Klimawandel:Darf's noch etwas mehr sein?

Klimawandel: Auf den Marshallinseln verschwinden - nicht nur wie hier bei Sturm - immer mehr Mangrovenwälder und strandnahe Siedlungen durch den ansteigenden Meeresspiegel.

Auf den Marshallinseln verschwinden - nicht nur wie hier bei Sturm - immer mehr Mangrovenwälder und strandnahe Siedlungen durch den ansteigenden Meeresspiegel.

(Foto: AFP)

Computer sagen schon seit Langem den Anstieg des Meeresspiegels voraus. Reale Daten beweisen nun: Die meisten Ergebnisse waren noch zu niedrig. Das Abkommen von Paris ist da auch keine Hilfe.

Kommentar von Patrick Illinger

Der klimabedingte Anstieg des Meeresspiegels beschleunigt sich. Diese Nachricht kommt einem irgendwie bekannt vor: Hat das nicht schon der Weltklimarat im Jahr 2001 gesagt? Oder war es 2007? Ja, seit es die Klimatologie gibt, ist der steigende Meeresspiegel einer der wirklich gefährlichen Aspekte des Klimawandels; er gefährdet zunehmend die an den Küsten angesiedelte menschliche Zivilisation.

Was also ist neu an dieser Nachricht vom beschleunigten Anstieg des Meeresspiegels? Nun, bisher waren genaue Zahlen für die Zukunft vor allem Theorie. Sie waren fundiert, aber eben das Ergebnis von Berechnungen mit monströsen Supercomputern. Zudem müssen bei solchen Prognosen stets verschiedene Szenarien durchgespielt werden: Mal nimmt man an, dass die Menschheit mehr für den Klimaschutz tun werde - und mal weniger.

Jetzt aber haben die Forscher der University of Colorado reale Daten von Erdbeobachtungssatelliten ausgewertet und mit den Computermodellen verglichen. Sie zeigen, dass sich der Anstieg nicht nur in den Elektronenhirnen beschleunigt. Die Ozeane schwellen an - und zwar übereinstimmend mit den pessimistischen Computer-Szenarien, die annehmen, dass es der Menschheit nicht gelingt, ihren Ausstoß von Treibhausgasen auf angemessene Weise einzudämmen. Der jetzt in real gemessene Anstieg übertrifft die Prognosen gemäßigter Szenarien um mehr als das Doppelte. Und selbst das könne nach Angaben der Forscher noch übertroffen werden, wenn das fragile Gleichgewicht der Eisschilde auf Grönland und in der Antarktis in Bewegung gerät.

Konfrontiert man solche Erkenntnisse mit den aktuellen weltweiten Anstrengungen in Sachen Klimaschutz, bleibt nur Kopfschütteln. Nicht einmal das Abkommen von Paris, so sehr man die gemeinsame globale Willensbekundung begrüßen muss, ist genug, um die globale Erwärmung gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter auf weniger als zwei Grad zu beschränken - und selbst diesen Vertrag behandelt US-Präsident Trump so leichtfertig wie einen unbeliebten Immobiliendeal.

In der Realität bedeutet das: Im Jahr 2100 werden die Pegel an den Küsten unausweichlich mindestens 65 Zentimeter höher sein. Darf's noch ein bisschen mehr sein? Dann müssen wir Menschen nur so weitermachen wie bisher.

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