Klimaskeptiker-Konferenz:Bericht aus dem Zentrum des Zweifels

Treibhauseffekt und Erderwärmung - alles eine riesige Lüge? Ein Besuch bei den Leugnern des Klimawandels zeigt: Hier geht es nicht um Skepsis. Hier geht es um das kategorische Verneinen wissenschaftlicher Erkenntnisse. Und um Wut.

Patrick Illinger

Am Morgen des zweiten Konferenztages wird es skurril. Da betritt ein schlanker, lebhafter Brite namens Piers Corbyn die Bühne und überfällt das Publikum mit einem Feuerwerk grotesker Thesen darüber, wie Sonne, Mond und das Erdmagnetfeld das irdische Wettergeschehen bestimmen.

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Ein Braunkohlekraftwerk in Brandenburg. Manche Menschen zweifeln daran, dass der Ausstoß von Kohlendioxid einen Effekt auf das Klima hat.

(Foto: dpa)

Eine allumfassende Theorie habe er entwickelt, berichtet Corbyn, extreme Unwetter könne er mit 85 Prozent Sicherheit vorhersagen - und das Monate im Voraus. Listenweise präsentiert er Fluten, Starkregen, Blizzards und schwere Dürren, die er alle mit seiner geheimnisvollen Theorie korrekt vorhergesagt habe.

Die Zuneigung des Publikums sichert er sich mit Scherzen über etablierte Klimaforscher, denen er schon Paroli bot. Als sich der selbsternannte Wetterguru schließlich in die Behauptung versteigt, seine Theorie könne sogar Erdbeben und Vulkanausbrüche erklären, macht sich doch eine gewisse Ratlosigkeit unter den Zuhörern breit.

Ob er da nicht ein bisschen übertreibe, fragt höflich ein älterer Herr. Keineswegs, kontert Corbyn, noch könne er seine Formeln zwar nicht öffentlich enthüllen, aber das werde bald der Fall sein, "und es wird Sie begeistern!"

Auf jeder ernsthaften Wissenschaftlertagung würde ein derartiger Auftritt entweder Lachsalven provozieren oder einen Eklat. Aber nicht hier, nicht auf der "4. Internationalen Konferenz über Klima und Energie", die am vergangenen Wochenende in München stattfand. Zu ernst ist den Organisatoren und Teilnehmern das höhere Ziel dieses Treffens.

Nicht weniger als eine weltumspannende Verschwörung soll enthüllt werden. Den Klimawandel gilt es als riesige Lüge zu entlarven, eine drohende grün-sozialistische Weltdiktatur abzuwenden und die Menschheit von den düsteren Szenarien des Weltklimarats IPCC zu erlösen. Wer dieses Ansinnen teilt, darf hier vortragen. Offenbar ohne Rücksicht auf wissenschaftlichen Gehalt.

Klimaskeptiker" nennen sich die Zweifler des Klimawandels gern selbst. Doch Ton und Inhalt der meisten Vorträge zeigen: Hier geht es nicht um Skepsis, hier geht es um knallhartes Leugnen, um das kategorische Verneinen jeder wissenschaftlichen Erkenntnis, die menschengemachtes Treibhausgas mit der globalen Erwärmung in Zusammenhang bringt. Auch ist spürbar viel Wut im Spiel. Wut auf den Weltklimarat, auf Al Gore, auf die Politik und besonders auf die willfährigen Medien.

Nicht der Klimawandel sei die Katastrophe, "sondern die Berichterstattung in den Medien", schimpft Klaus-Eckart Puls, der früher die Wetterämter von Essen und Leipzig leitete. Bei der Münchner Tagung fällt ihm die Aufgabe zu, Berichte über steigende Meeresspiegel als Panikmache zu entkräften.

Mehrmals beruft er sich dabei auf den von Klimawandel-Leugnern gerne zitierten schwedischen Forscher Nils-Axel Mörner. Unter Protest sei dieser einst aus dem Weltklimarat ausgeschieden, betont Puls. Tatsächlich wurde Mörner lediglich im IPCC-Sachstandsbericht von 2001 einmal zitiert und taucht im Anhang als Reviewer auf. Reviewer konnte aber jeder werden, der sich meldete. Mörners eigene Organisation, die International Union for Quaternary Research, distanzierte sich 2004 von ihrem Mitarbeiter und löste dessen Arbeitsgruppe auf. Was Puls auch unerwähnt lässt: Zeitlebens war jener Mörner ein glühender Verfechter des Wünschelrutengehens.

