Kernkraft:Warum Atomkraftwerke den Energiehunger der Welt nicht stillen können

Kernkraftwerk Isar II

Der Kühlturm des Kernkraftwerks Isar II nahe Essenbach bei Landshut (Bayern)

(Foto: dpa)

Kohle, Gas und Öl haben nach dem Pariser Klimaabkommen keine Zukunft. Atomfirmen aus Russland und China wollen die Lücke schließen. Eine Gefahr?

Kommentar von Björn Finke

Eine klare Botschaft: Kraftwerke, die mit Kohle, Gas oder auch mit Öl befeuert werden, haben keine Zukunft mehr. Nehmen Regierungen die wegweisende Klima-Einigung von Paris ernst, müssen diese Dreckschleudern in den kommenden Jahrzehnten vom Netz gehen, weil sie viel zu viel klimaschädliches Kohlendioxid in die Atmosphäre blasen. Doch welchen Kraftwerken wird dann diese Zukunft gehören? Der Energiehunger der Weltbevölkerung wächst, für abgeschaltete Kohlemeiler muss Ersatz her. Atomfirmen aus Russland und China hoffen, dass Kernkraftwerke die Lücke schließen; sie wollen ihre Anlagen im großen Stil exportieren, vor allem in ärmere Staaten, aber auch ins Vereinigte Königreich. Es wäre allerdings schlimm, führte der Erfolg des Pariser Klimagipfels nun zu einer Renaissance der Kernkraft.

Kohle, Öl und Gas mögen keine Zukunft haben, Atomstrom ist jedoch genauso von gestern. Die Zukunft muss erneuerbaren Energien gehören, aus Sonne, Wind und Wasser.

Minister, die mit dem Neubau von Reaktoren liebäugeln, sollten nach Deutschland blicken und die Diskussion zwischen Bundesregierung und Stromkonzernen verfolgen. Die streiten gerade darüber, wer wie viele der zig Milliarden übernimmt, die für den Abriss der 17 Meiler und die Lagerung des strahlenden Mülls nötig sind. Die Unternehmen, denen die Energiewende ihr lukratives Geschäft verdarb, könnte das überfordern. Ein Endlager ist auch nicht in Sicht. Kein Wunder: Es ist extrem schwierig, einen Ort zu finden, wo derart gefährliche Hinterlassenschaften viele tausend Jahre lang wirklich sicher aufbewahrt werden können. Und im Zweifel gehen die Anwohner auf die Barrikaden.

Kohlekraftwerke haben keine Zukunft - Atommeiler auch nicht

Setzen Staaten auf Kernenergie, halsen sie sich also enorme Folgekosten auf. Dazu kommt das Risiko, dass beim Betrieb der Meiler oder bei der Endlagerung doch etwas schiefläuft. Ein Störfall in einem Atomkraftwerk kann dramatisch enden - was für Windparks nicht gilt.

Selbst unabhängig von Altlasten und Gefahren sind Atommeiler kein attraktives Investment. Sie sind sehr teuer - und ihr Bau ist meist teurer und langwieriger als anfangs gedacht. Im Moment errichten 14 Staaten 62 Reaktoren, wie aus dem "World Nuclear Industry Status Report" hervorgeht. Drei Viertel der Projekte sind verspätet, viele über mehrere Jahre. Fast zwei Drittel der Baustellen entfallen auf nur drei Länder: China, Russland und Indien. In westlichen Staaten mit besser entwickelten Strommärkten hingegen ist es schwierig, Konzerne zum Bau von Atommeilern zu bewegen. Das Angebot an Öko-Energie wächst und drückt auf die Preise an den Strombörsen. Da lohnt es sich nicht, viele Milliarden in ein neues Kernkraftwerk zu stecken, das vermutlich verspätet fertig wird und teuer zu entsorgenden Abfall produziert. Selbst die Atom-Nation Frankreich vollzieht die Wende. Ende November beschloss das Parlament, bis 2025 die Abhängigkeit des Landes von Atomstrom drastisch zu verringern.

Einen seltsamen Sonderweg beschreitet Großbritannien. Das Land plant den Bau gleich mehrerer Reaktoren. Sie sollen die Lücke schließen, die das Abschalten der Kohlekraftwerke reißt. Den ersten neuen Meiler wird der französische Stromversorger EDF mit einem Partner aus China errichten. Das machen sie aber nur, weil die britische Regierung einen sehr hohen Abnahmepreis für die Energie zusichert - sie erhalten also Milliardensubventionen.

Das Klima-Abkommen wird viele Staaten zwingen, Ersatz für Kohlemeiler zu suchen. Doch sollten Regierungen keinesfalls den britischen Weg einschlagen und eine Technik von gestern, die Atomkraft, mit Geld überschütten. Statt dessen sollten Politiker lieber in eine grüne Zukunft, in erneuerbare Energien, investieren.

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