Kohlekraftwerk Schwarze Pumpe:Abgase in den Untergrund

Wo einst der schmutzigste Ort Deutschlands war, geht das erste Kohlekraftwerk der Welt in Betrieb, das nur noch Spuren von CO2 in die Atmosphäre entlässt.

Hanno Charisius

Ausgerechnet hier. Ausgerechnet in Schwarze Pumpe soll die Welt gerettet werden. Hier, wo einst der schmutzigste Ort Deutschlands war, zu DDR-Zeiten, als er noch "Gaskombinat Schwarze Pumpe" hieß.

Kohlekraftwerk Schwarze Pumpe: Ein Servictechniker befüllt im Kohlekraftwerk Schwarze Pumpe einen Tankwagen mit flüssigem Kohlendioxid.

Ein Servictechniker befüllt im Kohlekraftwerk Schwarze Pumpe einen Tankwagen mit flüssigem Kohlendioxid.

(Foto: Foto: AP)

Soviel geballte Prominenz hat dieser entlegene Winkel Brandenburgs lange nicht mehr gesehen. Am Dienstag kamen Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU), Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und der schwedische Forschungsminister Lars Leijonborg in den 2000-Einwohner-Ort vier Kilometer südlich von Spremberg, um einem geschichtsträchtigen Ereignis beizuwohnen.

Es ist 15.10 Uhr, als mit einem Druck auf den symbolischen roten Knopf das erste Kohlekraftwerk der Welt in Betrieb genommen wird, das nur Spuren des Treibhausgases CO2 in die Atmosphäre entlässt.

In Schwarze Pumpe beginne eine neue Zeitrechnung für die Industriegesellschaft, behaupten Ingenieure und die Führungsetage des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall.

Das Kohlendioxid, das bei jeder Verbrennung entsteht, soll künftig unter die Erde verbannt werden, wo es nicht mehr zur Erwärmung des Erdklimas beitragen kann. In nur zwei Jahren ließ Vattenfall in Schwarze Pumpe eine Pilotanlage errichten, die noch keinen CO2-freien Strom liefert, aber immerhin kohlendioxidarme Wärme für die im Industriepark angesiedelten Unternehmen produziert.

Irritierend, dass Umweltverbände dennoch Proteste angekündigt haben gegen die solchermaßen gepriesene Technik. An der Werkseinfahrt halten am Tag des Festakts Mitglieder des BUND Plakate hoch, "Wir lassen uns nicht verkohlen", steht darauf. Sie kritisieren, mit dem Vorhaben werde bloß schmutzige Kohle grün gewaschen. Ökologische Augenwischerei sei dies und Grund zur Befürchtung, dass mit der neuen Technologie den regenerativen Energiequellen das Interesse der Investoren entzogen werde.

Weltpremiere in Brandenburg

Von Berlin aus fährt man mit dem Auto nach Südosten Richtung Cottbus. Nach zweieinhalb Stunden tauchen Dampfwolken am Horizont auf, kurz darauf erkennt man Kühltürme und ein gigantischer grauer Bau ragt in den Himmel. Hinter dem Braunkohle-Großkraftwerk konventioneller Bauart duckt sich die Anlage, die Kohle endlich sauber machen soll.

Eine Ansammlung silbrig glänzender Leitungen, einige Blechkästen sowie blau lackierte Türme, die Rohrleitungen tragen. Das soll "die einzige Hoffnung der Menschheit" sein? So hat der wissenschaftliche Berater der britischen Regierung Sir David King die Technologie einmal genannt, die heute meist als CCS abgekürzt wird. Das steht für Carbon Capture and Storage: Kohlendioxid (carbon dioxide) wird dabei aufgefangen (capture), verflüssigt und unterirdisch gelagert (storage).

Drei technische Lösungen werden für das Auffangen des Treibhausgases diskutiert. Für 70 Millionen Euro baute Vattenfall in Schwarze Pumpe ein Minikraftwerk, das nach dem Oxyfuel-Prinzip arbeitet. Dabei wird zu Staub zermahlene Kohle mit reinem Sauerstoff verbrannt und nicht wie in herkömmlichen Anlagen mit normaler Atemluft, die zu 78 Prozent aus Stickstoff besteht.

Dabei entstehen vor allem Kohlendioxid. Wasser, Schwefel, Flugasche. Ruß und Schwefel werden herausgefiltert, das Wasser abgeschieden und übrig bleibt nahezu reines CO2, das in Tanks gefüllt zur Lagerstätte in der 350 Kilometer entfernten Altmark in Sachsen-Anhalt transportiert werden soll.

Hier leiten Wissenschaftler des Geoforschungszentrums Potsdam seit zwei Monaten testweise CO2 durch 800 Meter tiefe Bohrkanäle in eine alte Gaslagerstätte. In drei Jahren sollen dort unten 100.000 Tonnen Treibhausgas aus Schwarze Pumpe lagern.

Neben diesem Weg, das Treibhausgas einzufangen, kennen Chemiker seit Jahrzehnten andere Möglichkeiten, um CO2 nach der Verbrennung aus dem Abgasstrom zu filtern, auch wenn dieser stark mit Stickstoff verdünnt ist. Doch diese Verfahren sind aufwendig, das Rauchgasvolumen ist groß, die CO2-Menge darin verhältnismäßig klein. Kein Ingenieur mag glauben, dass diese konventionelle Technik geeignet ist, um einen wesentlichen Teil der 24 Milliarden Tonnen Kohlendioxid einzufangen, die die Menschheit laut der Internationalen Energieagentur IEA pro Jahr produziert.

