Kennzeichnung von Pferden:Heißes Eisen

Soll Pferden ein Brandeisen aufs Fell gedrückt oder besser ein Chip tief unter die Haut implantiert werden? Beide Kennzeichnungsmethoden sind kein Vergnügen für das Fohlen. Darüber, welche grausamer ist, wird erbittert gestritten.

Gabriele Pochhammer

Die Pferde mit der Elchschaufel sind so etwas wie ein nationaler Mythos. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs haben Trakehner die Karren der ostdeutschen Flüchtlinge durch Eis und Schnee gen Westen gezogen. Daran erinnert noch heute jedes Trakehner Pferd, das das Brandzeichen auf dem linken Hinterschenkel trägt. Wenn in einem Parcours wiederum ein Pferd mit dem umrandeten H auftaucht, dann ist es ein Holsteiner und wahrscheinlich ein talentiertes Springpferd. Und das randlose H mit den Pferdeköpfen, wie sie im Norden auf vielen Bauernhäusern zu finden sind: Es weist auf dressurbegabte Hannoveraner hin.

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Züchter wollen ihre edlen Pferde gerne mit Brandzeichen sehen.

(Foto: REUTERS)

Die zum Teil jahrhundertealten Brandzeichen für Pferde sind auch ein Markenzeichen der Züchter und ihrer Verbände. Wenn es nach vielen Politikern und Tierschützern geht, wird das allerdings nicht so bleiben. Seitdem die Europäische Union zur einwandfreien Identifikation von Pferden den Mikrochip eingeführt hat, ist ein Glaubenskrieg um die beste Markierungsmethode ausgebrochen.

Brandzeichen wie Chip werden gesetzt, wenn das Fohlen noch bei der Mutter ist, also nur wenige Monate alt. Beim Brennen wird ein heißes Eisen eine Sekunde lang aufs Fell gehalten, das Brandmal inklusive einer zweistelligen Nummer bleibt auf der Haut lebenslang sichtbar. Beim Chippen wird ein etwa zwei Zentimeter langer Mikrochip mit einer Kanüle an den oberen Halsrand gesetzt, aber nicht, wie bei Hunden, unter die Haut, sondern tief ins Gewebe. Andernfalls würde er verrutschen, wenn sich das Pferd wälzt oder scheuert.

Beide Kennzeichnungsmethoden sind naturgemäß kein Vergnügen für das Fohlen, sondern Stress. Die Frage ist nun: Welche Methode ist tierfreundlicher? Darüber wird in der Szene erbittert gestritten.

Die Landesregierung Schleswig-Holstein hat beantragt, den sogenannten Brand plus DNA-Typisierung weiterhin alternativ zum Mikrochip zu erlauben. Der Agrarausschuss des Bundesrates hat am vergangenen Donnerstag seine Entscheidung vertagt, um sich mit zwei neuen Gutachten zu befassen, die untersucht haben, inwieweit Brennen und Chippen für das Tier schmerzhaft sind.

Chips vagabundieren durch den Pferdekörper

Die Diskussion wurde schon lange nicht mehr mit sachlichen Argumenten geführt. Der Deutsche Tierschutzbund warf den Pferdezüchtern vor, den Fohlen die Schmerzen des Brennens zuzumuten, um sie später, mit dem sichtbaren Markenzeichen auf dem Schenkel, teurer verkaufen zu können. Gekrönt wurden die Vorwürfe mit einer Anzeigenkampagne: das blutige hannoversche Brandzeichen auf der Schulter einer nackten jungen Frau. Das Lager der Gegner stellte das Brennen von Fohlen auf eine Stufe mit Käfighaltung von Legehennen und dem Kastrieren von Ferkeln ohne Betäubung.

Alles das sollte eigentlich verboten werden. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) jedenfalls weigerte sich zuletzt, das vorgesehene "Gesamtpaket" noch einmal aufzuschnüren. Eine Delegation hochrangiger Pferdeleute wurde bei einem Treffen in Berlin Ende September im Stehen abgefertigt, Aigner beendete den Termin nach 15 Minuten. Zu "unwürdigem Gezappel" sei man von der Ministerin gezwungen worden, schrieb Doppelolympiasieger Hinrich Romeike empört in einem offenen Brief.

Der Schweizer Mediziner Urs Schatzmann gilt als Autorität auf dem Gebiet der Schmerzforschung beim Pferd. Alle Gutachten zum Thema Schmerz beim Brennen beziehungsweise Chippen hat er durchforstet und festgestellt, dass nicht zu belegen ist, ob überhaupt und in welchem Maße Pferde bei der einen oder anderen Methode Schmerzen empfinden. Schließlich können sie weder reden noch laut aufjaulen.

Deutlicher wird der zweite Gutachter, der Hamburger Dermatologe Professor Volker Steinkraus. Er untersuchte 70 Pferde, 30 waren gebrannt, 30 nicht gebrannt, zehn gechippt. Die Haut in der Region des Brandes war zwar vernarbt wie nach oberflächlichen Verletzungen, aber Steinkraus fand keine Anzeichen von Entzündung. Anders beim Chippen: In allen Fällen wurde der Chip als Fremdkörper von Gewebe ummantelt, verbunden mit entzündlichen Abläufen. Während Hautverletzungen, wie sie das Brennen hervorruft, problemlos abheilen, empfindet der Körper den Chip offenbar lebenslang als störend. Im schlimmsten Fall bildet er eitrige Geschwüre, um ihn los zu werden. Solche Verletzungen gibt es beim Brennen nicht.

Ungeklärt sind auch die Wege des Mikrochips im Pferdekörper. Manche Chips sind nach einiger Zeit überhaupt nicht mehr aufzufinden, andere an Stellen, an denen sie nichts zu suchen haben, etwa in der Nähe des Genicks. Das kann Probleme beim Reiten geben, wenn das Pferd den Hals biegen soll. Befürworter weisen darauf hin, das im Trab- und Galopprennsport schon seit Jahren alle Pferde gechippt werden, Verletzungen seien sehr selten. Das bestreiten auch die Befürworter des Heißbrands nicht. Sie möchten nur die Wahl haben.

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