Klimadaten:Der Wandel im Jahr 1900

Zu heiss zum Arbeiten

Seit etwa 100 Jahren erwärmt sich die Erde in einem lange nicht dagewesenen Ausmaß.

(Foto: dpa)

Baumringe, Eisbohrkerne, Korallen, Sedimente und eingeschlossene Pollen haben Wissenschaftler untersucht, um das Klima der vergangenen Jahrhunderte zu rekonstruieren. Sie mussten weit zurückgehen, um Temperaturen zu finden, wie sie in jüngerer Zeit gemessen werden.

Von Christopher Schrader

Wer in der Klimageschichte Europas eine Epoche sucht, in der es wärmer war als zwischen 1971 bis 2000, muss in die Antike zurückgreifen. Nur den Jahren 21 bis 80 gab es mindestens drei zusammenhängende Jahrzehnte, in denen in Europa eindeutig höhere Temperaturen herrschten als Ende des 20. Jahrhunderts.

Die Angabe stammt von einer internationalen Gruppe von Forscher aus 60 Instituten, darunter vier deutschen. Sie haben in mühevoller Kleinarbeit für alle Erdteile rekonstruiert, wie warm es in den vergangenen Jahrhunderten war. Sie haben Baumringe, Eisbohrkerne, Korallen, Sedimente und irgendwo eingeschlossene Pollen ausgewertet und kommen zum Schluss, dass die Zeit 1971 bis 2000 auch global gesehen herausragt: So warm war es seit 1400 Jahre im Mittel nicht mehr (Nature Geoscience, online).

Das sogenannte Pages-Projekt (für Past Global Changes) hat zudem eine weitgehende Zweiteilung der vergangenen 2000 Jahre belegt. Bis zum Jahr 1900 habe sich die Welt langsam abgekühlt, seither erwärme sie sich rapide. Für eine mittelalterliche Wärmeperiode von 950 bis 1250 und eine "kleine Eiszeit" genannte starke Abkühlung 1350 bis 1850 finden die Forscher keine schlüssigen Belege. Solche Abweichungen vom globalen Trend seien jedenfalls kein allgemeines Phänomen gewesen, sondern in den Regionen unterschiedlich aufgetreten. Die aktuelle Erwärmung zeigten aber alle Erdteile außer der Antarktis.

Die Forscher speisen damit neue Daten in eine seit Jahren bitter geführte Debatte. Die erste Rekonstruktion dieser Art, erstellt vom amerikanischen Klimaforscher Michael Mann, hatte der Weltklimarat IPCC in einem Bericht sehr prominent als Beleg der globalen Erwärmung präsentiert. Das hatte Mann wissenschaftliche wie persönliche Angriffe eingetragen. Obwohl er einige Fehler in der Methodik einräumen musste, wurde der generelle Verlauf der Temperaturen mit dem historisch einmaligen scharfen Anstieg im 20. Jahrhundert von etlichen unabhängigen Gruppen bestätigt - zuletzt vom Berkeley-Projekt, das finanziert von Klimawandel-Leugnern eigentlich angetreten war, Manns Daten zu widerlegen.

Die Ergebnisse des Pages-Projekts passen gut zu den bisherigen Rekonstruktionen. Der bis zum Jahr 1900 andauernde globale Trend zur Abkühlung habe natürliche Ursachen gehabt, die andauerten, heißt es von den Forschern. Dass daraus im 20. Jahrhundert eine globale Erwärmung geworden sei, lasse sich nur schwer erklären, ohne den von der Menschheit ausgelösten Anstieg der Treibhausgase zu berücksichtigen.

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