Erderwärmung:Staaten haften für ihre Klimasünden

Dürre

Der Norden Kenias wurde 2009 von einer schweren Dürre getroffen - könnte eine Klimaversicherung Schäden für Kleinbauern künftig abfedern?

(Foto: dpa)

Die reichen Länder bieten den armen beim Klimagipfel eine Versicherung gegen Dürren, Überschwemmungen und Ernteausfälle an. Doch die Klimapolice hat einen Haken.

Kommentar von Michael Bauchmüller

Der erste Versicherungsfall liegt genau ein Jahr zurück: eine Dürre. Monatelang hatten Bauern in Niger, Mauretanien und Senegal vergeblich auf Regen gewartet. Als die Ernte schließlich dahin war, sprang die Versicherung ein. 26 Millionen Euro erhielten die drei Länder; in der Hoffnung, dass es bei den Betroffenen auch ankommt. Unter den vielen Ideen, wie sich erste Folgen des Klimawandels lindern lassen, ist das derzeit noch eine der konkretesten.

Bei der Klimakonferenz in Paris haben Industriestaaten nun 420 Millionen Dollar zusammengetragen, eine Art Anschubfinanzierung für viele weitere Klimapolicen - und eine Geste des guten Willens. Um die 180 Millionen Menschen sollen sich damit versichern lassen; es ist die erste Tranche eines Versprechens, das der Reichen-Klub G 7 im Sommer in Elmau abgab. Ganze Staaten, aber auch einzelne Kleinbauern können so auf schnelle Hilfe in der Katastrophe hoffen. 400 Millionen potenzielle Klimawandel-Betroffene sollen davon in den nächsten Jahren profitieren. Es ist ein kleiner Schritt für den, der womöglich sein Hab und Gut verloren hat, ein großer aber für die Industriestaaten.

Von den Schäden, die der Klimawandel so nach sich zieht, wollten die reichen Länder nämlich lange nichts wissen - gerade weil ihre Verantwortung so groß ist. Wer sonst schließlich sollte für steigende Meeresspiegel, verheerende Stürme oder häufigere Dürren aufkommen, wenn nicht diejenigen, die mit ihrem Wachstumsmodell einen Großteil des Problems erst verursacht haben? Doch um das Wort "Haftung" machen die Industrieländer seit jeher einen großen Bogen, auch bei der Klimakonferenz in Paris. Zumal sich nie ganz klar sagen lässt, welche Dürre und welcher Sturm allein, hauptsächlich oder nur unter anderem eine Folge der Erderwärmung ist. Der Klimawandel hinterlässt keine Visitenkarten.

Die Versicherung für arme Länder ist eine elegante Lösung

Klima-Versicherungen sind da eine vergleichsweise elegante Lösung. Sie funktionieren nach demselben Prinzip wie andere Versicherungen auch. Die Gesunden zahlen für die Kranken, die Jungen für die Alten - und die vom Klimawandel Verschonten für jene, die er erwischt hat. Und wie andere Versicherungen kann auch diese von ihren "Kunden" Vorleistungen verlangen. Zum Beispiel, dass ein versicherter Staat Vorsorge für den Katastrophenschutz betreibt - und so die Schäden gering hält. Ist die Katastrophe dann da, zahlt die Versicherung schnell und unkompliziert für erste Hilfe und Ernteausfall. So charmant ist die Idee, dass sich die Industriestaaten damit fast aus der Affäre ziehen könnten. Doch der Haken an der Sache ist der Klimawandel selber.

Denn je größer die Folgen sind, desto schwerer lassen sie sich versichern. Häufigere Dürren strapazieren die Versicherung und treiben die Prämien in die Höhe. Die Gefahren steigender Meeresspiegel sind nicht versicherbar - wer versichert schon ein Haus, dessen Totalverlust nicht Risiko, sondern Gewissheit ist? Nicht umsonst heißt das entsprechende Kapitel im Vertragsentwurf "Loss and damage": Verlust und Schaden. Es zählt zu den umstrittensten Themen bei den Verhandlungen.

Das Signal der G 7 kommt deshalb zur rechten Zeit, als Signal der Verantwortung. In diesen entscheidenden Tagen in Paris achten Entwicklungsländer genau darauf, was von großen Versprechungen zu halten ist. Das gilt auch für jene 100 Milliarden Dollar, mit denen reiche Staaten von 2020 an Entwicklungsländern dabei helfen wollen, sich auf den Wandel des Klimas einzustellen. Ein Abkommen wird es nur geben, wenn beide Fragen geregelt sind: die Hilfen für die Ärmsten und der Kampf gegen die Erderwärmung. Letzterer aber bleibt die beste Vorsorge dafür, dass die Versicherung nicht zusammenbricht - unter der Last der Schäden, die sie regulieren muss.

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