Klimakonferenz in Berlin:Tausche Kamel gegen Ziege

Minister aus aller Welt diskutieren in Berlin über den Klimaschutz - und darüber, wie es weitergehen könnte jenseits des Kyoto-Protokolls. So recht weiß das allerdings offenbar niemand.

Michael Bauchmüller

Die offenen Fragen der Klimapolitik, niemand benennt sie an diesem Nachmittag so klar und einfach wie Connie Hedegaard. "Ich möchte wissen", sagt die EU-Klimakommissarin, "wie geht es weiter, wann folgen andere, und womit werden sie folgen?"

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Beim Klimagipfel im mexikanischen Cancún hatten sich die Staaten darauf verständigen können, den globalen Temperaturanstieg auf höchstens zwei Grad zu begrenzen. Doch wie das gehen soll, ist noch unklar.

(Foto: dpa)

Ziemlich elementare Fragen, aber sie werden sich stellen, in diesem Winter schon. Dann treffen im südafrikanischen Durban Minister aus aller Welt zur nächsten Klimakonferenz zusammen, sie stehen vor einer heiklen Frage: Hat das Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz noch eine Zukunft - und wenn ja: welche? Und wenn nein: Was dann?

Minister und Diplomaten aus 35 Staaten, aus Industriestaaten und Entwicklungsländern, gehen der Frage seit Sonntag in Berlin nach. Es ist die zweite Auflage des zweitägigen "Petersberger Klimadialogs". Ins Leben gerufen nach der gescheiterten Klimakonferenz in Kopenhagen, soll er im kleinen Kreis Raum geben für eine nüchterne Bestandsaufnahme, in aller Vertraulichkeit. Doch schon am Sonntag zeigt sich: So recht weiß niemand, wie es weitergehen soll.

Die Kanzlerin betont deshalb gleich mehrmals, "dass noch ziemlich viel zu tun bleibt". Ziel müsse ein rechtsverbindliches Abkommen bleiben, sagt Angela Merkel, an dem sich sowohl Industrie- als auch Entwicklungsländer beteiligen müssten, je nach Anteil an den globalen Emissionen.

"Wir brauchen einen Pfad, der langfristig zu einem niedrigeren Pro-Kopf-Emissionsniveau führt" - und zwar von zwei Tonnen je Kopf. Das wäre ein Zehntel dessen, was im Durchschnitt auf jeden Bundesbürger entfällt, und immer noch die Hälfte der Emissionen eines Chinesen, zumindest rein statistisch.

Wie aber soll so ein Abkommen aussehen? Beim Klimagipfel im mexikanischen Cancún hatten sich die Staaten im vorigen Dezember zumindest auf ein Paket verständigen können, das den Klimaschutz künftig ausmachen soll. Dazu zählt etwa das Fernziel, den globalen Temperaturanstieg auf höchstens zwei Grad zu begrenzen.

Die Staaten steckten auch den Rahmen ab, in dem das geschehen soll: durch Pläne und Ziele jedes einzelnen Staates, wie er seine Emissionen in den Griff bekommen will; durch Finanztransfers zu jenen armen Ländern, die besonders unter den Folgen des Klimawandels leiden oder sich Klimaschutz schlicht nicht leisten können; durch den Schutz von Wäldern. Konkreter allerdings wurden sie noch nicht.

"Wir können nicht mehr wegrennen"

Das zumindest soll sich in diesem Winter ändern, bei der nächsten Klimakonferenz im südafrikanischen Durban. Dort gelte es, die Ergebnisse von Cancún zu "konsolidieren", wie Südafrikas Außenministerin Maite Nkoane-Mashabane ankündigt, also konkrete Schlüsse zu ziehen. "Wir haben jetzt einen Punkt erreicht, an dem wir nicht mehr wegrennen können." Wohl wahr, denn die Zeit nach dem Kyoto-Protokoll rückt näher. 2012 laufen die gegenseitigen Zusagen aus.

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Angela Merkel spricht vor den Delegierten des "Petersberger Klimadialogs" in Berlin. Die Rechtsverbindlichkeit bleibt das entscheidende Problem im Klimaschutz. Wer garantiert schon, dass sich Staaten an die Klimaziele halten, die sie versprechen? Bisher gibt es nur ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen über den Klimaschutz: das Kyoto-Protokoll. Ausgehandelt 1997 in Japan, setzte es Minderungsziele für Industriestaaten fest. So sagte etwa die Europäische Union zu, im Zeitraum von 2008 bis 2012 im Schnitt acht Prozent weniger Kohlendioxid zu emittieren, gemessen an den Werten von 1990. Insgesamt 37 Industriestaaten haben solche Ziele übernommen, darunter auch Japan und Kanada. Die USA blieben außen vor, China trat dem Protokoll zwar bei, verpflichtete sich aber nicht auf feste Ziele. Schließlich galt das Land seinerzeit noch als Entwicklungsland. Nicht einmal ein Drittel der klimaschädlichen Emissionen sind so von dem Protokoll erfasst.

Ende kommenden Jahres könnte selbst das vorbei sein. Dann sind die Verpflichtungen der Staaten erledigt, ein Anschlussabkommen gilt als unwahrscheinlich. Japan will nicht mehr mitmachen, solange sich die USA und China nicht verbindlich zum Klimaschutz verpflichten. So blieben im Wesentlichen noch die EU-Staaten - die aber nur 15 Prozent der globalen Emissionen ausmachen und ohnehin bereits Klimaschutzziele vereinbart haben. Formal laufen die Verhandlungen über eine Kyoto-Fortsetzung noch. Sollten die Staaten aber keine Neuauflage verabreden, bliebe ihnen zumindest das Regelwerk des Protokolls erhalten - so etwa für den Handel mit Emissionsrechten, wie ihn auch die EU einführte.

(Foto: AFP)

Ursprünglich sollte die Klimakonferenz von Kopenhagen ein neues, großes Klimaabkommen verabschieden, doch der Versuch misslang. Die Staaten könnten nun versuchen, eine Fortsetzung des Kyoto-Protokolls auszuhandeln, aber das scheint schwierig: "Wir merken, dass wir bei den Verhandlungen an Grenzen stoßen", sagt ein hoher Diplomat der Vereinten Nationen. "Wir brauchen jetzt ein politisches Signal."

Denkbar wäre etwa, das Kyoto-Protokoll zum Ausgangspunkt für ein neues Regelwerk zu machen. "Die Aufgabe besteht darin, die Struktur des Kyoto-Protokolls schrittweise auszubauen", sagt Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU), der Gastgeber der Berliner Dialogrunde, "vielleicht auch unter anderem Namen."

Wie man das genau hinbekommt, müsste sich allerdings schon in Durban weisen, viel Zeit bleibt nicht mehr. Weswegen es Röttgen nun mit einer somalischen Weisheit hält, die er kürzlich gelernt hat: Wer eine Ziege wolle, müsse ein Kamel fordern. "Auch wir brauchen eine Ziege", sagt Röttgen.

Die Kanzlerin wiederum, und das spricht Bände, hat ihn noch am Sonntag davor gewarnt: "Sie sollten das nicht so früh herausposaunen, sonst gibt es nicht einmal eine Ziege." Den Südafrikanern reicht das ohnehin nicht. "Sie wolle, kündigt die Außenministerin an, zwar auch gerne ein Kamel fordern. Aber lieber wären ihr zwei."

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