Klimawandel:Umweltverbände fordern Restkontingent für Kohlendioxid

Windräder und Kohlekraftwerk

Mehr erneuerbare Energie, weniger Kohlekraftwerke. Deutschland muss noch viel tun, um seine Klimaziele zu erreichen.

(Foto: Federico Gambarini/dpa)
  • Umweltverbände haben einen Vorschlag für ein "Klimaschutz- und Energiewenderahmengesetz" erarbeitet, kurz Kenrag.
  • Der Vorschlag sieht vor, ein Restbudget für die Emission von klimaschädlichen Treibhausgasen festzulegen, etwa zehn Gigatonnen.
  • Das soll die Wirtschaft zwingen, schrittweise immer sauberere Produkte zu entwickeln.
  • Der Klimaschutz ist in den Sondierungsgesprächen ein großes Streitthema. Vor allem FDP und Grüne haben dazu gegensätzliche Vorstellungen.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Die Koalition ist noch nicht gebildet, da kommt schon der erste Gesetzesvorschlag: Allerdings nicht von der Bundesregierung, sondern von Umweltverbänden. 49 Seiten lang ist der Vorschlag, einen sperrigen Namen hat er auch schon: "Klimaschutz- und Energiewenderahmengesetz", kurz Kenrag. Die Umweltstiftung WWF hat die Grundzüge dafür aushecken lassen, es ist ein neuer Anlauf für ein neues Ziel: In Gesetzesform gegossener Klimaschutz, der nicht alle paar Jahre neu ausgehandelt werden muss.

Das Rahmengesetz soll zugleich Schluss machen mit dem Nebeneinander vieler unterschiedlicher Gesetze und Verordnungen auf Bundes- und Landesebene, mehr als 30 davon listet ein Rechtsgutachten der Umweltstiftung auf. Stattdessen soll der Klimaschutz so ähnlich organisiert werden wie das Klimaabkommen von Paris es verlangt: Ausgehend von einem Fernziel soll alle paar Jahre ein neuer Klimaplan entstehen, der schrittweise zum fernen Ziel führen soll. Nur eben auf Gesetzesbasis. "Der Kerngedanke ist, dass man die Klimaziele rechtsverbindlich macht", sagt Michael Schäfer, Klimaexperte beim WWF. "Damit wir in zehn Jahren nicht wieder vor so einer Lücke stehen wie derzeit."

Das Klimaziel für 2020, ein Minus von 40 Prozent bei den Treibhausgasemissionen, liegt drei Jahre vor dem Stichtag in weiter Ferne, bei den laufenden Sondierungsgesprächen ist dieser Umstand eine der komplizierteren Angelegenheiten. Auf der Klimakonferenz in Bonn steht die Bundesregierung deshalb derzeit eher bescheiden da. "Wir alle haben geklatscht, als Deutschland 2007 dieses Ziel bei einer Klimakonferenz versprochen hat", sagt auch Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan. Zeichne sich aber nicht zumindest ab, wie es auch erreicht werden soll, "wird Deutschland schwer beschädigt aus dieser Konferenz gehen".

Nach einem Restbudget Kohlendioxid soll Schluss sein

Nach Vorstellung des Gutachtens würde per Gesetz ein Restbudget an Kohlendioxid festgelegt, abgeleitet von dem Ziel, bis zur Mitte des Jahrhunderts 80 bis 95 Prozent weniger Treibhausgase auszustoßen. 95 Prozent etwa bedeuteten nach WWF-Berechnungen ein Restbudget von zehn Gigatonnen Kohlendioxid. Bliebe es bei den bisherigen Emissionen, wäre so ein Budget binnen elf Jahren aufgebraucht.

Damit das so schnell nicht passiert, schlägt das "Kenrag" vor, das Budget auf einzelne Zweige der Wirtschaft zu verteilen - und das immer so, dass sich die Ziele von Paris erreichen lassen. So müsste für Kraftwerke, Industrie oder Verkehr immer wieder neu festgelegt werden, wie sie schrittweise sauberer werden - etwa durch effizienteren Umgang mit Energie oder mehr Ökostrom. Wie die Emissionen im Einzelnen gesenkt werden sollen, lässt der Vorschlag offen. Einzig den Kohleausstieg hat der WWF in das Papier schreiben lassen. "Das Gesetz verlangt mit Absicht keine bestimmten Instrumente", sagt Schäfer. "Es verlangt nur, dass die Regierung die nötigen Instrumente einführt." Ob die zum Ziel führen, sollen Experten regelmäßig überprüfen: Die zehnköpfige "Klimaschutzkommission" soll den Stand der Dinge kontrollieren - zusammengesetzt aus Wissenschaftlern diverser Disziplinen. Für die Wirtschaft berge das alles ein Plus an Planungssicherheit, wirbt die Umweltstiftung; schließlich könnten Firmen stets absehen, wie viel vom Budget übrig ist.

Ob so ein Kenrag in der neuen Koalition eine Zukunft hat? Ähnlich wie beim Streit um die Kohle verläuft der Konflikt zwischen Grünen und FDP. Die Grünen hatten in ihrem Wahlprogramm ein Klimaschutzgesetz gefordert. "Wir halten so ein Gesetz nach wie vor für sinnvoll", sagt Annalena Baerbock, die für die Grünen zum Thema Klimaschutz sondiert. "Nur so verhindern wir, dass bei jeder neuen Regierungsbildung international zugesagte Klimaziele wieder infrage gestellt werden." Für die Liberalen dagegen wäre es ein nationaler Alleingang - und das lehnen sie ab. Diesen Donnerstag wollen die Sondierer erneut zusammenkommen, im kleinen Kreis. Das aber nicht ohne Begleitmusik. Der Industrieverband BDI warnte mit Kollegen aus Frankreich vor zu teurem Klimaschutz. Und vor dem Reichstag postierten sich Freunde der nahen Tagebaue. Ihr Slogan: "Ein Herz für saubere Lausitzer Kohle."

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