Klimawandel und Klimaskepsis:Heiße Köpfe

Der Kampf um die Wahrheit in der Klimaforschung: Ein Kolumnist der Washington Post rechnet ab mit "Öko-Pessimisten" - und wird sofort widerlegt.

Petra Steinberger

George F. Will ist einer jener konservativen amerikanischen Publizisten, die in den vergangenen Jahren die Agenda der Regierung Bush freudig propagierten und sie gegen gefährliche linke Umtriebe verteidigten. Wer meinte, mit dem Amtsantritt Präsident Obamas sei Will etwas zurückhaltender geworden, hat sich getäuscht.

Klimawandel und Klimaskepsis: George F. Will ist Kolumnist bei der Washington Post.

George F. Will ist Kolumnist bei der Washington Post.

(Foto: Foto: screenshot/Washington Post)

Vor ein paar Tagen nahm er sich in der Washington Post wieder einmal ein Lieblingsthema vieler konservativer Kommentatoren vor: die Panikmache um die angebliche globale Erwärmung. In "Dunkelgrüne Schwarzseher" rechnet er deftig ab mit "Öko-Pessimisten" wie Steven Chu, dem neuen Energieminister.

Der hatte in einem Interview gewarnt, dass durch die Erderwärmung 90 Prozent der Schneedecke abschmelzen würden, die Kalifornien für seine Wasserversorgung braucht - und damit die gesamte Landwirtschaft und die Versorgung der Städte gefährdet sei.

Will hält das offensichtlich für Unsinn. Und um das zu beweisen, beruft er sich auf Wissenschaftler und Studien, die in den siebziger Jahren vor einer ganz anderen ökologischen Katastrophe gewarnt hatten - der globalen Abkühlung. Zumindest interpretierte er es so: "Weltweit stimmen Klimaforscher darin überein", zitiert er beispielsweise das Magazin Science Digest vom Februar 1973, dass man sich "auf die nächste Eiszeit vorbereiten muss."

Und? Nichts sei passiert, triumphiert Will. Genauso wenig wie heute wirklich etwas passiere - im Gegenteil. Anstieg des Meeresspiegels? "Laut dem Arctic Climate Research Center der Universität von Illinois liegt er auf derselben Höhe wie 1979." Die Welt habe heute andere Probleme, die Finanzkrise beispielsweise, lästert Will - und überhaupt habe es "seit mehr als zehn Jahren keine nachweisbare globale Erwärmung gegeben".

Es rumorte in der Bloggerszene, und innerhalb kürzester Zeit stürzten sich die dunkelgrünen Schwarzseher, Wissenschaftler und Umweltschützer auf ihn wie die Gallier auf eine römische Patrouille. John Fleck, ein angesehener Wissenschaftsblogger und -journalist, erklärte: "George Will hat ein Recht auf seine eigene Meinung. Er hat kein Recht auf seine eigenen Fakten." Und nahm den Artikel auseinander.

Will habe Zitate aus dem Zusammenhang gerissen. Der wissenschaftliche Konsens über eine globale Abkühlung? Da habe eine Studie der American Meteorological Society gerade etwas ganz anderes herausgefunden - dass der angebliche Konsens ein populärer Mythos sei, dass schon damals Klimaforscher vor allem den Treibhauseffekt als bedenklich ansahen.

Heiße Köpfe

Und dass dieser Mythos immer wieder hervorgeholt werde von all jenen, die die aktuelle wissenschaftliche Meinung zur Erderwärmung untergraben wollten.

Denn George F. Will geht es natürlich nicht um die Klimaerwärmung an sich. Er gehört offensichtlich in jene amorphe Gruppe, die man inzwischen häufig unter dem Namen Klimaskeptiker zusammenfasst.

Wie ein religiöser Kreuzzug

Es sind ein paar wenige Wissenschaftler darunter, aber viele Politiker und Publizisten. Die, so scheint es manchmal, gehen den Kampf gegen die angebliche Panikmache über die Erderwärmung wie einen religiösen Kreuzzug an.

Zu ihnen gehören Anhänger einer ultraliberalen Wirtschaftsordnung, die immer schon der Ansicht waren, der Markt und die Welt würden sich schon selbst regulieren und im Zweifelsfall technische Innovationen hervorbringen, die das Problem dann lösen.

Zu ihnen gehören Lobbyisten, rekrutiert und bezahlt von Energie- und Wirtschaftskonzernen, die kein akutes Interesse an einer Reduzierung der CO2-Emissionen haben.

