Klimawandel:Die drei Plagen der Weltmeere

Dead fish are seen at the Rodrigo de Freitas lagoon in Rio de Janeiro

Tausende tote Fische wurden bei Rio de Janeiro angespült. Umweltverschmutzung hatte den Sauerstoffgehalt des Wasssers sinken lassen.

(Foto: REUTERS)

Die Ozeane werden saurer, wärmer und sauerstoffärmer. Damit dürften noch mehr Küstengewässer als bisher zu "toten Zonen" werden. Doch nicht nur das Meer ist bedroht - auch die Menschen.

Von Christopher Schrader

Der Zustand der Weltmeere ist kritisch: Der Sauerstoffgehalt des Wassers nimmt ab, sein Säuregehalt zu, die Temperaturen steigen, der Lebensraum vieler seiner Bewohner wird kleiner. Statt von Hoffnung müsse man mit Blick auf die Zukunft inzwischen von Verzweiflung sprechen, warnen die Forscher des Internationalen Programms zum Zustand der Ozeane IPSO und der Weltnaturschutzunion IUCN.

Die Forscher haben ihre Bestandsaufnahme in fünf Aufsätzen zusammengefasst, die jetzt in der Fachzeitschrift Marine Pollution Bulletin veröffentlicht werden. "Die Öffentlichkeit und die Politiker erkennen meist nicht, wie ernst die Situation ist - oder sie haben beschlossen, es zu ignorieren", verkünden die Wissenschaftler.

So sei die Fischereiaufsicht in fast zwei Dritteln der Staaten ungenügend; keine Nation erreiche bei der Überprüfung ein "Gut", schreiben Tony Pitcher und sein Kollege William Cheung von der University of British Columbia in Vancouver.

Deutschland erfüllt der Analyse zufolge wie etliche andere EU-Staaten gerade einmal 40 Prozent der international vereinbarten Ziele, die der Verhaltenskodex der Welternährungsorganisation FAO vorsieht. In internationalen Gewässern gibt es nur dann Fangquoten, wenn sich die Anrainerstaaten darauf in komplizierten Verhandlungen einigen. Schiffe unter anderen Flaggen sind davon nicht betroffen; ein Drittel des weltweiten Fangs werde zudem nirgendwo registriert, besagen Schätzungen.

Ein "tödliches Trio" bedroht den Forschern zufolge die Wasserqualität der Weltmeere: Übersäuerung, Erwärmung und Sauerstoffarmut, die sich in ihren Effekten gegenseitig verstärken. "Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile", warnt der Bericht. Der pH-Wert der Meere sei bereits um einen Zehntel-Punkt Richtung Säure gesunken, bis 2100 könnte es ein halber Punkt werden.

Gefahr auch für die Menschheit

Bis dahin nimmt der Sauerstoffgehalt des Wassers womöglich um bis zu sieben Prozent ab, warnen die IPSO-Forscher. Noch mehr Küstengewässer als bisher schon dürften zu "toten Zonen" werden, weil Flüsse übermäßig eingesetzten Dünger aus der Landwirtschaft ins Meer tragen. Und außerdem habe sich das Meer an der Oberfläche um 0,6 Grad erwärmt, schon 2050 könnte es laut Weltklimarat ein ganzes Grad sein.

"Diesen Fingerabdruck der Veränderungen sehen wir auch bei Massenaussterben in der Vergangenheit", sagt der Meeresbiogeologe Jelle Bijma vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven in einem Interview über den Bericht auf Youtube. "Aber damals gab es noch keine Menschheit, keine Überfischung und keine Schadstoffbelastung. Daher werden die Folgen in der Zukunft schlimmer sein."

Die Gefahren für das Meer bedrohen auch die Menschheit direkt, betonen die Forscher. "Jeder Schluck Wasser, den Sie trinken, und jeder Atemzug, den Sie nehmen, verbindet Sie mit den Weltmeeren", sagt Dan Laffoley von der IUCN. Um weiter von den Meeren profitieren zu können, müssten die Staaten der Welt daher dringend die Emissionen von Treibhausgasen wie Kohlendioxid oder Methan verringern.

Ihr Gehalt in der Atmosphäre dürfe von zurzeit mehr als 400 ppm (Moleküle pro Million Luftmoleküle) nicht weiter ansteigen als auf das Äquivalent von 450 ppm CO2, um den Temperaturanstieg auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. Ab dem Grenzwert werde das Wasser so sauer, dass Korallen Probleme hätten, ihre Skelette aufzubauen und zu behalten. Außerdem fordern die Wissenschaftler internationale Verträge zum Schutz der Meere und eine internationale Organisation mit der Autorität, auf hoher See die Bestimmungen durchzusetzen.

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