Klimawandel:"Trumps Verhalten ist vielleicht eine Chance"

Die Entscheidung der USA, aus dem Abkommen von Paris auszusteigen, löst weltweit Entsetzen aus. Klimaexperte Hermann E. Ott hofft, dass der Rest der Welt den Kampf gegen die Erderwärmung nun verstärkt.

Interview von Markus C. Schulte von Drach

SZ.de: Die USA steigen aus dem Pariser Klimaabkommen aus, was einerseits Entsetzen auslöst, andererseits heißt es nun, so wichtig seien die Amerikaner hier gar nicht. Was stimmt denn nun?

Hermann E. Ott: Die Welt hätte für den Klimaschutz, auf den sich die Staaten in Paris geeinigt haben, eine Achse USA-China-EU weiter gut gebrauchen können. Die USA waren immer ein Bremser, bis unter Obama der Eindruck entstanden ist, der Umschwung sei da. Und jetzt kommt Trump und macht alles wieder kaputt. Und die Gefahr ist natürlich, dass sich auch weitere Staaten vom Kurs abbringen lassen.

Andererseits geben die bisherigen Reaktionen Anlass zur Hoffnung, dass der Rückzug der USA den Rest der Welt stärker zusammenrücken lässt. Die gemeinsame Erklärung von Deutschland, Frankreich und Italien deutet darauf hin.

Die große Frage ist allerdings, ob der Schock ausreicht, uns bewusst zu machen, dass das Pariser Abkommen völlig unzureichend ist.

Das Abkommen gilt doch als großer Erfolg, den Trump jetzt gefährden könnte.

Der Wirbel, der jetzt um Donald Trumps Entscheidung gemacht wird, verdeckt die grundsätzlichen Schwächen des Pariser Abkommens: Die globale Erwärmung soll auf maximal zwei Grad beschränkt werden. Nach dem gegenwärtigen Stand der Zusagen der Länder, die Emissionen zu reduzieren, müssen wir aber mit über drei Grad rechnen. Außerdem sind alle Zusagen reine Versprechen, und es gibt bisher kein System, mit dem überprüft werden kann, ob die Staaten ihre Zusagen auch einhalten.

Wenn wir also das vereinbarte Klimaschutzziel erreichen wollen, muss das Abkommen sehr schnell nachgebessert werden. Es wäre gut, wenn sich nicht nur alle im Protest gegen Trump zusammentun, sondern wenn dieses Momentum sich zu einer Welle entwickelt, die die Staaten dazu zwingt, mehr zu tun. Trumps Verhalten ist vielleicht eine Chance dafür und der Effekt seines Rückzugs wäre genau das Gegenteil von dem, was er erreichen will.

Aber ist diese Chance wirklich größer als bisher? Wir hatten 2006 schon einmal einen Klimaschutz-Hype, als Al Gore seinen Film "Eine unbequeme Wahrheit" veröffentlichte.

Die alten Strukturen, die Öl- und Kohleförderer und auch die Auto-, Chemie- oder Stahlindustrie, die fossile Brennstoffe einsetzen, sind stark. Da wird mit riesigen Summen Lobbyarbeit finanziert, die darauf zielt, Fortschritte im Klimaschutz zunichte zu machen.

Aber in den vergangenen Jahren ist das Klima tatsächlich zu einem bedeutenden, zentralen Thema der Weltpolitik geworden, das geopolitische Verschiebungen auslöst. Das zeigt sich etwa in den Plänen von EU und China, enger im Klimaschutz zusammen zu arbeiten, während sich die USA isolieren.

Das berechtigt zu der Hoffnung, dass dieser Rollback unter Trump, diese ungeheure Rüpelhaftigkeit, diese Missachtung der Erde und der Menschen, die auf ihr leben, etwas verändert.

Woran lag es, dass die internationale Klimapolitik, die bereits in den 80er Jahren begonnen hat, bislang so erfolglos war?

Die Klimakonferenzen haben alle unter einem großen Makel gelitten: dem Zwang zum Konsens, den Saudi-Arabien 1994 durchgesetzt hat. Jeder Staat hat seitdem faktisch ein Veto-Recht. Wenn jemand sagt, er macht nicht mit, muss neu verhandelt werden. Man kann einen Umbau unserer Industriegesellschaft aber nicht im Konsens durchsetzen, weil es immer Verlierer gibt.

