Kohlendioxid-Speicherung:Immer neue Erblasten

Konzerne und Bundesregierung wollen CO2 vergraben lassen, um Kohlekraftwerke weiter zu betreiben. Aber was darf die Gesellschaft künftigen Generationen zumuten?

Patrick Illinger

Ist es richtig, ein Problem einfach in der Erde zu verbuddeln? Das klingt wie eine rhetorische Frage, deren Antwort lauten muss: Nein, natürlich nicht, Probleme muss man lösen oder vermeiden, aber doch nicht einfach vergraben und künftigen Generationen überlassen.

Doch genau das soll nun ausgerechnet mit einem der größten Probleme der heutigen Welt geschehen: Das Treibhausgas Kohlendioxid, hauptverantwortlich für den Klimawandel, soll tonnenweise in Hohlräume hunderte Meter tief unter der Erdoberfläche gepumpt werden. Auch in Deutschland sehen Techniker, Stromkonzerne wie Vattenfall sowie die Bundesregierung darin eine Chance, um in den kommenden Jahrzehnten Kohlekraftwerke zu betreiben, ohne dass deren Abgase die Erdatmosphäre bis zum Kollaps aufheizen.

Technisch betrachtet spricht vieles für das CCS (carbon capture and storage) genannte Verfahren. Auf einem chemisch relativ sauberen Weg lassen sich in einem modernen Kohlekraftwerk um die 90 Prozent des Kohlendioxids aus den Abgasen herauswaschen. Das verflüssigte Klimagas ist transportabel und wurde in kleineren Versuchen wie im brandenburgischen Ketzin erfolgreich in unterirdische Sandsteinformationen gepresst. Bislang blieb das Gas im Erdreich.

Betreiber von Kohlekraftwerken wollen mit dem CCS-Verfahren in den kommenden Jahrzehnten ihr Geschäft sichern. Unterstützt werden sie von den Pragmatikern unter den Klimaschützern: Diese erhoffen sich von der Technik, dass sie schon bald den weltweit steigenden Ausstoß von Klimagasen eindämmt.

Mit diesen Argumenten hat das Bundeskabinett vor einigen Wochen einen Gesetzentwurf verabschiedet, der die weitere Nutzung der CCS-Technik fördern soll. Doch nun ist die Debatte in den Wahlkreisen entbrannt. Viele Bundes-Parlamentarier, die eigentlich noch in dieser Woche über das CCS-Gesetz entscheiden wollten, sind zu erbitterten Gegnern des Vorhabens mutiert. Ein Streitpunkt betrifft die Haftung: Genügt es, dass Kraftwerksbetreiber nur 30 Jahre lang verantwortlich gemacht werden können, falls das Klimagas doch wieder aus den unterirdischen Kavernen entweicht? Auch haben Zweifel an der Sicherheit der CCS-Technik im Wahlkampf besonderes Gewicht.

Vieles an der aufflammenden Debatte ähnelt dem Streit um Atomendlager. Und in der Tat ist nicht hinlänglich geprüft, ob die für den Klimaschutz notwendigen Mengen von CO2 auf diesem Weg entsorgt werden können.

Wer die erschreckenden Vorgänge im Atomlager Asse verfolgt hat, kann sich kaum vorstellen, dass geologische Gesteinsformationen ein Gas zuverlässiger einschließen als radioaktive Müllfässer. Der Unterschied zum Atommüll darf allerdings nicht übersehen werden: CO2 ist weder radioaktiv noch giftig. Nur wenn es plötzlich in großen Mengen austritt, könnte es lokal die Atemluft verdrängen und beispielsweise Menschen und Tiere in einer Talsenke ersticken. In Afrika ist das schon geschehen, doch im flachen Norddeutschland kaum zu befürchten.

Zu Unrecht vernachlässigt wird in der Debatte jedoch der grundlegende moralische Aspekt: Was darf die Gesellschaft künftigen Generationen zumuten? Die heute lebende Menschheit macht es sich viel zu leicht mit dem Verfrachten akuter Probleme in die Zukunft, siehe Staatsverschuldung oder Rentenkrise. Selbst wenn man annimmt, dass sich CO2 gefahrlos unter die Erde pumpen lässt, ist es ethisch verwerflich, die Abfälle des Öl- und Kohle-Zeitalters künftigen Generationen aufzudrücken.

In wenigen hundert Jahren, wenn die Menschen hoffentlich den Übergang ins solare Zeitalter gemeistert haben, werden unterirdische Kohlendioxid-Depots lästige Erblasten sein, unerwünschte Relikte aus jener skurrilen Zeit, in der man allen Ernstes noch Kohle verbrannte, um elektrischen Strom zu erzeugen.

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