Kosmische Strahlung:Das Vermächtnis der toten Sterne

Supernova für kosmische Strahlung verantwortlich

Die Explosionswolke einer Supernova, die vor 300 Jahren am irdischen Himmel aufgeflammt ist - heute als Cassiopeia A bekannt (Archivfoto von 2008). Sternen-Explosionen spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung von kosmischer Strahlung.

(Foto: dpa)

Seit Jahrzehnten rätseln Astrophysiker über die Herkunft der energiereichen kosmischen Strahlung. Nun scheinen sie die Lösung gefunden zu haben.

Von Christopher Schrader

Manchmal sind die einfachsten Dinge am schwierigsten zu beweisen. Für Physiker zählen zu den "einfachsten Dingen" allerdings auch Annahmen, die selbst gebildeten Laien nicht unbedingt als naheliegend auffallen würden. Zum Beispiel wo die kosmische Strahlung eigentlich herkommt. Tatsächlich stammt sie vor allem aus Resten jener Sterne, die in einer Supernova, einer kosmischen Explosion, ihr spektakuläres Ende gefunden haben.

Kosmische Strahlen haben die Astrophysiker seit Jahrzehnten beschäftigt; lange bevor Teilchenbeschleuniger wie der LHC am Cern in Genf gebaut wurden, waren sie die energiereichsten Teilchen, die Wissenschaftler kannten. Noch heute kann keine Maschine auch nur annähernd so schnelle Partikel erzeugen, wie sie aus dem Weltall auf die Atmosphäre prallen.

Dort werden die Ankömmlinge gebremst und wandeln sich in andere Teilchen um. Und dann beschäftigen sie nicht nur Physiker: "Jede Minute durchqueren ungefähr 200 davon den Kopf jedes Menschen", sagt Patrick Slane vom Harvard-Smithsonian-Zentrum für Astrophysik in Cambridge, Massachusetts. Diese Zahl ist vermutlich seit Beginn der menschlichen Evolution einigermaßen konstant.

Woher dieser kosmische Beschuss aber wirklich kommt, war bisher nicht nachzuweisen. "Da die meisten der Teilchen elektrisch geladen sind, wird ihre Bahn von allen Magnetfeldern auf der Reise abgelenkt", sagt Stefan Funk von der Stanford University. Auf geradem Weg von einer Supernova zur Erde kommen neben den Lichtteilchen noch deren energiereichere Cousins, die Gammastrahlen. Ein internationales Forscherteam, zu dem Funk gehört, hat nun das Energiespektrum dieser Strahlen mit dem Fermi-Weltraumteleskop sehr genau vermessen. Die Daten von zwei Supernovae in der Milchstraße aus vier Jahren sind in die Analyse eingeflossen, wie Funk am Donnerstag auf der Jahrestagung der amerikanischen Wissenschaftsorganisation AAAS in Boston erklärte.

In dem Spektrum zeigt sich bei den niedrigsten Energien, wo das Messen wegen der Störsignale am schwierigsten ist, eine charakteristische Delle. Die Forscher hatten sie dort erwartet; sie entsteht, weil in den Resten der Supernovae vor allem Protonen beschleunigt werden. Wenn diese durch das All rasen, kommt es vor, dass sie mit normalen Protonen (Wasserstoff-Atomkernen) kollidieren. Dabei entsteht ein Elementarteilchen namens Pion, das seinerseits schnell in zwei Gammastrahlen zerfällt. Gammastrahlen mit geringer Energie wären somit eher selten. Weil diese nun tatsächlich im Spektrum fehlen, sehen die Forscher um Funk den Beleg erbracht, dass kosmische Strahlen aus den Überresten von Sternenexplosionen stammen (Science, Bd. 339, S. 807, 2013).

Patrick Slate betont jedoch, dass nicht die Explosion selbst die Ursache ist. Sie schleudert zwar die Reste des Sterns mit gewaltiger Wucht ins All. Doch erst die dabei entstehende Schockfront, die sich über Tausende von Jahren ausdehnt, beschleunigt immer neue Protonen. Sie werden von der Front erfasst, manche von ihnen bleiben in ihr gefangen, durchlaufen immer wieder die Turbulenzen und werden schließlich mit enormer Energie ins All gespien, wie eine von Slane in Boston vorgeführte Animation zeigte. Auch Physiker staunen über diese Prozesse: "Die Supernovae verbrauchen dafür nur zehn Prozent der Energie, die in der Schockfront steckt", sagt Funk.

Weiterhin rätselhaft bleiben zudem jene raren Ereignisse, bei denen kosmische Partikel von außerhalb der Milchstraße auf die Erde prallen. "Solche Teilchen haben so viel Energie wie der schnellste Baseball, den ein Pitcher werfen kann", sagt Slane.

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