Klimawandel in Afrika:"Überall fehlt Personal, Geld, Motivation"

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Entwicklungsländer werden den Klimawandel am stärksten zu spüren bekommen. Denn sie haben selten die Möglichkeit, auf Veränderungen zu reagieren.

Julia Groß

Jetzt brennen die Felder wieder. Kleinere und große Rauchschwaden steigen in den Himmel auf, alle paar hundert Meter geht das so, wenn man von Choma im Süden des afrikanischen Staates Sambia in die Hauptstadt Lusaka fliegt.

Bei Ernsteausfällen durch Trockenheit oder Überschwemmungen helfen Menschen in Sambia oft nur noch Hilfslieferungen. (Foto: Foto: AP)

Jedes Jahr zünden die Bauern die Felder an, um Unkraut und Reste der letzten Ernte zu beseitigen. Sobald dann die Regenzeit begonnen hat, pflügen sie die mit schwarzer Asche bedeckten, aufgeweichten Äcker und säen Mais.

Seit Jahrhunderten ist das der Lauf der Jahreszeiten hier im südlichen Afrika. Doch in den vergangenen Jahren war darauf nicht mehr recht Verlass. Mal verzögerte sich der Beginn der Niederschläge, die normalerweise etwa von November bis April dauern; mal ist die nasse Jahreszeit viel kürzer als sonst.

Mal fällt kaum Regen, mal so viel, dass es Überschwemmungen gibt, mal unterbrechen trockene Perioden die gewohnten Niederschläge. Vielleicht sind das Wetterkapriolen, die in den vergangenen zehn Jahren einfach häufiger auftraten. Manche sagen aber, es sei der Klimawandel.

Entwicklungsländer wie Sambia werden die Auswirkungen des Klimawandels weit stärker zu spüren bekommen als die Industrienationen, das prognostizieren die Berichte des Weltklimarates IPCC. Lebensstandard und Infrastruktur haben hier häufig ein Niveau, das für die meisten Deutschen unvorstellbar niedrig ist.

Weder die Regierungen noch die Einwohner selbst verfügen über die nötigen Möglichkeiten, um sich auf Veränderungen einzustellen. Dabei ist Sambia nicht einmal ein bettelarmes Land, in dem Menschen ständig hungern müssen. Vielen Nachbarstaaten geht es noch schlechter.

Frauen tragen die größte Bürde

Sambias gut zwölf Millionen Einwohner verfügen über reichlich fruchtbaren Boden und viele Flüsse. Doch das Bruttoinlandsprodukt beträgt nur 918 Dollar pro Kopf und Jahr, Deutschland kommt auf das 50-Fache dieses Betrags. Und die durchschnittliche Lebenserwartung eines heutigen Säuglings liegt bei nur knapp 44 Jahren.

Zwei Drittel der Einwohner leben von Feldfrüchten, die sie selbst anbauen. Andere Möglichkeiten haben diese Menschen nicht, den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Ganz besonders gilt das für Frauen, wie eine aktuelle Untersuchung des UN-Bevölkerungsfonds ergeben hat. Sie tragen demnach die größte Bürde im Klimawandel, weil sie den größten Teil der Feldarbeit übernehmen und seltener als Männer über eine Berufsausbildung verfügen.

Bereits jetzt sind die Veränderungen im Niederschlagsmuster für viele existenzbedrohend. "Deshalb soll es eine Vereinbarung geben zwischen den Ländern, die den Klimawandel über Jahre verschärft haben, und den Ländern, die eigentlich nichts dazu beigetragen haben, aber jetzt darunter leiden", sagt Peter Höppe, Meteorologe und Chef des Bereichs Georisikoforschung beim Rückversicherer Munich Re.

Zusammen mit der Weltbank und dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung hat er eine Versicherungslösung für klimabedingte Naturkatastrophen erarbeitet. Auch darüber wird in drei Wochen bei der Klimakonferenz in Kopenhagen verhandelt.

Dritte-Welt-Staaten sollen aus der Versicherung Geld für den Wiederaufbau von Infrastruktur oder für Ernteausfälle erhalten - vorausgesetzt, sie haben vorher Maßnahmen ergriffen, um das Risiko von Schäden zu minimieren. Für solche Anpassungsmaßnahmen wiederum soll es einen Fonds innerhalb der Versicherung geben.

Rund zehn Milliarden Euro müssten die Industrieländer pro Jahr für dieses Konstrukt aufbringen. Nicht unbedingt viel, wenn man die Summe mit Bankenrettungspaketen und Konjunkturhilfen vergleicht.

Warum es wahrscheinlich trotzdem keine Versicherung für klimabedingte Naturkatastrophen geben wird, lesen Sie auf Seite 2.

Doch die Zeichen dafür, dass die Weltgemeinschaft sich darauf einigen könnte, stehen momentan schlecht: Zwar rechnet zum Beispiel die Europäische Union damit, arme Staaten könnten zukünftig 100 Milliarden Dollar pro Jahr brauchen, um sich an den Klimawandel anzupassen und gleichzeitig ihre Wirtschaften umweltgerecht auszubauen.

Um die ganze Karte zu sehen, klicken Sie bitte auf das Zoom-Symbol. (Foto: Karte: SZ)

Aber osteuropäische Staaten wie Polen wollen sich an der Summe nicht beteiligen. Es wäre schließlich auch eine Art Schuldeingeständnis der Industrienationen, dass sie Verantwortung für die Veränderungen tragen.