Dass es anders geht, hat die Rettung der Ozonschicht durch das Montreal-Protokoll gezeigt. Seit Ende der 80er Jahre wurden nach und nach massive Verbote für Ozon zerstörenden Stoffe mit Mehrheitsabstimmungen beschlossen. Wenn uns der Schutz des Klimas ähnlich am Herzen liegt wie die Ozonschicht, brauchen wir hier auch solche Möglichkeiten.

Wie ließe sich das für die Klimapolitik erreichen?

Die Geschäftsordnung in der internationalen Klimapolitik muss geändert werden. Um das durchzusetzen, wäre eine Verbindung der großen Mächte EU und China mit den am stärksten vom Klimawandel betroffenen Staaten ideal. Wenn die USA solche Veränderungen innerhalb des Pariser Abkommens sabotieren - und das können sie bis 2020 - müssten vertragliche Regelungen neben diesem Abkommen getroffen werden. Da wird die Weltgemeinschaft kreativ sein müssen. Nötig ist natürlich auch der politische Wille.

Sind solche Allianzen realistisch? Denkt nicht jedes Land vor allem an sich selbst?

Es gibt schon seit Paris Bestrebungen, neue Allianzen zu schließen. Etwa den Zusammenschluss der "Climate Vulnerable Countries", das sind etwa 45 Staaten, die vom Klimawandel besonders betroffen sind und die beschlossen haben, bis Mitte des Jahrhunderts komplett emissionsfrei zu sein.

Eine Initiative, der auch Deutschland angehört, setzt sich für "Carbon Pricing" ein. Diese Staaten überlegen gemeinsam, wie der Ausstoß von Treibhausgasen etwa über Emissionshandel oder über Steuern und die Streichung klimaschädlicher Subventionen gesenkt werden kann. Solche Kooperationen sind wichtig, denn es geht auch immer um handelspolitische Konsequenzen.

Allianzen von Städten, Regionen und Unternehmen wollen eine grundsätzliche Wende bei der Energieerzeugung erreichen. In einigen US-Bundesstaaten sieht die Klimapolitik völlig anders aus als die von Trump. Da wird er nichts dagegen tun können. Und das werden wir in Zukunft noch verstärkt sehen.

Haben Sie überhaupt noch Hoffnung, dass das 2-Grad-Ziel erreicht werden kann?

Das Zeitfenster ist sehr eng geworden. In den nächsten Jahren müssen entscheidende Weichen gestellt werde. Aber es ist doch bezeichnend, dass sogar große Unternehmen wie General Electric Trumps Entscheidung bedauern. Auch die Gesellschaften sind alarmiert und scheinen bereit zu kämpfen. Denken Sie an die 400 000 Menschen, die sich 2015 in New York zu Demonstrationen für Klimaschutz versammelt hatten. Vielleicht gibt es also noch Hoffnung.

Andererseits sind viele Menschen offenbar nicht bereit, dem Klima zuliebe selbst zurückzustecken. Die zunehmende Zahl großer Autos auf Deutschlands Straßen etwa verhindert, dass die Emissionen dort zurückgehen.

Es gibt eine erstaunliche Diskrepanz zwischen der Erkenntnis, dass da eine große Gefahr auf uns zukommt, und den Petitessen, die dann als Gesetze verabschiedet werden. Außerdem gibt es in der Bevölkerung eine Abneigung gegen gesetzliche Maßnahmen. Auf freiwilliger Basis werden die notwendigen Veränderungen aber nicht kommen.

Wir akzeptieren Regeln, Standards und Gesetze doch auch in anderen Bereichen - etwa bei der Produktion von Lebensmitteln, die keine schädlichen Stoffe enthalten dürfen. Wir brauchen auch im Bereich der Nachhaltigkeit Mindeststandards.

Hermann E. Ott

Hermann E. Ott Hermann Ott ist Wissenschaftler am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie und Professor an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Er war klimapolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen.

(Foto: Privat)

Um gegen klimaschädliche Aktivitäten vorzugehen, haben wir ganz unterschiedliche Instrumente mit verschiedenen Eingriffstiefen. Sanfte Methoden wie Aufklärung und etwas schärfere wie wirtschaftliche, finanzielle Eingriffe etwa über Steuern. Und wir haben bei ganz wichtigen Dingen auch die Möglichkeit, gesetzlich zu ver- oder gebieten. Wir sollten alle Instrumente nutzen - natürlich immer zusammen mit einer Erklärung.

Wenn aber, wie jetzt, die zivilisatorischen Grundlagen bedroht sind, und das nicht ausreichend ernst genommen und bekämpft wird, dann versagt die Politik. Dann hat sie ihren Zweck verfehlt.

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