Klimahaus in Bremerhaven:Alle Wetter

Einmal auf dem achten Längengrad um die Welt wandern: das können Besucher im Klimahaus Bremerhaven - Regen, Sturm und Hitze inklusive. Wissenschaftler sind begeistert.

Ralf Wiegand

Die Reise von Axel Werner beginnt um 5.30 Uhr an einem Morgen in Bremerhaven. Der Wecker klingelt, Herr Werner hört den Wetterbericht im Radio, packt seinen Rucksack, nimmt Kompass und GPS-Gerät, bespricht noch rasch den Anrufbeantworter ("Ich bin für ein Jahr unterwegs") - und ist dann mal weg.

Klimahaus in Bremerhaven: Einmal durch die Atmosphäre spazieren: im Klimahaus Bremerhaven

Einmal durch die Atmosphäre spazieren: im Klimahaus Bremerhaven

(Foto: Foto: ddp)

Sogleich steht der Besucher des Bremerhavener Klimahauses mit diesem Herrn Werner, einem Mann im besten Alter, am Bahnhof der Seestadt und beginnt mit ihm eine ungewöhnliche Reise: immer den achten Breitengrad Ost entlang, von Bremerhaven bis Samoa.

So einfach ist die Idee, der die Hauptattraktion der Erlebniswelt folgt, die an diesem Samstag fürs Publikum öffnet. Das Klimahaus ist vor allem im Ausstellungsbereich "Reise" ein Mitmachmuseum, der Reisende Axel Werner führt seine Besucher durch Wüste und Tropen, in die Alpen und die Antarktis, ins Watt und zu Gott.

Tatsächlich: Gott findet sich auf den circa 5000 Reise-Quadratmetern zwischen Antarktis und Samoa, die Treppe hinauf, unterm Sternenzelt.

Die Schau, auf insgesamt 11.500 Quadratmeter verteilt, berührt alle Sinne. Auf den einzelnen Etappen herrschen Temperaturen von minus 20 bis plus 38 Grad Celsius, die Luftfeuchtigkeit schwankt zwischen 35 und 85 Prozent, es regnet und stürmt.

Das muss es auch, um Familien anzulocken und die Touristen von den nahen Küsten. Klima ist kein leichter Stoff. Es würde wohl kein Klimahaus geben, gäbe es keine drohende Klimakatastrophe. Normales Klima wäre kein Thema. Aber auch mit dem bedrohlichen Klimawandel die geplanten 600.000 Besucher jährlich zu mobilisieren, ist eine Herausforderung.

An den Erfolg des Museums, das von außen der Münchner Fußballarena ähnelt und über 100 Millionen Euro gekostet hat, glauben sogar Menschen, bei denen Optimismus nicht unbedingt zur Grundausrüstung gehört.

Begeisterte Wissenschaftler

Jakob von Uexküll etwa, der Initiator des alternativen Nobelpreises und Gründer des Weltzukunftsrates, erwartet, dass die Realität schlimmer wird als die Prognosen der Vereinten Nationen. Nur noch zehn Prozent der jetzt besiedelten Flächen der Erde würden in Zukunft bewohnbar sein: "Wenn es nicht ganz, ganz schnell gewaltige Änderungen gibt, dann wird es eine globale Katastrophe geben."

Ein Mittel dagegen könne aber die Aufklärung sein, weshalb Weltbürger Uexküll das Klimahaus unterstützt. Es gebe beim Klima einen "unglaublich schnellen Bewusstseinswandel"; der werde der Bremerhavener Idee helfen.

Ohnehin ist die Wissenschaft schier begeistert, dass es nun einen Ort gibt, an dem sie die komplexen Zusammenhänge von Klima und Wetter bunt und greifbar darstellen kann. "Hier soll es immer die aktuellsten und korrektesten Informationen geben", sagt Karin Lochte vom Alfred-Wegener-Institut, ebenfalls in Bremerhaven angesiedelt.

Auch sie arbeitet, wie Uexküll und andere, an zwei Fronten: Ihr Institut misst, in welch rasantem Tempo das Eis der Pole dünner wird - und versucht zugleich, durch Information die Menschen zu sensibilisieren, dem Trend selbst ihren Möglichkeiten entsprechend Einhalt zu gebieten.

"Das wissenschaftliche Netz, das vom Klimahaus in die Welt geht, ist weit gestrickt", sagt Karin Lochte. Im Klimahaus findet sich auch der Nachbau einer Polarstation.

Eine Fläche für Gott

Daneben gibt es Ebbe und Flut, einen Regenwald bei Nacht, einen 70 Meter tiefen Brunnen, echtes Eis, falsche Berge und lebende Tiere. Es ist ein multimediales Spektakel, verpackt in einem architektonischen Wagnis, aber es ist eben doch mehr.

Durch die Ausstellungsbereiche wie "Elemente" oder "Chancen", wird aus der Erlebnisshow eine Wissensschau. "Perspektiven" etwa spinnt die Geschichten der Menschen, die der Besucher auf seiner Weltreise getroffen hat, fiktiv in die Zukunft: Wie wird sich das Leben in den Klimazonen verändern, wenn sich das Klima ändert?

"Die Menschen, die für den Wandel verantwortlich sind, sind nicht die, die am meisten davon betroffen sein werden", sagt der Kieler Klimaforscher Mojib Latif, wähnt die Gesellschaft aber an einem möglichen Wendepunkt. "Durch die Krise haben wir das unterschwellige Gefühl, dass wir so nicht mehr weiterkommen. Die Nachhaltigkeit fehlt. Deshalb ist jetzt die Zeit, etwas zu ändern. Das Klimahaus unterstützt diese Entwicklung."

Im besten Fall also soll die Welt durch das Klimahaus besser werden - da darf man Gott schon mal ein bisschen Fläche reservieren.

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