Klimawandel:Mit "Klima-Engineering" gegen die Erderwärmung?

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Schlechtes Wetter, gutes Klima: Wolken halten Sonnenstrahlen ab und bremsen die globale Erwärmung. Sollte man bedeckte Himmel womöglich künstlich erzeugen?

(Foto: Ethan Miller/AFP)

Verzicht auf fossile Brennstoffe? Das halten viele Experten für unrealistisch und prüfen technische Mittel gegen die globale Erwärmung: künstliche Wolken zum Beispiel. Mit diesem "Geoengineering" befasst sich sogar der Weltklimarat. Viele Fachleute bleiben skeptisch.

Von Marlene Weiß

Eiserne Disziplin entgegen den eigenen Vorlieben, das ist fast das Schwerste, was sich Menschen vornehmen können - es scheitert viel öfter als es gelingt, wie Übergewichtige bestätigen können. Das beflügelt die Nachfrage nach den zweifelhaften Gegenmittelchen der Schlankheitsindustrie. Beim Klimaschutz ist es so ähnlich: Die Menschheit gibt ein erbärmliches Bild ab beim Versuch, ihre Gier nach fossilen Ressourcen einzuschränken. Daher wächst der Wunsch, dass es vielleicht auch ohne CO2-Einsparung klappen könnte, und zwar mit dem sogenannten Klima- oder Geoengineering, also allerlei aufwendigen technischen Tricks, die den Klimawandel kompensieren sollen.

Der neue Bericht des Weltklimarats IPCC ist keine Ansammlung von Fantastereien - im Gegenteil, er soll den wissenschaftlichen Konsens wiedergeben und eine konkrete Entscheidungsgrundlage für Politiker sein. Trotzdem taucht im aktuellen Bericht erstmals das Thema Klima-Engineering auf, und zwar in seinen beiden umstrittenen Erscheinungsformen: Strahlungsmanagement (SRM), das darauf abzielt, Sonnenstrahlung abzuschirmen, und Kohlendioxid-Entfernung, die bereits emittiertes CO2 aus der Luft holen soll.

Die Aufnahme des Themas in den Bericht war hoch umstritten, sagen Klimaforscher. Daher sind die Formulierungen im Bericht vorsichtig: Die Möglichkeiten von Kohlendioxid-Entfernung seien begrenzt, und Simulationen wiesen darauf hin, "dass SRM-Methoden, falls sie realisierbar sind, das Potenzial haben, einen wesentlichen Teil des globalen Temperaturanstiegs auszugleichen". Sie würden aber "den Wasserkreislauf verändern und die Versauerung des Ozeans nicht verhindern", heißt es in der Zusammenfassung.

Maßnahmen könnten furchtbare Folgen haben

Im Gespräch ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen. Bei den SRM-Methoden geht es darum, zum Beispiel mit feinsten Partikeln in hohen Schichten der Erdatmosphäre eine Art globalen Sonnenschirm aufzuspannen. Schwefelverbindungen könnten das sein, die weit oberhalb der Wolkenschichten platziert werden; wie das funktioniert, lässt sich nach Vulkanausbrüchen studieren. Ähnliches könnte mit von der Erde aus in die Luft geblasenen Teilchen bewirkt werden, die Wasser schneller zu Wolken kondensieren lassen, so dass diese mehr Licht abschirmen. Sogar über große Spiegel im Weltraum wird diskutiert. Das Problem bei all diesen Ideen: Was sie bringen, ist unklar - und sie könnten unabsehbare, furchtbare Folgen haben.

"Mit SRM-Methoden manipuliert man das Erdsystem, und man kann sie nicht global testen", sagt Gernot Klepper, Klimaökonom am Institut für Weltwirtschaft der Universität Kiel. Es wäre aber auch unmöglich, im kleinen Maßstab anzufangen, Partikel in die Stratosphäre zu schicken. Die mögliche Reaktion des Klimas auf die Manipulation ließe sich über wenige Jahre hinweg kaum von natürlichen Temperaturschwankungen unterscheiden. Andersherum gibt es keinen Grund zur Annahme, dass ein globaler Einsatz ohne schädliche Folgen etwa für den Monsun bleibt, selbst wenn es lokal keine Probleme gegeben hat.

