Klimaerwärmung:Pause? Welche Pause?

Klimaerwärmung: Ein Wissenschaftler arbeitet an einer Wettermessstation im Himalaya.

Ein Wissenschaftler arbeitet an einer Wettermessstation im Himalaya.

(Foto: AFP)

Die Temperaturstatistik der vergangenen Jahre zeigte eine vermeintlich langsamere Klima-Erwärmung. Jetzt haben die Wissenschaftler ihre Daten korrigiert.

Von Christopher Schrader

Puff - so schnell kann sich eine Debatte in Luft auflösen. Seit Jahren kreist ein wesentlicher Teil der Klimaforschung um die Frage, ob und wenn ja warum sich die Erde seit 17 Jahren nicht so schnell aufheize wie erwartet. Und jetzt erklärt eine für diese Diskussion zentrale Arbeitsgruppe, eigentlich könne von einer gebremsten Erwärmung gar keine Rede sein.

"Unsere Ergebnisse bestätigen nicht die Auffassung, es habe eine ,Verlangsamung' im Anstieg der globalen Oberflächentemperaturen gegeben", fasst das Forscherteam um Thomas Karl von der amerikanischen Wetterbehörde Noaa seine Analyse etwas gestelzt zusammen (Science, online).

Über eine angebliche "Pause" der Erwärmung hatten zuerst Klimaskeptiker gesprochen. Nach dem Rekordjahr 1998 seien die Temperaturen nicht mehr gestiegen, so ihr Argument. Rekorde der Jahre 2005, 2010 und 2014 ignorierten diese Kritiker. Dann nahm der Weltklimarat IPCC die Zahlen auf. 2013 schrieb er, von 1998 bis 2012 habe sich die Erde um 0,05 Grad Celsius pro Jahrzehnt erwärmt, nicht wie erwartet um 0,12 Grad pro Jahrzehnt.

Klimawandel-Fieberkurve des Planeten

Für solche Berechnungen braucht man langjährige Aufzeichnungen der Temperaturen. Einer der wichtigsten Datenreihen wird in den Noaa-Büros in Asheville/North Carolina verwaltet: ständig aktualisierte Messungen von Tausenden Wetterstationen und Schiffen auf der ganzen Welt, die bis ins Jahr 1880 zurückreichen.

Jeden Monat berechnet die US-Behörde die Durchschnittstemperatur der Erde und schreibt so die Klimawandel-Fieberkurve des Planeten fort. Ähnlich bedeutsam sind nur die Daten des britischen Pendants Met Office.

Neue Methoden zur Temperaturmessung auf dem Meer

Auch die Noaa-Daten, berichten Karl und seine Kollegen, hatten eine gebremste Erwärmung gezeigt. Doch die Forscher vermuteten Verzerrungen in den Messungen. Die Zahl der Wetterstation an Land ist besonders in jüngsten Jahren deutlich gewachsen, viele alte wurden verlegt oder umgebaut.

Auf See hat sich die Methode, Temperaturen zu bestimmen - an der Wasseroberfläche statt in der Luft -, mehrmals geändert. Das Wasser wurde erst per Eimer an Bord geholt, dann am Einlass für Kühlwasser abgezweigt. Inzwischen registrieren automatische Bojen die Gradzahlen. Das führte zu systematischen Abweichungen, die beseitigt werden mussten.

Die Arktis wird ungenügend vermessen

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Juliana Pacco Pacco aus den peruanischen Anden erzählt in dem Fotoband "The Human Face of Climate Change" (Fischer/Braschler) vom Klimawandel in den Bergen.

(Foto: Braschler/Fischer/Photography)

Das Team um Thomas Karl hat darum Korrekturformeln entwickelt. Kritiker werden den Noaa-Forschern wohl vorwerfen, das Problem einfach wegzudefinieren, aber solche Eingriffe sind internationaler Standard und notwendige Routine: Die komplexe Berechnung eines Mittelwerts liefert sonst kein realistisches Ergebnis.

Mit ihrem neuen Verfahren kamen die Forscher auf einen mehr als doppelt so hohen Trend für die Jahre 1998 bis 2012 wie zuvor: Statt 0,039 nun 0,086 Grad pro Jahrzehnt. Die Zahl hing zudem stark von Anfang und Endpunkt ab. Verlängert man die Daten bis ins Rekordjahr 2014, ergibt sich eine Erwärmung vom 0,106 Grad pro Jahrzehnt. Und lässt man das Rekordjahr 1998 aus, zeigen die Jahre 2000 bis 2014 einen Trend von 0,116 Grad pro Jahrzehnt. Das entspricht praktisch der IPCC-Erwartung von 0,12 Grad pro Jahrzehnt.

Hinzu kommt noch ein Beitrag für die Arktis, schreibt Karl in einer E-Mail: "Wir haben ungefähr 0,025 Grad pro Jahrzehnt für die polare Erwärmung noch nicht berücksichtigt." Der hohe Norden erwärmt sich besonders schnell, dort gibt es aber sehr wenige Messstationen. Sein Beitrag wird nach Meinung vieler Forscher unterschätzt. "Wir erwarten, dass wir diese Veränderungen im Jahr 2016 in unsere offizielle Statistik einfließen lassen", so Karl.

Forscher zweifelten an angeblicher "Pause"

"Dies ist eine wichtige Verbesserung der Noaa-Daten", lobt Timothy Osborn von der University of East Anglia, wo die Messungen des britischen Met Office ausgewertet werden. Seine Gruppe habe 2012 ähnliche Korrekturen eingeführt, aber keine derart dramatische Veränderung gesehen. "Offenbar war die Verlangsamung der Erwärmung in Wirklichkeit viel weniger ausgeprägt, als sich aus den Datensätzen erkennen ließ, die der IPCC bewertet hat."

"Man könnte das einen großen Schritt nennen, wenn man vorher der angeblichen Pause eine reale Bedeutung zugemessen hätte", sagt Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. "Das habe ich aber nicht getan."

Tatsächlich argumentiert der Wissenschaftler seit Jahren, die abgeflachte Temperaturkurve liege im Rahmen der üblichen natürlichen Schwankungen. Darüber dürfte die Debatte noch weiter gehen. Sowohl der Brite Osborn als auch der Amerikaner Karl sagen, dass sich durchaus etwas verändert hat, wenn auch vorübergehend und regional, nicht auf Dauer und global.

"Ein Band zwischen 30 und 60 Grad nördlicher Breite hat sich im 21. Jahrhundert im Gegensatz zu anderen Regionen nicht erwärmt", schreibt Karl. Die Umstände sind noch ungeklärt. Daher mögen die Forscher, die etwa im abgekühlten Pazifik nach Ursachen für die vermeintliche Pause gesucht haben, zwar einer Mode gefolgt sein. Trotzdem haben sie, da sind sich alle Fachleute einig, wertvolle Arbeit geleistet.

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