Kommunikationspsychologie:Phrasen aus Plastik

Im TV-Duell der Spitzenkandidaten sind starke Worte gefragt. Wer wirkt überzeugender - Merkel oder Steinmeier? Wissenschaftler erklären die rhetorische Trickkiste.

N. Westerhoff

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Frank-Walter Steinmeier

Quelle: SZ

Im TV-Duell der Spitzenkandidaten sind starke Worte gefragt. Wer wirkt überzeugender - Merkel oder Steinmeier? Wissenschaftler erklären die rhetorische Trickkiste.

Wer inszeniert sich besser?

Nur wer die Kunst der Selbstinszenierung beherrrscht, wird auf der politischen Bühne Erfolg haben. Psychologen haben deshalb Dutzende von Selbstdarstellungskategorien ermittelt, um das Auftreten von Wahlkämpfern zu analysieren. So formuliert der US-Psychologe Thane Pittman vier grundlegende Strategien: Einschmeicheln, Drohen, Kompetenz demonstrieren und als Vorbild erscheinen wollen.

Die Sozialpsychologin Astrid Schütz von der TU Chemnitz unterscheidet defensive von offensiven Strategien. Das Leugnen von Verantwortung sei beispielsweise defensiv. Als offensiv gelten Verhaltensweisen, mit denen Politiker ihre Expertise oder ihr soziales Prestige herausstellen, etwa indem sie sich im Glanze von Prominenten sonnen: Sagt Steinmeier von sich, dass er in der Tradition von Willy Brandt steht, dann wertet er sich über einen anderen auf.

Merkel hingegen thematisiert ihre Biografie kaum. Sie setzt darauf, sich vom politischen Gegner abzugrenzen und Bürgernähe zu demonstrieren. Das belegt etwa eine Studie der Psychologin Annina Kolbe aus dem Jahr 2006, in der sie über Jahre die Auftritte Merkels in der Sendung "Sabine Christiansen" analysierte.

Text: Nikolas Westerhoff Foto: ddp

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Kommunikationspsychologie:Wer argumentiert emotionaler?

Angela Merkel, Frank-Walter Steinmeier

Quelle: SZ

Obwohl Merkel und Steinmeier in dem Ruf stehen, nüchtern zu argumentieren, werden auch sie im TV-Duell auf Emotionen setzen. Politische Argumente sind meist emotional eingefärbt, sagt der US-Philosoph Douglas Walton. Da ist beispielsweise das Argumentum ad Baculum, so Walton. Wer sich einer solchen Technik bedient, setzt das Argument als Schlagstock (baculum) ein: Er will Angst auslösen und skizziert deshalb ein Negativ-Szenario: "Wenn die Partei XY an die Macht kommt, dann werden die Sozialleistungen rasiert und das bedeutet: Mehr Armut in Deutschland."

Beliebt ist auch das sogenannte Argumentum ad hominem. Setz Dich nicht mit der Sache auseinander, sondern diskreditiere die Person! So ist es üblich, dass sich Politiker gegenseitig versteckte Motive unterstellen. Etwa: "Sie sind doch nur das Sprachrohr der Gewerkschaften". So wollen sie zwei Gefühle wecken: Zorn über die Verlogenheit des Menschen und Angst vor der Zukunft.

Eine dritte Emotion darf laut Walton jedoch nicht fehlen: das Mitleid. Mit dem Argumentum ad misericordiam demonstriert der Politiker soziale Wärme, etwa in dem er Mitleid bekundet mit einer Alleinerziehende, die gerne arbeiten würde, aber keinen Kitaplatz für ihren Nachwuchs findet.

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Kommunikationspsychologie:Wer verwendet mehr Plastikwörter?

