Klimaentwicklung in Deutschland:Flickenteppich des Wandels

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Hochwasser, Trockenheit, Waldbrandgefahr: Vor allem Ostdeutschland wird in Zukunft unter den Folgen des Klimawandels leiden. Ein Potsdamer Projekt zeigt die regionalen Folgen der Klimaveränderungen im Extremszenario.

Christopher Schrader

Für Brandenburg wird der Klimawandel kein Vergnügen: Die Wasserbilanz des Bundeslandes rutscht tief ins Minus, die Erträge von Mais gehen um 15 Prozent zurück, die Erträge mancher Wälder nehmen um ein Zehntel ab, die Waldbrandgefahr steigt deutlich und die Stromproduktion sinkt, weil die Flüsse nicht mehr genügend Kühlwasser führen. Allein die Produktion von Windenergie dürfte zunehmen.

Auch das Risiko für Hochwasser steigt in den nächsten Jahren. Vor allem Ostdeutschland ist von den Folgen des Klimawandels betroffen. (Foto: dpa)

All diese Aussagen beziehen sich auf einen Zeitraum Mitte dieses Jahrhunderts und sind Ergebnis eines Projekts, das die regionale Entwicklung des Klimas in Deutschland beschreiben will. Wissenschaftler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) haben es am Montag an der Humboldt-Universität in Berlin vorgestellt.

"Das Ziel war es, nicht nur das Klima zu liefern, sondern auch die Folgen der Klimaveränderungen zu präsentieren", sagt Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe vom PIK, der die wissenschaftliche Leitung des Projekts hatte. Es liefere allerdings keine Prognosen, betont er: Es seien "Wenn-Dann-Aussagen in einem Extremszenario". Die Wissenschaftler haben eine ganze Kette von Modellen zusammengespannt, um die möglichen Folgen eines weiterhin ungebremsten Klimawandels zu berechnen.

Dafür hat das Team zunächst globale Klimasimulationen auf den regionalen Maßstab heruntergebrochen und dann die Konsequenzen für Wasserhaushalt, Land- und Forstwirtschaft sowie Stromversorgung betrachtet. Dabei ergibt sich stets ein bunter Flickenteppich, in dem mal die eine, mal die andere Landschaft leidet. Nur den Nordosten Deutschlands treffen die meisten Veränderungen negativ.

Mehr Menschen, die Hochwasser erleben

Ein Beispiel sind die Verluste der sogenannten klimatischen Wasserbilanz. Dieser Wert ist die Differenz von Regenfällen und Verdunstung - liegt er unter null, dörren die Pflanzen aus. Bislang schon war die Bilanz in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie im Rheintal leicht negativ. Im Jahrzehnt 2041 bis 2050 rutschen diese Gebiete weiter ins Minus, aber die Trockenheit erfasst auch Teile des Emslands, Ostholstein, die Regionen Hannover und Stuttgart sowie Teile von Franken, Ober- und Niederbayern. Im Oberland, wo München sein Trinkwasser holt, nimmt die Neubildung von Grundwasser ab.

Trotzdem steigt in vielen Regionen Deutschlands besonders im Frühjahr die Hochwassergefahr, weil es häufiger Starkregen gibt und weniger Niederschläge als Schnee zwischengelagert werden. Die Ausgaben der Versicherungen für Flutschäden dürften von 500 Millionen Euro auf zunächst 850 Millionen Euro im Jahr steigen, sagt Fred Hattermann von PIK. 2100 könnten sie sich verdoppelt haben. "Die Versicherer sagen uns, das sei zu bewältigen, aber dahinter stehen natürlich mehr Menschen, die Hochwasser erleben."

In der Landwirtschaft leiden vermutlich eher die Sommer- als die Winterfrüchte unter den Veränderungen, so die Erwartungen des Projekts. Und das vor allem dort, wo das Klima eher kontinental geprägt ist als durch vorherrschende Westwinde vom Atlantik. Darum könnte in Bayern die Ernteerträge von Weizen nach milden Wintern um 20 Prozent steigen, während der Maisertrag an der Elbe und erst recht an der Oder um einen ähnlichen Prozentsatz abnimmt

Allerdings haben die Forscher weder berücksichtigt, dass die Landwirte ihre Methoden an den Wassermangel anpassen, noch dass ein höherer CO2-Gehalt der Luft die Pflanzen düngen könnte. Wie stark sich nämlich ein solcher Effekt ausprägt und wie lang er anhält, vermag die Wissenschaft zurzeit nicht zu klären.

Unsicher sind auch die Vorhersagen für die Wälder. Die größere Wärme verlängert die Wachstumszeit der Bäume. Buchen zum Beispiel entfalten zurzeit ihre Blätter im Mittel am 29. April, erklärt Petra Lasch-Born vom PIK. Mitte des Jahrhunderts dürfte der Termin vier Tage früher liegen, gegen 2100 eine weitere Woche. Die längere Vegetationsperiode kann den Buchen schaden, wenn sie nicht genug Wasser bekommen. Kiefern und Fichten könnte die Ausbreitung von Insekten wie der Nonne zusetzen. Womöglich befällt dann dieser Schmetterling mit seinen Raupen auch den bislang unbelasteten Schwarzwald.

All diese Effekte wollen die Forscher auf einem Internetportal präsentieren, wo Nutzer die Daten für ihren Landkreis abrufen können. Die Seite klimafolgenonline.com soll zum nächsten Klimagipfel starten, der Ende November in Doha beginnt. Dort, so kündigt es Projektleiter Gerstengarbe an, könnten aber auch Szenarien stehen, die die Ergebnisse einer erfolgreichen Klimaschutzpolitik zeigen. Sie soll schließlich in der Hauptstadt von Katar beschlossen werden.

© SZ vom 25.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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