Klimakonferenz in Doha:Letztes Aufbäumen der Umweltbewegten

UN-Klimakonferenz in Doha

Umweltaktivisten gehören zu den Klimakonferenzen. Doch zunehmend macht sich Frustration unter ihnen breit.

(Foto: dapd)

Während die Klimakonferenz in Doha in die entscheidende Phase geht, wollen Umweltorganisationen zum Abschluss noch einmal Druck aufbauen. Doch die ersten Aktivisten fragen sich schon, ob der Aufwand überhaupt lohnt.

Von Michael Bauchmüller, Doha

Die Gruppe ist nicht groß, aber mutig. Sie hat sich in der Halle eingefunden, dann schmettert sie ihren Song. "Do it now" heißt ihr Lied: Mach es jetzt. "Make it greener, make it cleaner", und so weiter. Ein kleiner, verzweifelter Haufen von Umweltschützern und Aktivisten, am offiziell letzten Tag der Klimakonferenz in Doha. "Wenn wir Leute dazu bringen, miteinander zu singen, müssen wir doch auch 194 Staaten dazu bewegen können, zusammenzuarbeiten", sagt Nic Balthazar, ein belgischer Filmemacher. Das sei zwar nicht sehr wahrscheinlich, schiebt er nach. Aber Kunst sei eben das Ruder der Gesellschaft. "Selbst wenn man ein Ruder nur ein wenig bewegt, macht das zwei Meilen später einen riesen Unterschied", sagt Balthazar. "Und das Boot fährt am Eisberg vorbei."

Es ist ein letztes Aufbäumen der Umweltbewegten, genau so wie ein Stockwerk tiefer. Während oben das Lied noch ein drittes und viertes Mal wiederholt wird, der Kameras wegen, geben unten sieben deutsche Umweltorganisationen eine Pressekonferenz. Eine seltene Allianz, von BUND, Greenpeace, WWF, Nabu, Germanwatch und Oxfam. Gemeinsam greifen sie die deutsche Bundesregierung an. Es fallen harte Worte. Vom "Tiefpunkt europäischer Klimapolitik", "substanzlosen Ankündigungen", einer deutschen Kanzlerin, die verwalte statt zu gestalten. "Merkel muss jetzt wieder in die Bütt", verlangt Christoph Bals von Germanwatch. Schließlich sei das Klima ihr doch mal wichtig gewesen. So schlecht stehen die Dinge.

Bis zum offiziellen Ende sind es nur noch wenige Stunden, zehn Tage Verhandlungen sind vorbei. Doch im Plenum erklärt gerade ein Staat nach dem anderen, warum er mit dem aktuellen Kompromissvorschlag nichts anfangen kann. Die Klimakonferenz von Doha - am letzten Tag steht alles auf der Kippe.

Die EU etwa hat einen kleinen gemeinsamen Nenner gefunden bei der Frage, wie mit der "heißen Luft" zu verfahren ist, 20 Jahre alten Emissionsgutschriften für ehemalige Ostblockländer. Doch die Entwicklungsländer halten nichts davon - sie fürchten scheunentorgroße Schlupflöcher in Zukunft, und das nicht zu Unrecht.

Katastrophenfilm mit Happy End

Umgekehrt hätten die Ärmsten gerne einen Mechanismus, mit dem Schäden infolge des Klimawandels kompensiert werden, wenn etwa Stürme die Ernten vernichten oder ein steigender Meeresspiegel Landstriche verschluckt. Das wiederum geht den Industriestaaten zu weit. Ganz zu schweigen von den Finanzfragen: Wie in den nächsten Jahren jene Milliarden zusammenkommen sollen, die reiche Staaten 2009 versprochen hatten, ist noch völlig offen. "Ich habe Zeit", sagt irgendwann am Nachmittag schmunzelnd der katarische Präsident des Gipfels, Abdullah bin Hamad Al-Attiyah. "Ich kann hier auch Jahr mit Ihnen sitzen." Na dann.

Derweil sind auch die Umweltgruppen mit ihrem Latein am Ende. Eigentlich spielen sie auf Klimagipfeln seit jeher eine wichtige Rolle. Sie halten den Kontakt zu vielen Delegationen, sitzen teils in Verhandlungen und sind vor allem für die Entwicklungsländer mit ihren kleinen Delegationen unverzichtbar. In Doha haben sie sich auf den Fluren eingerichtet und in Sitzecken provisorischer Restaurants; am Laptop flöhen sie die Verhandlungsdokumente. Viele Experten sind seit Jahren dabei.

An diesem Freitag aber sind sie vor allem ratlos. "Wir fragen uns selbst, was bringt es, wenn wir immer hierher kommen", sagt Greenpeace-Chef Kumi Naidoo. "Und immer sind wir am Ende frustriert." Nichts gehe schnell genug voran in den Verhandlungen, nur die Gewissheiten rund um den Klimawandel nähmen zu.

Beim Gipfel in Kopenhagen stand Naidoo auf der Bühne jener größten Klimademonstration aller Zeiten, er hielt die Rede seines Lebens. Heute sitzt er ernüchtert im marmorgetäfelten Konferenzzentrum und spricht über den Einfluss der Umweltorganisationen auf Klimaverhandlungen: "Ich will ehrlich sein", sagt Naidoo. "Wir müssen nun eine Diskussion führen, ob unsere Rolle und ihre Wirkung ausreicht, um weiter die Teilnahme an diesem absurden Theater zu rechtfertigen." In den Hauptstädten lasse sich derzeit mehr bewegen als auf zähen Klimagipfeln.

Nic Balthazar, der Filmemacher, muss jetzt weiter, zu einem Interview. Letzte Frage, ganz kurz: Was für einen Film er von dieser Konferenz machen würde? Balthazar zögert nicht, er sagt: "Einen Katastrophenfilm." Im Weggehen ruft er noch: "Aber mit Happy end."

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