Klimawandel:Wasser in der Arche Noah

SGSV international gene bank in Norway; Global Seed Vault Weltweiter Saatgut Tresor

Eingang zum weltweiten Saatgut-Tresor in Spitzbergen.

(Foto: picture alliance / dpa)

In Spitzbergen steht das größte Lager für Pflanzensorten aus aller Welt. Tiefgefroren sollen sie dort die Artenvielfalt sichern. Doch jetzt bereitet die Erwärmung der Arktis den Betreibern Probleme.

Von Thomas Hummel

Die Arche Noah hat leck geschlagen. Die Global Seed Vault (zu Deutsch: weltweiter Saatgut-Tresor) auf der norwegischen Insel Spitzbergen soll die Pflanzenvielfalt auf ewig sicherstellen und die Menschheit auch nach den schlimmsten Katastrophen retten. Doch nun stellt sich heraus, dass das Projekt selbst unter dem Klimawandel leidet.

Die Global Seed Vault ist ein bunkerartiger Bau in Spitzbergen, oberhalb des größten Ortes Longyearbyen. Etwa hundert Meter tief drin im Berg lagern Pflanzensamen aus der ganzen Welt, um deren Aussterben zu verhindern. Es gibt zwar weltweit etwa 1750 solcher Samenbanken, doch das Projekt in der Nähe des Nordpols soll als Rückversicherung dienen. Falls irgendwo wegen Kriegen, Naturkatastrophen, Epidemien oder eines schlichten Stromausfalls in den lokalen Instituten bestimmte Pflanzenarten bedroht sind, ruft man in Norwegen an und lässt sich das Saatgut schicken. Experten sprechen davon, dass seit Beginn des 20. Jahrhunderts bereits bis zu 80 Prozent Artenvielfalt verloren gegangen ist, vor allem durch die industrielle Agrar-Bewirtschaftung. Der Global Seed Vault sei die "moderne Neuauflage der Arche Noah", erklärte Norwegens Landwirtschaftsminister Terje Riis-Johansen bei der offiziellen Eröffnung im Jahr 2008.

Allerdings spüren die Menschen tief im arktischen Meer seit Monaten einen heftigen Ausschlag der globalen Erwärmung. Um fünf Grad Celsius lag die Durchschnittstemperatur im Jahr 2016 höher als normal, gerade einmal bei null Grad. Diese Temperatur bedroht nun auch den Pflanzenbunker.

Durch die hohen Temperaturen regnete es stark, Schnee und Eis schmolzen. Das Wasser drang in den Eingangstunnel ein. "Wir dachten nicht daran, dass hier der Permafrost gefährdet sein könnte, wir haben hier noch nie ein solch extremes Wetter erlebt", sagte Hege Njaa Aschim von der norwegischen Regierung der britischen Zeitung The Guardian. Es sei viel Wasser in den Tunnel gelaufen und dort dann gefroren, "beim Eintreten sah es aus wie ein Gletscher". Glücklicherweise habe das Wasser nicht die Gewölbe mit dem Saatgut erreicht, das Eis sei inzwischen herausgehackt worden.

Noch immer liegen also 850 000 Sorten von Pflanzengut in den Regalen, fein säuberlich verpackt in Aluminium. Platz wäre dort sogar für 4,5 Millionen Arten von Kulturpflanzen. Mit vielen Millionen Dollar vor allem aus den amerikanischen Stiftungen von Bill und Melinda Gates sowie der Rockefeller-Familie entstand im Spitzberger Plateauberg im Jahr 2006 dieser gigantischer Höhlenbau. Auch die norwegische Regierung beteiligte sich finanziell an dem Projekt und betreibt es.

Auch aus Deutschland lagern mehrere Tausend Samenmuster im Plateauberg. Sie kommen aus Gattersleben in Sachsen-Anhalt, wo das Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung eine eigene Samenbank betreibt. Die Verschickung nach Spitzbergen gilt als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme. Den ersten Auftrag zur Rückführung von Samen erhielt der Global Seed Vault 2015 aus Syrien. Das dortige Institut in Aleppo musste geräumt werden, es ging viel verloren.

Bereits kurz nach der Eröffnung kamen Zweifel auf, ob der Ort in Spitzbergen richtig gewählt wurde. In den Sommermonaten hatte sich der Berg stark aufgeheizt und die Höhlenkonstruktion beschädigt. Einige Tunnelwände hatten sich verformt, aber die Norweger glaubten, das anschließend in den Griff bekommen zu haben.

Nun stellt die fortschreitende Klimaerwärmung die letzte Pflanzenzuflucht vor neue Herausforderungen. Durch die enorm hohen Temperaturen selbst im Winter taut auch 800 Kilometer vom Nordpol entfernt der Permafrostboden auf. Longyearbyen ist auf Permafrost gebaut und immer häufiger von Lawinen und Erdrutschen bedroht. In diesem extrem warmen Winter führten starke Regenfälle dazu, dass viele Gebäude evakuiert werden mussten. Vor einem Jahr waren zwei Menschen ums Leben gekommen, nachdem eine Lawine, die letztlich durch Wind ausgelöst worden war, mehrere Häuser mitgerissen hatte.

Im Saatgut-Tresor mussten die Betreiber technisch weiter nachrüsten, kürzlich haben sie Pumpen und Drainagen gegen das Wasser installiert. Und auch die Kühlaggregate müssen immer häufiger laufen.

"Die Arktis und speziell Spitzbergen erwärmen sich schneller als der Rest der Welt. Das Klima wandelt sich dramatisch und wir sind alle erstaunt, wie schnell es geht", erklärte Ketil Isaksen vom meteorologischen Institut Norwegens der Zeitung Dagbladet. Hege Ajaa Aschim fügte hinzu: "Die Frage ist nun, ob das ein einmaliges Ereignis ist, oder ob es eskaliert."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: