösartigen Tumor in den meisten Fällen aber nicht heilen. "Die zielgerichteten Therapien wirken allein relativ unzuverlässig", sagt Peter Huber, Leiter der Abteilung Strahlentherapie am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. "Und auch wenn man die höchste Dosis gibt, wirken sie längst nicht so stark wie eine Chemotherapie oder eine Strahlenbehandlung." Die Krebstherapie der Zukunft ist nach Hubers Ansicht eher eine Kombination aus Strahlentherapie, klassischer Chemotherapie und einem Cocktail aus Designermedikamenten. Welche Behandlungsstrategie letztendlich bei welcher Krebsart erfolgreich sein wird, muss sich noch zeigen.

"In der Krebstherapie wird vieles möglich werden, was uns heute noch undenkbar erscheint", sagt Christof von Kalle. Nach wie vor sei aber die beste und nebenwirkungsärmste Therapie eine adäquate Vorbeugung: "Rauchen Sie nicht, essen Sie gesund, bewegen Sie sich ausreichend und nehmen Sie Früherkennungsuntersuchungen wahr", rät der Krebsexperte.

© SZ vom 27.11.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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