Krankheitsüberträger:Der Erreger als Tramp

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Tiere transportieren auf ihren Wanderungen auch Parasiten, Viren oder Bakterien. Doch anders als lange gedacht, hemmen die alljährlichen Züge die Verbreitung mancher Krankheitserreger.

Katrin Blawat

Eine Schar schnatternder Wildgänse am Himmel, die sich im perfekten Formationsflug übt - bei diesem Anblick denken seit dem Ausbruch der Vogelgrippe viele Menschen auch an das Virus, das die Tiere womöglich in sich und quer über den Globus tragen.

Monarchfalter überwintern in Mexiko - nach einer der längsten Wanderungen, die man von Insekten kennt. Sie sind häufig mit einem Parasiten befallen, der ihre Flugfähigkeiten einschränkt. (Foto: S. Altizer)

Dass der Vogelzug zur weltweiten Ausbreitung des H5N1-Erregers beigetragen hat, ließen zunächst viele Studien vermuten. Neuere Arbeiten hätten diese Vermutung jedoch widerlegt, schreiben Ökologen um Sonia Altizer von der University of Georgia in einem Übersichtsartikel ( Science, S.296, Bd.331, 2011).

Nachdem die Forscher bei mehreren Tierarten den Zusammenhang zwischen Zugverhalten und Erreger-Ausbreitung untersucht haben, kommen sie sogar zu einem weitergehenden Schluss: In vielen Fällen trügen die alljährlichen Wanderungen im Gegenteil dazu bei, die Ausbreitung aggressiver Parasiten und Erreger zu hemmen. "Migration kann wichtig sein, um Populationen gesund zu halten", sagt Altizer.

Gut belegt ist dies am Beispiel des Monarchfalters. Je nach Lebensraum ziehen die Schmetterlinge zum Überwintern Tausende Kilometer südwärts, etwa von Kanada nach Mexiko. Andere Populationen der selben Art geben sich mit kürzeren Wanderungen zufrieden - oder leben das ganze Jahr lang in warmen Gebieten wie Florida, auf Hawaii und in Südamerika.

Wie Altizer feststellte, sind die Langstreckenflieger unter den Faltern am seltensten von Parasiten befallen. Am höchsten war die Zahl der infizierten Tiere in jenen Populationen, die das ganze Jahr über am selben Fleck leben.

Ein ähnlicher Zusammenhang lässt sich auch beim Pfeifschwan und einer Mottenart beobachten. Wahrscheinlich seien stark infizierte Tiere zu geschwächt für eine lange, kraftzehrende Wanderung und würden schon nach einer kurzen Strecke sterben, vermuten die Forscher. Bewältigen infizierte Tiere dennoch weite Distanzen, tragen sie wahrscheinlich einen wenig aggressiven Erreger in sich, dessen Ausbreitung auch nur geringen Schaden anrichtet.

Andere Tierarten wie das Ren laufen den Krankheitserregern buchstäblich davon. Zur Entwicklung vieler Würmer, blutsaugender Insekten und Bakterien gehört nämlich ein Stadium außerhalb des Wirtes.

Während sich die Erreger im Boden oder Kot entwickeln, ziehen die Rentiere schon weiter. Bis ein halbes Jahr später die nächste Gruppe zu dem Futterplatz kommt, sind die meisten Erreger schon gestorben, weil sie es ohne Wirt nicht lange aushalten.

Oft sei der Zusammenhang zwischen Tierwanderungen und der Verbreitung von Erregern zwar intuitiv nachvollziehbar, aber nicht direkt belegt, sagt Altizer. Dass die Wanderungen in manchen Fällen dennoch die Ausbreitung von Erregern begünstigen können, bestreitet sie jedoch nicht. "Es hängt von der Art der Parasiten, Viren oder Bakterien ab", sagt die Ökologin.

© SZ vom 22.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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