Buchstabensuppe

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Faktor, Prozess, Information, Struktur, Funktion, Ressource - die Sprache von Politikern strotzt vor Begriffen, die ebenso abstrakt wie bedeutungsleer sind. Der Freiburger Sprachwissenschaftler Uwe Pörksen nennt sie Plastikwörter und spricht von der "Kunst, mit Hilfe vorgefertigter, prestigebesetzter Ausdrucksweisen sprachliche Attrappen aufzubauen, die ungezählte Anhänger hat."

Sie sind Teil eines internationalen Politikerslangs, mit dem es gelingen soll, dem Alltäglichen und Lebensnahen einen wissenschaftlichen Anstrich zu verleihen. Die Zahl der verwendeten Plastikwörter ist ein Indikator für die technokratische Weltsicht eines Politikers.

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Kommunikationspsychologie:Wer trickst mehr?

Wahlkampfplakat

Quelle: SZ

In dem Buch "Richtig argumentieren" hat der Kommunikationstrainer Jürgen August Alt zahlreiche rhetorische Tricks gesammelt. Morgen wird sich zeigen, welcher Kandidat tiefer in die Trickkiste greift.

Trick Nummer 1 ist die Entweder-Oder-Taktik. Hier baut der Politiker einen künstlichen Gegensatz auf, etwa: Entweder wir stärken den Mittelstand oder Deutschland geht pleite. Es wird so getan als gäbe es nur zwei Möglichkeiten: Gut oder Böse, Aufschwung oder Abschwung. Trick 2: Die Aussagen des politischen Gegners werden entstellt.

Trick 3: Detailaspekte werden herausgepickt. Bei Trick 4 wird der Gegner mit dem Abfragen von Definitionen genervt: ,,Was verstehen Sie eigentlich, Frau Merkel, unter sozial?'' ,,Gerechtigkeit, Herr Steinmeier, ist ein großer Begriff. Wie grenzen Sie ihn von Freiheit ab?'' Trick 5: Die Gegenfrage. Trick 6: Die ,"Ja, aber"-Taktik. Man gibt seinem Opponenten zunächst recht - um ihn dann zu widerlegen. So wird der Eindruck erweckt, man sei kooperativ.

Foto: Reuters

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Kommunikationspsychologie:Wer verletzt die Regeln der Fairness?

Frank-Walter Steinmeier, Angela Merkel

Quelle: SZ

Ein Team um den Sprachpsychologen Norbert Groeben von der Universität Köln hat elf Gebote des fairen Argumentierens aufgestellt. Gebot 1 lautet zum Beispiel: Unterlasse es, absichtlich falsche Schlüsse aus den Äußerungen deines Gegners zu ziehen. Gebot 4: Unterlasse es, Verantwortlichkeiten abzustreiten. Gebot 7: Unterlasse es, unerfüllbare Forderungen aufzustellen. Gebot 8: Unterlasse es, die Redlichkeit deines Gegenübers anzuzweifeln. Gebot 9: Unterlasse es, deinen Gegner, wie einen Feind zu behandeln. Gebot 10: Unterlasse es, dem anderen das Wort abzuschneiden. Gebot 11: Unterlasse es, einen Konfliktpunkt für irrelevant zu erklären.

Foto: ddp

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Kommunikationspsychologie:Wer agiert ausgewogener?

Angela Merkel, Frank-Walter Steinmeier

Quelle: SZ

Politiker in einem Duell stehen vor der Entscheidung: Argumentiere ich ein- oder zweiseitig? Beim einseitigen Argumentieren stellt ein Politiker nur seine eigenen Pro-Argumente vor. Beim zweiseitigen Diskutieren erwähnt er auch die Einwände von Gegnern. In der Medienwirkungsforschung gilt seit langem als gesichert, dass eine ausgewogene Argumentation eher überzeugt. Indem man die Argumente des Gegners vorwegnimmt, sei es möglich, die eigene Position gegenüber Einwänden von außen zu immunisieren. Wird eine politische Position einseitig vorgetragen, so löst das bei vielen Zuhörern Widerstand aus.

Foto: ap

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