Komet "Ison":Weihnachtsstern im Anflug

Komet Ison

Komet Ison

(Foto: dpa)

Seit dem Wochenende lässt sich in klaren Nächten der Komet "Ison" mit bloßem Auge bestaunen. Wenn er jetzt auch noch sein Rendezvous mit der Sonne übersteht, könnte er zu einem großen Spektakel am Nachthimmel werden.

Von Alexander Stirn

Der jüngste Star am Himmel ist ein Komet. Er trägt den Namen Ison und lässt sich seit dem Wochenende in klaren Nächten mit bloßem Auge bestaunen. Ob der Schweifstern auf seinem weiteren Weg um die Sonne noch heller wird und womöglich als neuer Weihnachtskomet in die Geschichte eingehen kann, darüber rätseln Astronomen allerdings noch. Ison gilt als äußerst zerbrechlich, möglicherweise hat sein Zerfall sogar schon begonnen.

Ison ist ein Neuling. Es ist höchstwahrscheinlich das erste Mal, dass er ins Herz des Sonnensystems vordringt. Zuvor, etwa 4,5 Milliarden Jahre lang, hat er sich in dessen eisigen Außenbezirken aufgehalten - einem Kometenreservoir, das Astronomen Oort'sche Wolke nennen. Dann ist Ison doch der Anziehungskraft der Sonne erlegen.

Jetzt kommt der Debütant, der im September 2012 von einem Teleskop des International Scientific Optical Networks (Ison) entdeckt worden ist, dem heißen Stern Tag für Tag näher. Das macht ihn wissenschaftlich so interessant. Das macht ihn allerdings auch so unberechenbar.

"Komet Ison ist wirklich einzigartig", sagt Matthew Knight, Astronom der Comet Ison Observing Campaign (CIOC), dem Beobachtungsteam der Nasa. Nach Knights Berechnungen hat sich seit Beginn genauer Aufzeichnungen, also seit mindestens 200 Jahren, kein Komet direkt aus der Oort'schen Wolke so nahe an die Sonne herangewagt. Lediglich 1,1 Millionen Kilometer werden zwischen dem Kometen und der Sonnenoberfläche liegen, wenn Ison ihr am 28. November am nächsten sein wird; das ist weniger als der dreifache Abstand zwischen Erde und Mond.

Falls es überhaupt dazu kommt: Kometen sind eisige Schneebälle, die in Sonnennähe langsam auftauen. Mit zunehmenden Temperaturen gehen dabei flüchtige Substanzen, nach und nach aber auch Wassereis, vom gefrorenen in den gasförmigen Zustand über. Da Ison - im Gegensatz zu wiederkehrenden Kometen - diesen Prozess noch nie durchgemacht hat, könnte er besonders fragil reagieren. "Wie eine Glühlampe, die etwas zu hell leuchtet, setzt Ison sein Eis, seinen Staub und sein Gas womöglich in einem Umfang frei, den er nicht beibehalten kann", schreiben die CIOC-Forscher auf ihrer Webseite. "Der Komet könnte dadurch strukturell instabil werden oder einfach verdampfen."

Plötzlich deutlich heller geworden

In jüngster Zeit hat sich auf jeden Fall etwas getan. Am Ende der vergangenen Woche ist Ison plötzlich deutlich heller geworden - etwa um das Zehnfache. Bei idealen Bedingungen ist der grünlich schimmernde Komet nun kurz vor Sonnenaufgang im Osten zu sehen. Er befindet sich dabei etwa einen Vollmonddurchmesser südöstlich des Sterns Spica im Sternbild Jungfrau.

Ob Ison, angestachelt von der Sonne, nur seinen Ausstoß an Staub und Gas erhöht hat oder ob er zerbröselt ist, lässt sich noch nicht abschließend sagen. Astronomen der Ludwigs-Maximilians-Universität München und des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung im niedersächsischen Katlenburg-Lindau wollen am Wochenende aber Hinweise auf einen Kollaps ausgemacht haben: Aufnahmen des Observatoriums auf dem oberbayerischen Wendelstein zeigen demnach zwei bogenförmige Strukturen rund um den Kern des Kometen, die in den vergangenen Tagen größer geworden sind; am Mittwoch waren die Strukturen dagegen noch nicht zu erkennen.

Die Astronomen sehen darin ein Indiz, dass sich Isons Kern in zwei oder mehrere Teile aufgespalten haben könnte. "Wenn ein Komet zerfällt, ist das nicht wie bei einer Explosion mit vielen wegfliegenden Splittern. Die einzelnen Fragmente driften vielmehr langsam auseinander", schreibt CIOC-Astrophysiker Karl Battams in seinem Blog.

Ist Ison damit schon am Ende? Ein früher Kollaps würde sein Leben auf jeden Fall deutlich schwerer machen. Die größte Belastung steht dem Kometen schließlich noch bevor: In direkter Nähe der Sonne wird Isons Temperatur auf knapp 3000 Grad Celsius steigen - genug, um große Mengen Staub und Fels zu verdampfen.

Bislang waren Astronomen davon ausgegangen, dass Isons Kern einen Durchmesser von 500 bis 2000 Meter hat. Das müsste reichen, um die höllische Hitze zu überleben. Mehrere kleinere Brocken hätten dagegen nur geringe Chancen.

Sofern Ison sein Rendezvous mit der Sonne halbwegs unbeschädigt überstehen sollte, könnte er im Dezember eine gute Show am Himmel abliefern. Sein Schweif könnte viele Monddurchmesser lang werden und sehr hell leuchten. Falls es jemals dazu kommt.

Noch warnt das CIOC vor voreiligen Schlüssen. "Sicherlich könnten die neu beobachteten Strukturen von einem Zerfall des Kometenkerns stammen", sagt Karl Battams. "Es gibt aber auch andere Erklärungen." So könnte es sich bei den hellen Flecken, die für einen kollabierenden Kern eigentlich zu symmetrisch sind, um Staubfontänen handeln, die in geringerer Intensität bereits seit Längerem zu sehen waren. Auch eine Reaktion auf den dichter werdenden Sonnenwind halten die Nasa-Experten für möglich.

Doch selbst wenn Ison mittlerweile auseinandergebrochen wäre, würde für die Astronomen keine Welt zusammenbrechen. Schließlich sind derzeit mehr als ein Dutzend Teleskope und Raumsonden auf den eisigen Besucher ausgerichtet: "Ein Kollaps von Ison wäre der am besten beobachtete Zerfall eines Kometen in der Geschichte der Astronomie", sagt Knight. "Er würde uns eine Unmenge an Daten liefern, wie Kometen sterben."

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