Hinzu kommt das politische Problem: Klepper hält es für unmöglich, dass eine solche Maßnahme im internationalen Konsens unternommen würde. "Und ein unilateraler Eingriff von solchem Ausmaß hätte außenpolitisch hohe Kosten", sagt er. Außerdem ist die technische Unsicherheit groß: Vor allem beim Versuch, mit Partikeln Wolken am Himmel zu säen, ist noch lange nicht klar, wie das funktionieren könnte. Und allen SRM-Methoden ist gemein: Hört man irgendwann wieder damit auf, erwischt einen der Klimawandel von hinten - und zwar mit rasantem Tempo. Auch darauf weist der Weltklimarat in seinem Bericht explizit hin.

Es gibt noch viel Forschungsbedarf

Der Ansatz, CO2 aus der Luft zu entfernen, ist bodenständiger, aber verspricht deshalb nicht mehr Erfolg. Vor allem geht es dabei um Pflanzen: Wenn man etwa im großen Stil aufforstete, könnten die wachsenden Wälder der Luft Kohlendioxid entziehen. Tatsächlich ist das auch schon im zweitehrgeizigsten der vier Szenarios vorgesehen, welche die IPCC-Forscher in ihren Modellen verwenden.

Allerdings funktioniert es nur, bis ein Gleichgewicht erreicht wäre, in dem genauso viel Biomasse nachwächst wie verrottet - dabei wird das gespeicherte Kohlendioxid wieder frei. Weitere Effekte wären dann nur zu erzielen, wenn die Waldflächen immer größer werden. Anders wäre es, wenn man alte Bäume nicht einfach zerfallen ließe, sondern zu Pflanzenkohle verarbeitet und im Boden vergräbt; aber große Mengen an Kohlenstoff lassen sich auf diese Weise auch nicht wegpacken.

Eine zweite Möglichkeit wäre, sehr viele energiehaltige Pflanzen anzubauen und das CO2, das beim Verbrennen frei wird, aufzufangen und unter der Erde zu verpressen - das ist im ehrgeizigsten IPCC-Szenario eingeplant. Aber auch das hat große Nachteile, denn wie bei der umstrittenen Abspaltung und Speicherung von Kohlenstoff CCS (Carbon Capture and Storage) muss das anfallende CO2 irgendwo sicher gelagert werden, wo es nicht entweichen kann. Darüber fehlen Erfahrungen.

Zudem gibt es beim Biomasse-Anbau ein ähnliches Problem wie bei der Aufforstung: Man braucht dafür riesige Landflächen, die nicht mehr für die Produktion von Nahrungsmitteln zur Verfügung stehen. Bleibt die Variante, Treibhausgase mit Spezialgeräten direkt aus der Luft zu filtern - aber bislang verbraucht das viel Energie und ist sehr teuer. Und all diesen CO2-Beseitigungstechniken ist gemein: Sie sind langsam. Insgesamt geht aus dem IPCC-Bericht hervor, dass es je nach Methode geschätzt mindestens 120 bis 400 Jahre dauern würde, bis auch nur das in den vergangenen 50 Jahren emittierte Kohlendioxid eingefangen wäre - ganz abgesehen davon, was derweil noch dazukommt.

Sogar Martin Heimann, Direktor am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena und einer der Autoren des Kapitels im IPCC-Bericht, in dem es um Klimaengineering geht, ist skeptisch. "Uns wurde aufgetragen, das zu beschreiben; aber die Meinung im Team war, dass es noch viel Forschungsbedarf gibt." Er hält die Ansätze noch nicht für die Lösung - und was das Aufforsten angehe, wäre es billiger, bestehende Wälder zu schützen.

Der Ökonom Gernot Klepper hat ähnliche Bedenken. Er könne noch damit leben, dass das Thema im Bericht stehe; schließlich gebe es Zigtausende Seiten Forschungsliteratur dazu, sagt er. "Aber wenn es so wirkt, als wäre Geoengineering ein Ersatz für die Vermeidung von CO2-Emissionen - das wäre politisch gefährlich."

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