Kommentar:Energie und Logik

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In Brunsbüttel entsteht eine neue Windkraftanlage, und prompt flammt die Diskussion um Windenergie wieder auf.

Von Bernward Gesang

So berichtete die Ärzte Zeitung kürzlich über die Untersuchung von Gesundheitsschäden, die der Infraschall der Windräder auslösen könnte.

Demnach sei objektiv keine Schädigung messbar. Hartmut Ising vom Berliner Zentrum für Public Health spricht von einem "Placebo-Effekt": Nicht der Schall sei schädlich, sondern die Vorstellung von seiner Schädlichkeit.

Belästigungen entstünden allenfalls durch die Schattenwürfe der Rotoren. Nun ist zu erwarten, dass Gegner und Befürworter der Windkraft, wie bereits in der Vergangenheit geschehen, jeweils Teile dieser Untersuchungen für ihre Zwecke nutzen werden.

Dabei kommt es leider immer wieder zu einer bemerkenswerten Asymmetrie in der Argumentation derer, die die Windkraft ablehnen. Die Messlatte, mit der Gefahren und Nachteile der Windkraft beziffert werden, ist eine andere, als sie bei anderen Energieformen angelegt wird. Wer logisch argumentieren will, müsste jedoch zwei gleiche Sachverhalte auf gleiche Weise beurteilen.

Missachtung der Selbstverständlichkeit

Die Missachtung dieser Selbstverständlichkeit beginnt mit den zahlreichen technischen Einwänden gegen die modernen Windanlagen. Diese werden immer wieder als ineffizient und zu teuer kritisiert.

Diesem Argument haftet jedoch ein sonderbarer Beigeschmack an, in einer Gesellschaft, die sich in anderen Bereichen innovationsfreudig gibt. Mit Milliardenbeträgen wird weiterhin die seit 50 Jahren nicht erfolgreiche Energiegewinnung aus Kernfusion erforscht.

Aber die vergleichsweise geringen technischen Probleme der Windenergie werden als unlösbar dargestellt, obwohl sich die Effizienz der Anlagen in den letzten Jahren rasant gesteigert hat. Wer ausgerechnet bei der Windenergie grundsätzliche technische Hürden postuliert, macht sich verdächtig, mit zweierlei Maß zu messen.

Das setzt sich bei der Analyse der Unfallgefahren fort. Ja, es könnte tatsächlich vorkommen, dass Eisstücke von Rotorblättern abbrechen und einen Menschen treffen.

Im Extremfall könnten gar Rotorblätter brechen und auf den Boden geschleudert werden. Aber auch hier muss mit einem einzigen Maß verglichen werden. Die Gefährlichkeit einer Anlage wird als das Produkt aus Unfallhäufigkeit und Folgenschwere des möglichen Unfalls berechnet.

Nach diesem Maßstab ist die Windenergie, bezogen auf die Leistung, eine der ungefährlichsten Formen der Energiegewinnung überhaupt. Statt dieser Tatsache werden allzu oft die drohenden Unfälle mit Windrädern betont.

Auch der Hauptkritikpunkt der Windkraftgegner, der auf die Zerstörung der Landschaft abzielt, bedient sich oft zweier Maße. Gegen rund 200.000 die Landschaft mitunter empfindlich störende Strommasten gibt es wenig Protest; aber 15.000 Windräder werden als unerträglich eingestuft.

Wenn die Gründe für die unterschiedliche Bewertung hinterfragt werden, kommt oft zu Tage, dass Windräder für unwichtiger als Strommasten gehalten werden. Die Bedeutung regenerativer Energie für den Klimaschutz und die langfristige Energieversorgung wird offenbar nicht erkannt.

Ästhetische Argumente überzeugen am ehesten, wenn Anwohner großer Windparks sich belästigt fühlen. Hier muss, wo immer möglich, Abhilfe geschaffen werden, etwa indem Mindestabstände zwischen Windrädern und Wohnhäusern festlegt werden, wie es vielfach auch schon geschehen ist.

Deutschland als Testfall

Dennoch gilt generell: Der moderne Lebensstandard ist nicht zum Nulltarif zu haben. Keine Energiegewinnung bleibt ohne Nebenwirkungen. Und diese sind - sogar was die Ästhetik betrifft - bei der Windenergie vergleichsweise harmlos.

Wer würde, vor die Wahl gestellt, lieber in der Nähe eines Braunkohle-Tagebaus oder eines Atomkraftwerks leben als an einem Windpark? Das Argument der Ästhetik verliert vollends seine Bedeutung, wenn es um Windparks auf dem Meer geht, die von der Küste aus kaum sichtbar sind.

Deutschland dient vielen Staaten als Testfall für die Möglichkeit einer Energiewende. Ein Scheitern hätte globale Konsequenzen. Umso mehr sollten die Argumente in der deutschen Auseinandersetzung den Regeln der Logik genügen.

© SZ vom 22.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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