Auch dass Puls als pensionierter Diplom-Meteorologe kaum als wissenschaftliche Instanz in Fragen des Meeresspiegelanstiegs gelten kann, stört niemanden. Seine Seitenhiebe auf "diese Institute" - gemeint sind das Alfred-Wegener-Institut und das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung - quittiert das Auditorium mit freundlichem Gelächter. Die meisten der Zuhörer sind pensionierte, grauhaarige Männer mit höflichen Umgangsformen. Viele kennen sich offenbar gut, vielleicht kein Wunder, schließlich ist es bereits das vierte Treffen dieser Art, und so mancher Redner trat schon bei früheren Tagungen auf.

Viele Fragen sind tatsächlich ungeklärt

Nun ist es nicht so, dass es über die Grundlagen des Klimageschehens nichts mehr zu diskutieren gäbe. Viele Fragen sind ungeklärt, wie etwa die Details der Wolkenbildung. Theoretisch könnte es sogar sein, dass die etablierte Klimaforschung von der Nasa bis zum Alfred-Wegener-Institut, von der Harvard University bis zur chinesischen Akademie der Wissenschaften, von Max-Planck-Instituten bis zur britischen Royal Society, durchweg Unrecht hat.

Tatsächlich gehört es zum wissenschaftlichen Erkenntnisprozess, im Fall überzeugender neuer Daten frühere Thesen über Bord zu werfen. Theoretisch könnte es also sein, dass Jahrzehnte der Klimaforschung von renommiertesten Instituten bis hin zu Nobelpreisträgern auf einen Irrweg geführt haben, und die Wahrheit über den Klimawandel im Untergeschoss eines Hotels am Münchner Hauptbahnhof enthüllt wird. Aber es braucht schon sehr viel Phantasie, um eine Weltverschwörung niederträchtiger Ökokraten zu vermuten, angetrieben von einem Kartell fördermittelgeiler Wissenschaftler.

So oder so ähnlich sehen es aber viele Leugner des Klimawandels. Eine aus Kanada angereiste Bloggerin vergleicht den Weltklimarat mit einem kriminell gewordenen Jugendlichen.

Ein britischer Blogger extrahiert Indizien unwissenschaftlichen Verhaltens aus E-Mails, die von einem Computer der University of East Anglia gestohlen und auf einer russischen Website veröffentlicht wurden.

Nachdem mehrere Untersuchungskommissionen diesen in Skeptikerkreisen "Climategate" genannten Skandal bereits als Skandälchen entkräftet haben, stellen die Kritiker nun die Unabhängigkeit der Kommissionen infrage.

Schwer erträglich wird es am Morgen des zweiten Konferenztages, als der emeritierte Leipziger Geographie-Professor Werner Kirstein seine Redezeit für pseudosoziologisches Geschwurbel missbraucht. Die Klimadiskussion sei ähnlich wie das Christentum von apokalyptischen Vorstellungen erfüllt.

Mit Angstinstrumenten und Schuldgefühlen werde agiert, der CO2-Emissionshandel sei eine Art Ablasshandel, und das Gutmenschentum stilisiert der ehemalige Fernerkundungsexperte zu einer modernen "Ersatzreligion". "Vielleicht kommt es noch zur Hexenverbrennung", witzelt Kirstein. Derlei Polemik goutiert das Publikum mit zustimmendem Gemurmel.

Deutlich mehr wissenschaftlichen Gehalt liefert der Vortrag eines emeritierten Gletscherforschers aus Innsbruck. Aus Baumring-Analysen schließt Gernot Patzelt: Vor mehreren tausend Jahren waren manche Alpengletscher stärker zurückgeschmolzen als heute, ein Anzeichen natürlicher Klimavariabilität. Doch weiß auch er, dass die Gebirgsgletscher nur einen winzigen Bruchteil der irdischen Eisflächen ausmachen. Unerwähnt lässt er zudem, dass der Gletscherschwund auch in den Alpen wohl noch nie so schnell vonstatten ging wie in den vergangenen Jahrzehnten.