Unter den Klimaskeptikern gibt es solche, die grundsätzlich bezweifeln, dass eine Klimaerwärmung überhaupt stattfindet; sie sind inzwischen etwas leiser geworden. Andere gestehen zwar zu, dass es so etwas wie globale Erwärmung gibt, halten sie aber für eine in der Erdgeschichte zyklisch wiederkehrende, natürliche Erscheinung und bestreiten den menschlichen Anteil daran.

Und schließlich gibt es jene, die weder die Realität der Erwärmung bestreiten noch das menschliche Zutun daran, die aber der Meinung sind, jede Prognose über die Auswirkungen sei viel zu unsicher. Da man nicht mit letzter wissenschaftlicher Gewissheit sagen könne, wie schlimm es kommen werde, sei die Angstmacherei völlig übertrieben und also auch das Gerede von Wirbelstürmen und schmelzenden Gletschern und steigenden Meeresspiegeln und Dürre und Hunger.

Vor allem sei eine solche Meinungsmache nicht Aufgabe der Wissenschaft. Und damit haben diese Kritiker nicht ganz unrecht. Wie weit sich Wissenschaftler aus den Fenster lehnen dürfen in ihren Warnungen und Prognosen, inwieweit sie also Politik machen und sich in die Politik einmischen sollen, das überlegen inzwischen auch viele von denen, die den Klimawandel für menschengemacht, real und gefährlich halten.

Vicky Pope, Meteorologin im angesehenen englischen Hadley Centre for Climate Prediction and Research, berät ihre Regierung in Fragen des Klimawandels - und schrieb dennoch kürzlich im britischen Guardian: "Wer natürliche Wetterschwankungen übertrieben als Klimawandel darstellt, verzerrt die Wissenschaft ebenso wie jemand, der diese Schwankungen herunterspielt, um damit zu behaupten, dass der Klimawandel aufgehört hat oder gar nicht stattfindet.

Heiße Köpfe

Beides untergräbt die grundsätzlichen Fakten, dass die Folgen des Klimawandels tiefgreifend sind und sehr schwerwiegend sein werden, wenn der Ausstoß von Treibhausgasen in den nächsten Jahrzehnten nicht drastisch und rasch eingeschränkt wird."

Es hat sich immer wieder herausgestellt, dass trotz ständig neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Klimawandel die Haltung des Einzelnen oft eher von Weltanschauung und persönlicher Einschätzung abhängig ist als von Tatsachen. Wissenschaftler, die sich zu weit vom Boden der akzeptierten Tatsachen entfernen, verunsichern die Öffentlichkeit mehr, als sie zu überzeugen.

Mit jeder neuen Übertreibung, die aufgedeckt wird (und sie wird immer aufgedeckt), ziehen sich diejenigen aus der Diskussion zurück, die man oft gerade versucht hat, zu gewinnen oder zu überzeugen.

Roger Pielke, Professor für Umweltstudien an der Universität von Colorado, plädiert dafür, dass Wissenschaftler die Rolle des ehrlichen Maklers einnehmen sollten. In seinem gleichnamigen Buch beklagt er, dass die meisten Wissenschaftler über ihre Rolle in der politischen Debatte fundamental im unklaren sind - und die Glaubwürdigkeit ihrer Zunft aufs Spiel setzten, wenn sie politische Ansichten als Fakten tarnten.

Tendenz zur Übertreibung

Trotzdem wird die Tendenz zur Übertreibung, sorgt sich Andrew Revkin, Umweltkorrespondent der New York Times, in den nächsten Monaten zunehmen. Denn der Klimawandel wird demnächst wieder zum Thema im amerikanischen Kongress, und dort werden "die Argumente eine Kombination aus unsicherer Wissenschaft und subjektiven Zahlenspielen einschließen".

Der ehemalige Präsidentschaftskandidat Al Gore, der mit seinem oscarprämierten Dokumentarfilm "Eine unbequeme Wahrheit" zu einem der exponiertesten Kämpfer gegen Treibhauseffekt und Klimawandel wurde, hat diese Lektion jedenfalls gelernt.

Anfang Februar hatte er bei einem Vortrag in Chicago ein Dia gezeigt, das den weltweiten steilen Anstieg von Waldbränden, Überflutungen und anderen Naturkatastrophen darstellte, und erklärt, dass die globale Erwärmung "wetterbedingte Katastrophen auslöst, die so noch nie dagewesen sind".

Die belgischen Forscher, die diese Daten zusammengetragen hatten, erklärten daraufhin, Gore habe sie falsch interpretiert - mehrere Faktoren, von denen der Klimawandel möglicherweise einer sei, trügen zu diesem Trend bei. Gore entfernte das Bild daraufhin aus seiner Präsentation.

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