Globus in der Decke

"Ob und für wie lange in Sambia die Regenzeit einsetzt, ist in den vergangenen zehn Jahren immer schlechter vorhersehbar geworden", berichtet Senja Vaaitainen, die die Naturschutzorganisation IUCN in der Hauptstadt Lusaka vertritt. Die meisten der Bauern, mit denen sie und ihre Kollegen gesprochen haben, wussten nichts vom Klimawandel, manche kannten das Wort aus dem Radio.

"Wir erklären ihnen dann, dass die Veränderungen, die sie spüren, daran liegen könnten, was im Norden mit der Industrie passiert. Wir benutzen dazu meistens das Bild von einem Globus, der in eine Decke eingewickelt ist und sich deshalb erwärmt."

Das hilft den Bauern, deren Grundversorgung so gut wie ausschließlich von den jährlichen Regenfällen abhängt, zwar nicht. "Sie sind aber dankbar, dass überhaupt jemand eine Erklärung bietet für das, was ihnen passiert", sagt die junge Finnin.

Ähnliche Berichte sind aus ganz Afrika zu vernehmen. Anders als viele Nachbarstaaten, die nicht einmal über Temperatur- und Niederschlagsmessreihen verfügen, lassen sich die Veränderungen in Sambia aber belegen.

Wissenschaftler um Francis Yamba, Direktor des Instituts für Energie und Umwelt der Universität von Sambia, wiesen an drei Orten in unterschiedlichen Regionen Sambias in den vergangenen 30 Jahren einen stetigen Anstieg der Durchschnittstemperaturen um 0,8 bis 1,5 Grad Celsius nach. An zwei von drei Standorten beobachteten die Forscher im selben Zeitraum, dass die Regenzeit kürzer ausfiel als früher.

Die Ergebnisse von drei Messstationen lassen sich zwar schwerlich zum Trend für ganze Regionen erklären, zumal da die Daten den Anstieg der globalen Mitteltemperatur von 0,8 Grad seit Beginn der Industrialisierung weit übertreffen. Dennoch spiegeln sie die Realität lokal wider.

Keine Ochsen, Esel oder Maschinen

Und glaubt man den Projektionen dreier gängiger Klimamodelle, steht Sambia bis 2070 ein weiterer Temperaturanstieg um bis zu drei Grad bevor. Für die kommenden 60 Jahre errechnete Yamba zudem noch größere Schwankungen im Niederschlagsmuster als bisher.

Den Bauern hilft aber auch das wenig. Bereits die Einrichtung eines Wettervorhersage-Services, der den Beginn der Regenfälle und den besten Zeitpunkt für die Aussaat ankündigen könnte, überfordert Sambias Strukturen.

"Der Meteorologische Dienst sagt zwar, er kann diese Daten liefern. Wir versuchen seit einiger Zeit, ein System einzurichten, bei dem Kontaktpersonen auf Bezirksebene die Vorhersagen per SMS erhalten und dann weiterverbreiten", erklärt Senja Vaaitainen. "Aber überall fehlt Personal, es fehlt Geld, es fehlt Motivation. Es ist manchmal sehr frustrierend."

Die meisten Bauern haben für die Feldarbeit nicht einmal einen Ochsen oder Esel, ganz zu schweigen von Maschinen. So geht es auch Dismus Mwalukwanda, der rund 50 Kilometer von Lusaka entfernt lebt.

Der 40-Jährige bewohnt mit seiner Frau und acht Kindern drei kleine Lehmhütten mitten im Busch. Sein wertvollster Besitz sind ein Fahrrad und ein Handy, das er in der zwölf Kilometer entfernten Krankenstation auflädt, wenn der Akku leer ist.

Die Familie bewirtschaftet knapp fünf Hektar Land - mit Hacke und Spaten. Eine größere Fläche zu bewirtschaften ist für die Familie nicht zu schaffen. Die letzte Ernte war gut, sagt Mwalukwanda, aber davor gab es eine schlimme Dürre.

Alternativen zum Maisanbau

"Der Boden ist ausgelaugt, der Ertrag ist deshalb nicht so hoch. Dünger ist sehr, sehr teuer, das kann ich mir nicht leisten", erklärt der Bauer. Jetzt muss es bald regnen, damit er genug aus den Feldern herausholen kann.

"Wir versuchen, den Bauern Alternativen zum Maisanbau nahezubringen: Imkerei, der Anbau von Maniok, der widerstandsfähiger gegen Dürre ist, grundsätzlich der Einsatz von umwelterhaltenden Anbaumethoden", sagt Senja Vaaitainen.

Auch das Entwicklungshilfeprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) in Sambia plant die Einführung von früher reifendem Saatgut und die Einrichtung von Fischfarmen an Flüssen. Außerdem sollen die Bauern aufhören, ihre Felder abzufackeln, weil das die Luft verschmutzt und die Erosion fördert.

Besser wäre eine manuelle Bodenvorbereitung, und zwar bevor der Regen anfängt, um nicht wertvolle Keim- und Wachszeit zu verlieren. Das ist ein Grundprinzip des sogenannten Conservation Farming, das die Erträge von Mais nahezu verdoppeln kann.

Doch ohne massive Unterstützung werden diese Maßnahmen bei Menschen wie Dismus Mwalukwanda nicht ankommen. Warum, das verrät ein Blick in das Handbuch für Conservation Farming: Demnach arbeiten drei Erwachsene an dieser umweltgerechten Vorbereitung von nur einem Hektar Land vier Wochen. Ein Feuer müssen sie nur entzünden und wieder löschen.

© SZ vom 26.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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