Klimakonferenz in Paris:Dieses Papier soll das Weltklima retten

Klimakonferenz Paris

Aktivisten der NGO Avaaz haben sich als Yoda und als Stormtrooper aus Star Wars verkleidet und demonstrieren für einen ambitionierten Klimavertrag.

(Foto: AFP)
  • Die Staaten haben auf der Klimkonferenz in Paris den Entwurf für einen neuen Vertrag vorgelegt.
  • Er enthält das Zwei-Grad-Ziel und sieht Bemühungen um eine Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad vor.
  • Jetzt müssen die Delegierten abstimmen, damit das Abkommen in Kraft treten kann.

Von Michael Bauchmüller, Paris

Es geht auch um Symbole in den letzten Stunden der Klimakonferenz. Etwa um jenes Symbol, das die Europäer sich ausgedacht haben, zusammen mit ihrer Koalition der Ehrgeizigen, der "coalition of ambition". Als Frankreichs Außenminister Laurent Fabius für den Mittag in der Plenarsaal bittet, da marschieren die Ehrgeizigen gemeinsam hin: Die Abgesandten der EU, der USA und einer Reihe von Inselstaaten.

Geschlossenheit soll das Signal sein in diesen entscheidenden Stunden von Paris. Noch am Freitagabend hatte sich auch Brasilien der Koalition angeschlossen. Gemeinsam wollen sie ihre eigenen alten Machtblöcke aufbrechen, welche die Welt in Nord und Süd aufteilten. Als sie in den Plenarsaal einziehen, gibt es Applaus, Delegierte erheben sich von den Stühlen. Kurz danach ziehen auch UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon und Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande ein. In Paris haben die Stunden der Gefühle begonnen.

Klimakonferenz Paris Koalition der Ehrgeizigen

Kurz bevor der finale Vertragsentwurf auf der Klimakonferenz in Paris vorgestellt wird, sammeln sich die Mitglieder der "Koalition der Ehrgeizigen".

(Foto: Michael Bauchmüller/SZ)

Nächtelange Verhandlungen, Feilschen um Formulierungen

"Heute ist ein Moment der Wahrheit", appelliert Laurent Fabius. "Unsere Verantwortung für die Geschichte ist immens." Ban Ki-Moon spricht "vom entscheidenden Moment einer langen Reise". "Lasst uns den Mut haben, diese Gelegenheit zu ergreifen." Und Frankreichs Präsident Hollande fordert die Delegierten auf, den 12. Dezember zu einem "historischen Tag, zu einer Botschaft des Lebens" zu machen. "Was uns hier zusammenbringt, ist der Planet selbst."

Die Konferenz steht kurz vor ihrem kritischsten Punkt. Derzeit brüten die Staaten über einem neuen Textentwurf. Er soll helfen, die Erderwärmung auf höchsten zwei Grad Celsius zu begrenzen, nach Möglichkeit sogar auf 1,5 Grad. Um das zu erreichen, sollen die Staaten ihre Klimaschutzpläne alle fünf Jahre überarbeiten - und dürfen sie dabei nicht verschlechtern. Industriestaaten sollen von 2020 an jährlich mindestens 100 Milliarden Dollar für den Klimaschutz bereitstellen.

Doch bis zuletzt stritten die Delegationen darum, wer in Zukunft welche Verpflichtungen im Klimaschutz auf sich nimmt. Sind es nur die Industriestaaten? Oder auch große Schwellenländer wie China? Und was ist dann mit dem zwar großen, aber weit ärmeren Indien? Wie die Staaten den Entwurf aufnehmen, ist noch völlig unklar.

Das sind die Kernpunkte des Entwurfs von Fabius

  • Fernziel: In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts soll die Welt ihre Treibhausgas-Emissionen auf null senken. Sie kann Emissionen auch kompensieren, etwa durch Aufforstung oder die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid. Zielmarke ist eine Erderwärmung "deutlich unter" zwei Grad Celsius, mit dem Ziel, noch 1,5 Grad zu erreichen. "Das läge auf der Linie wissenschaftlicher Empfehlungen", sagt Hans Joachim Schellnhuber, Chef des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung. Auch Greenpeace spricht von einem "Wendepunkt"
  • Verpflichtungen: Alle Staaten sollen Pläne vorlegen, wie sie das Ziel erreichen, und zwar alle fünf Jahre. Industrieländer sollen dabei die Führung übernehmen und sich feste Ziele für die Minderung ihrer Emissionen setzen. Nach Möglichkeit sollen das auch Schwellenländer tun, sie werden aber nur dazu "ermutigt".
  • Mechanismus: Erstmals 2018 soll überprüft werden, ob die Staaten mit ihren Plänen das Fernziel erreichen können, danach alle fünf Jahre. So sieht es der so genannte Entscheidungstext vor, der neben dem neuen Abkommen steht. Er regelt vor allem, was schon vor dem Jahr 2020 geschehen soll, wenn das neue Abkommen in Kraft tritt. Darin lässt sich auch nachlesen, dass die bisher eingereichten Klimapläne bei weitem nicht reichen, also nachgebessert werden müssen.
  • Geld: Die reichen Staaten sollen Finanzen bereitstellen, um den armen zu helfen im Kampf gegen die Erderwärmung. Schon 2009 in Kopenhagen hatten sie dafür von 2020 an 100 Milliarden Dollar jährlich zugesagt. Die konkrete Summe wird, wohl aus Rücksicht auf die USA, im Abkommen nicht erwähnt, dafür aber im Entscheidungstext. Bis 2025 soll ein neues Ziel entstehen. Andere Länder, etwa China, können auch Geld beitragen, müssen aber nicht.
  • Entschädigung für Klimaschäden: Entwicklungsländer hatten sich hier eine Art Haftung gewünscht, für Schäden, die jetzt bereits auftreten. Sie konnten sich damit nicht durchsetzen. Stattdessen werden die Schäden nun anerkannt - was für sich aber auch schon ein Fortschritt ist. Auf eine "kooperative und fördernde Art und Weise" sollen die Staaten nun an die Schäden herangehen. "Kooperation allein sollte Verpflichtungen nicht ersetzen", kritisiert die Hilfsorganisation Acion Aid. Dennoch sei das Abkommen ein "Haken", mit dem sich arbeiten lasse. "Paris ist erst der Beginn der Reise."

Der Moment der Wahrheit steht kurz bevor

Am frühen Abend wollen die Staaten wieder zusammentreten, dann kommt der Moment der Wahrheit. Dann werden die Delegierten, insbesondere die der großen Ländergruppen, erklären müssen, ob sie mit dem Kompromiss leben können oder nicht. Können sie es nicht, wird es stundenlange Nachverhandlungen geben müssen.

Eindringlich warnten Fabius und Hollande vor einem Szenario wie in Kopenhagen. 2009 sollte dort schon einmal eine Klimakonferenz einen globalen Vertrag schaffen, doch die Staaten gingen im Streit auseinander. "Wir müssen uns vor destruktiven Entwicklungen hüten", warnte Fabius. "Keiner will eine Wiederholung dessen, was in Kopenhagen passiert ist." Es dürfe nun nicht mehr um "rote Linien" gehen, die einzelne Staaten nicht überschreiten wollten, "sondern um grüne Linien für den Planeten", verlangte Fabius.

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