Bei der dritten Methode entfernt man das CO2 noch vor der Verbrennung. Dabei wird Kohle zunächst unter hohem Druck und mit Hilfe reinen Sauerstoffs zu sogenanntem Syngas umgewandelt, das hauptsächlich aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid besteht. In einem weiteren Schritt reagiert das Syngas mit Wasserdampf. Übrig bleiben Kohlendioxid und nahezu reiner Wasserstoff, der verbrannt wird und eine Turbine antreibt.

Abgase in den Untergrund

Das neue Heizkraftwerk ist mit 30 Megawatt Leistung zwar mickrig im Vergleich zu seinem 1600-Megawatt-Nachbarn, der pro Tag aber auch einige Zehntausend Tonnen CO2 in die Luft bläst. Doch es ist die am weitesten entwickelte Anlage dieser Art auf dem Planeten.

Kohlekraftwerk Schwarze Pumpe: Die Abgase werden nach der Verbrennung der Kohle nicht in die Luft geblasen, sondern gelangen in den CO2-Fänger. Übrig bleibt flüssiges CO2.

Die Abgase werden nach der Verbrennung der Kohle nicht in die Luft geblasen, sondern gelangen in den CO2-Fänger. Übrig bleibt flüssiges CO2.

(Foto: SZ-Grafik)

Sie stehe auf der vierten von insgesamt sieben Entwicklungsstufen auf dem Weg zur Serienreife, sagt Kraftwerksexperte Hans Joachim Krautz von der Technischen Universität Cottbus.

Die Erfahrungen am Standort Schwarze Pumpe will Vattenfall spätestens 2015 für den Bau zweier leistungsfähiger Demonstrationskraftwerke in Deutschland und Dänemark nutzen, sagt Reinhardt Hassa, Vorstand bei Vattenfall Europe. Das erklärte Unternehmensziel sei, den CO2-Ausstoß aller Kraftwerke des Konzerns bis 2030 zu halbieren.

Bereits in zwölf Jahren würden, so Hassas Vorstellung, in Industrieländern nur noch Kraftwerke mit CCS gebaut werden. Welcher Abscheidetechnik dann der Vorzug gegeben wird, stehe noch nicht fest, sagt der Präsident des Energiekonzerns Vattenfall, Lars Göran Josefsson. Für die Braunkohleanlage von Schwarze Pumpe erschien die Oxyfuel-Technologie optimal, an einem anderen Standort sollen andere Techniken erprobt werden.

Der Strom soll nicht teurer werden

Nach einer Studie im Auftrag des Bundesumweltministeriums aus dem vergangenen Jahr können die verschiedenen Systeme maximal 70 bis 80 Prozent des entstehenden Treibhausgases einfangen. Während der ersten Testläufe schafften die Vattenfall-Ingenieure in Schwarze Pumpe jedoch 99 Prozent, berichtet Hubertus Altman, der technische Leiter von Vattenfall Europe.

Weil die erforderliche Trennung der Gase sehr viel Energie verbraucht, haben Kraftwerke mit CCS einen um etwa zehn Prozent niedrigeren Wirkungsgrad als normale. Ein mit CCS ausgestattetes Braunkohlekraftwerk würde demnach nur noch 33 Prozent der eingesetzten Primärenergie in Strom oder Wärme verwandeln. Dennoch soll der Strom nicht teurer werden als konventionell erzeugter, versichert Josefsson, wenn erstmal der Handel mit CO2-Zertifikaten richtig funktioniert und die Preise von derzeit etwa 24 auf mehr als 30 Euro pro Tonne Kohlendioxid steigen.

Bevor CCS alltagstauglich wird, hat es aber noch viel bedeutsamere Bewährungsproben zu bestehen. Noch ist kein Gramm CO2 nach Altmark transportiert worden. Und das wird auch noch mindestens bis zum nächsten Frühjahr dauern. Die Deponierung von Abgasen ist noch nicht endgültig gesetzlich geregelt.

Der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen (WBGU) rechnet in einem Szenario damit, dass in den kommenden hundert Jahren 1000 Milliarden Tonnen CO2 unter der Erdkruste gespeichert werden können. Vorausgesetzt, die Technik funktioniert und die Verliese für das Treibhausgas halten dicht.

Auch Reinhard Hüttl vom Geoforschungszentrum Potsdam betont den experimentellen Charakter der Deponie in Altmark: "Wir sind dabei, die Kette zu untersuchen. Es ist ein Forschungsprojekt und damit ist schon gesagt, dass wir erst mitten drin sind in der Bewertung." Dazu kommen Akzeptanzprobleme bei der Bevölkerung.

Für die Sicherheit der unterirdischen Verklappung spricht immerhin die Tatsache, dass man auch Erdgasvorkommen ausbeuten kann. Bis die Transporter in die Altmark rollen dürfen, soll das Gas in Tanks zwischengelagert werden. Und wenn alle Zwischenlager voll seien, könnte man das CO2 ja immer noch gefahrlos in die Atmosphäre entlassen, sagt ein Vattenfall-Sprecher. Es sei ja schließlich nicht giftig. Doch dann korrigiert er sich eilig: "Aber das wäre ja nicht der Sinn der Sache."

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