Klimawandel:Grönlands Renn-Gletscher

Die Erderwärmung beschleunigt den Weg der Eiszunge ins Meer. Den Tempo-Rekord hält ein Gletscher in Grönland, der noch dazu immer schneller wird.

Christopher Schrader

Der Kangerdlugssuaq-Gletscher ist sozusagen der Rennfahrer unter den Eismassen Grönlands - im Augenblick überholt er alle. Mit 13 bis 14 Kilometern pro Jahr schiebt er seine Zunge an der Ostküste der Insel in den Atlantik und verliert so jährlich 36 Kubikkilometer Eis.

Klimawandel: Die Gletscher auf der Polarinsel Grönland schmelzen durch den Klimawandel offensichtlich deutlich schneller als bisher bekannt.

Die Gletscher auf der Polarinsel Grönland schmelzen durch den Klimawandel offensichtlich deutlich schneller als bisher bekannt.

(Foto: Foto: dpa)

Nicht nur das ist Rekord in Grönland, der Gletscher wird auch immer schneller. Sein Tempo hat zwischen den Jahren 2000 bis 2005 um das Zweifache zugenommen, der Eisverlust hat sich in zehn Jahren sogar versiebenfacht, wie zwei amerikanische Forscher in Science berichten (Bd. 311, S. 986, 2006).

Klimaexperten machen solche Rekorde Sorgen: Was mit den Eisschilden in der Antarktis und Grönland passiert, wird bestimmen, wie weit die globale Erwärmung den Meeresspiegel ansteigen lässt.

Zurzeit rechnen Klimaforscher mit einer Erhöhung um 21 bis 28 Zentimeter bis zum Jahr 2100. Es gibt dramatischere Prognosen: Schmilzt alles Festlandeis am Südpol, würden die Ozeane um fünf Meter steigen, Grönland könnte weitere sieben Meter beitragen.

Anstieg des Meeresspieges unterschätzt

Das gilt jedoch als unwahrscheinlich, denn nach Angaben von Julian Dowdeswell von der Universität im englischen Cambridge würde es 1000 Jahre dauern, bis das Eis durch Schmelzen verschwunden wäre.

"Doch die Daten über den beschleunigten Fluss der Gletscher deuten darauf hin, dass die bisherigen Zahlen den Anstieg der Ozeane unterschätzen", schreibt Dowdeswell in Science.

Ohnehin gelten Grönland die größeren Sorgen als der Antarktis, denn im Norden steigen die Temperaturen viel schneller als im Süden: Im Südosten Grönlands sind sie in den vergangenen 20 Jahren um etwa drei Grad Celsius geklettert. Also dort, wo der Kangerdlugssuaq-Gletscher liegt.

Die beiden Forscher von der Nasa und der University of Kansas haben mit Satellitenmessungen aus den Jahren 1996, 2000, 2004 und 2005 die Veränderung kartiert. In diesem Zeitraum hat sich der gesamte Eisverlust von 91 auf 224 Kubikkilometer jährlich erhöht.

Alle Gletscher fließen im Mittel schneller, und der Anteil am Eisverlust, der nur auf diesen Fluss zurückgeht, hat sich von 50 auf 150 Kubikkilometer verdreifacht.

Grönland ist ein Sorgenkind

"Der Klimawandel hat verschiedene Folgen, aber generell kann man sagen, wenn man den Eisschild aufheizt, fließt das Eis schneller", sagt Eric Rignot vom Jet Propulsion Labor der Nasa in Pasadena, einer der Autoren.

Mehr Schmelzwasser an der Fläche zum Fels lasse das Eis schneller gleiten. Grönland trägt nun etwa 0,6 Millimeter zum jährlichen Anstieg des Meeresspiegels von drei Millimetern bei.

Bislang lässt sich der Trend erst südlich des 66. Breitengrades festmachen: "Die Nordhälfte Grönlands wartet noch", sagt Rignot, "aber ich glaube, nicht mehr lange."

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