Konferenz in Posen:Klimaschutz unter Zeitdruck

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Auf Bali hatten die 192 Staaten des UN-Klimaabkommens den Zeitplan für das weitere Vorgehen im Kampf gegen den Klimawandel festgelegt. Seit heute verhandeln sie wieder.

Michael Bauchmüller

Berlin - Wenn man das Bild von der Bali-Roadmap ernst nimmt, das Bild von einer Art Straßenkarte hin zum globalen Klimaschutz, dann rollen diese Woche die Planierraupen an.

Was tun gegen den Klimawandel? Es gibt einen ganzen Dschungel der Positionen. (Foto: Foto: ddp)

Auf der indonesischen Insel Bali hatten die 192 Staaten des UN-Klimaabkommens im vorigen Winter den groben Zeitplan für ein neues Abkommen vorgegeben, zumindest für die Verhandlungen - die sogenannte Roadmap.

Von diesem Montag an sind die Diplomaten wieder zusammen. Zwei Wochen lang werden sie in der polnischen Stadt Posen verhandeln, und sie werden eine Richtung festlegen. "In Konturen muss bei der Konferenz erscheinen, wie ein global deal aussieht", sagt Hans Joachim Schellnhuber, Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und Klimaberater der Kanzlerin. "Posen soll das Rückgrat skizzieren."

Seit der Bali-Konferenz, die als Durchbruch galt, haben die Staaten sich mit Vorschlägen und Vorbehalten bombardiert. Zweimal waren die Beamten bisher zu kleineren Treffen zusammengekommen.

Entstanden ist ein Dschungel der Positionen, den keiner durchschaut. "Das ist ein ziemliches Sammelsurium an Ideen", sagt Kathrin Gutmann, Klimaexpertin der Umweltlobby WWF. "Aber echte Verhandlungen gibt es noch nicht." Dabei soll schon nächstes Jahr ein fertiges Abkommen auf dem Tisch liegen.

Geht alles nach Plan, sollen die Staaten ihm bei der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen Anfang Dezember 2009 zustimmen. Dann blieben den Staaten noch gut drei Jahre, die Vereinbarung zu ratifizieren. 2013 träte sie in Kraft, als Folgevertrag für das Kyoto-Protokoll.

Doch der Weg dahin ist kompliziert. Derzeit verhandeln die Staaten in zwei verschiedenen Foren: Eines umfasst alle 192 Staaten der "Klimarahmenkonvention", die 1992 beim Erdgipfel in Rio de Janeiro verabschiedet wurde.

Ein anderes umfasst die kleinere Gruppe der 183 Kyoto-Staaten. Sie haben das Kyoto-Abkommen von 1997 unterzeichnet und ratifiziert, die Industriestaaten unter ihnen haben sich feste Minderungsziele auferlegt. Die USA verhandeln nur in der ersten Gruppe, Deutschland in beiden - als Mitglied beider Übereinkünfte.

Die Kunst liegt nun darin, beide Verhandlungsstränge zusammenzuführen. Denn im nächsten Jahr sollen sich die Staaten wieder ein gemeinsames Abkommen geben, inklusive der USA. Dieses soll dann nicht nur regeln, zu wie viel Klimaschutz sich Industrie- und Schwellenländer verpflichten.

Es soll auch Mechanismen enthalten, mit denen die reichen Länder den ärmeren helfen, die Folgen des Klimawandels zu meistern. Diese Folgen treffen absehbar die ärmsten Länder zuerst und am härtesten.

Geht alles gut, verlassen Diplomaten die Konferenz mit einem detaillierten Verhandlungskalender und einer groben Marschrichtung. Konkrete Vorschläge sollen dann schon vom Februar an verhandelt werden, vielleicht schon im Juni soll es einen ersten Entwurf für das Abkommen geben. In Posen müssen die Staaten dafür aber erst den Weg dafür bereiten.

Die Chancen sind in den vergangenen Wochen gewachsen. Insbesondere eine Videobotschaft, in der sich der designierte US-Präsident Barack Obama kürzlich klar zum Klimaschutz bekannte, gibt Verhandlern und Umweltschützern Mut. "Das erleichtert die Verhandlungen", heißt es in Kreisen der deutschen Delegation. "Und die Drähte zu den Obama-Leuten sind offen." Zwar verhandelt noch das Team der alten US-Regierung, Gesandte der künftigen Administration werden aber in Posen sein. Die USA gelten als Schlüsselland im Klimaschutz.

Alles hängt an Brüssel

Probleme allerdings könnte die EU bereiten, die sich bisher als treibende Kraft im Kampf gegen die Erderwärmung begreift. Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten wollen kommende Woche ihr Klimapaket verabschieden. Es soll regeln, wie die EU-Staaten es schaffen wollen, bis 2020 ein Fünftel weniger Treibhausgase als 1990 auszustoßen.

Doch über den Weg dahin tobt seit Wochen erbitterter Streit. Ausgerechnet Polen, Gastgeber der Klimakonferenz, pocht auf Ausnahmen. Auch Deutschland will einige Regeln abschwächen. Scheitern die Staatschefs in Brüssel, würde das auch zur Belastung der Verhandlungen in Posen, die fast zeitgleich mit dem EU-Rat enden. "Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die EU-Staaten zu einer Einigung kommen", sagt ein deutscher Klimadiplomat, "und dass sie zu einer guten Einigung kommen."

Rein wissenschaftlich ist längst Gefahr im Verzug. Schon im vergangenen Jahr hatte der Weltklimarat IPCC besorgniserregende Befunde vorgelegt, die Datenbasis stammte im Wesentlichen aus dem Jahr 2005. Doch seitdem ist die Forschung nicht stehen geblieben, neuere Erkenntnisse übertreffen die düsteren Szenarien zum Teil deutlich. So liegt der tatsächlich beobachtete Anstieg des Meeresspiegels noch über den Annahmen des IPCC.

Auch korrigieren die Forscher derzeit die Prognosen für das Tempo der Erderwärmung - nach oben. Der Grund: Bisher hatten sie unterschätzt, wie stark industrielle Abgase den Temperaturanstieg dämpfen, als eine Art künstlicher Sonnenschirm. Werden die Anlagen modernisiert, fällt der Schutzschirm weg, die Erwärmung schreitet voran. Auch Wissenschaftler Schellnhuber bekommt es mit der Angst zu tun.

"Es gibt Entwicklungen, die einen Wissenschaftler schon beunruhigen", sagt er. "Und die Natur wird keine Pause einlegen, nur weil die Politik nicht vorankommt."

© SZ vom 01.12.2008/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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