Auch einige Physiker lieferten interessante Diskussionsansätze, so zum Beispiel der ehemalige Professor für Strömungslehre Horst-Joachim Lüdecke. In historischen Temperaturreihen sucht er nach Autokorrelationen, ähnlich wie es Analysten mit Börsenkursen tun. In dem Bemühen, die Erwärmungskurven der großen Forschungsinstitute wie der Nasa oder der US-Atmosphärenbehörde kleinzurechnen, verschweigt Lüdecke jedoch, was seriöserweise zu diesem Thema gesagt werden müsste: dass es kürzlich eine neue, umfassende und unabhängige Untersuchung aller Temperaturdaten der vergangenen 200 Jahre gab.

Aufgeschreckt von "Climategate" hatte sich eine Gruppe anerkannter Physiker, unter ihnen der Astrophysiker Richard Muller und der diesjährige Nobelpreisträger Saul Perlmutter, darangemacht, die verfügbaren Rohdaten der Vergangenheit von Grund auf zu analysieren. Wohl in der Hoffnung, dass hierdurch der Klimawandel als Phantom entlarvt würde, finanzierte sogar die bekanntermaßen klimakritische amerikanische Koch-Stiftung diese Studie mit 150.000 Dollar.

"Ich bin es gewohnt, dass mich Leute für irr halten"

Doch das Physikerteam, das sich den Namen Berkeley Earth Surface Temperature gab, kam zu dem Schluss: Die Erdoberfläche hat sich in den vergangenen 50 Jahren um 0,911 Grad Celsius erwärmt, was nahezu exakt mit den Ergebnissen vorangegangener Analysen übereinstimmt. Diese erst einen Monat alte Erkenntnis fand keine Erwähnung in der Skeptiker-Versammlung. Für fachliche Objektivität spricht das nicht.

Ebenfalls unbeeindruckt von konkurrierenden Erkenntnissen präsentierten drei Physiker Alternativen für die CO2-dominierten Klimamodelle. Der Slowake Jan Veizer hält den CO2-Haushalt der Erdatmosphäre für unbeeinflussbar. Das vermeintliche Klimagas folge schlicht dem weitaus dominanteren Wasserdampfkreislauf, sagt Veizer.

Einen direkten Zusammenhang zwischen kosmischer Strahlung und dem Wettergeschehen sieht hingegen der israelische Astrophysiker Nir Shaviv. Seiner Theorie zufolge schwankt das Erdklima je nachdem, ob die Erde gerade einen Spiralarm der Milchstraße durchquert. Dann prasseln mehr hochenergetische Partikel aus dem All in die Atmosphäre und fördern die Wolkenbildung. Physikalisch ist das eine interessante Deutung.

Allerdings ist sie bereits widerlegt. Die globale Erwärmung der vergangenen 100 Jahre zeigt keine Übereinstimmung mit Schwankungen der kosmischen Strahlung. Das stört Shaviv nicht: "Ich bin es gewohnt, dass mich Leute für irr halten."

Dass kosmische Partikel in der Tat wie Wolkenkeime wirken können, darüber freut sich der dänische Physiker Henrik Svensmark. Diesen Mechanismus untersucht er seit Jahren, und nun haben Teilchenphysiker am CERN mit einem künstlichen Partikelstrahl und einer riesigen Atmosphärenluftkammer tatsächlich nachgewiesen, dass schnelle Teilchen winzige Wolkenkeime herstellen.

Doch verschweigt Svensmark vor den Klimawandelskeptikern eine entscheidende Information: Dieser Mechanismus könne allenfalls einen Bruchteil der Wolkenkeime erklären, die man auf der Erde beobachtet, sagen die CERN-Physiker.

An derlei Kritik oder Diskussionsstoff war auf der Skeptiker-Konferenz niemand interessiert. Auch störte sich kaum jemand an den Widersprüchen, die sich aus den Referaten selbst ergaben. Da wurde einerseits die Erderwärmung bestritten, andere Redner hingegen lieferten Theorien darüber, was die Erwärmung statt des menschengemachten Kohlendioxids antreiben könnte. Und der eingangs genannte Wetterguru Piers Corbyn nannte die Thesen seines Vorredners Nir Shaviv nebenbei "geisteskrank".

Unter Skeptikern ist es offenbar egal, welche These man bekämpft. Die von der Erderwärmung generell. Oder die von der CO2-betriebenen Erwärmung. Oder die von der Erwärmung durch menschengemachtes CO2. Egal. Hauptsache dagegen.

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