Kampf gegen das Denguefieber:Frankensteins Moskitos

Mückennetze, Insektizide und die Beseitigung von Brutplätzen helfen kaum gegen die Überträger des Denguefiebers. Deshalb suchen Wissenschaftler nach alternativen Methoden. Getestet wird auch der Einsatz von gentechnisch veränderten Mücken. Doch die Freilandversuche sind umstritten.

Moritz Pompl

Trotz aller Vorsicht hatten die Biester es irgendwie geschafft. Dabei hatte sich die Touristin in Kolumbien streng an die Ratschläge der Tropenmediziner gehalten: Moskitonetze über dem Bett und lange Kleidung am Körper. Dazu ein Mückenschutzmittel für die Haut. Kurz vor ihrer Rückkehr bekam die Frau jedoch starke Knochen- und Gliederschmerzen, außerdem Übelkeit und hohes Fieber. "Ich konnte mich kaum mehr bewegen", erinnert sie sich. Die Ärzte diagnostizierten Denguefieber, eine Viruserkrankung.

Dengue Moskito

Ein Weibchen der Art Aedes aegypti (Stegomyia aegypti) bei der Blutmahlzeit. Dabei können Dengue-Viren übertragen werden.

(Foto: Derric Nimmo/Oxitec Ltd)

Wie der Frau ergeht es jedes Jahr Millionen Menschen. Nach aktuellen Schätzungen befällt der Erreger weltweit pro Jahr zwischen 50 und 100 Millionen Menschen. 20.000 der Infizierten sterben an einer schweren Form der Erkrankung, die innere Blutungen auslöst. Derzeit gibt es weder eine Impfung gegen Dengue noch Therapieverfahren.

Auch mit den üblichen Präventionsmaßnahmen, wie sie etwa gegen Malaria eingesetzt werden - Mückennetze, Insektizide und die Beseitigung von Brutplätzen - lässt sich die tagaktive Dengue-Mücke kaum bekämpfen. Daher erproben Forscher neuerdings Strategien, die direkt bei den Überträgern der Krankheit, Mücken der Art Aedes aegypti, ansetzen.

Unter anderem setzen Forscher gentechnisch veränderte Versionen der Mücke frei, die langfristig die wildlebenden Moskito-Populationen verdrängen und ausrotten sollen. Die Methode ist unter Forschern jedoch umstritten. Eine ebenfalls neue, gentechnikfreie Methode besteht darin, die Moskitos mit Bakterien zu infizieren, sodass sich das Dengue-Virus nicht mehr in dem Überträger vermehren kann.

Überzeugter Anhänger der Gentechnik-Variante ist Luke Alphey von der Universität Oxford. Er baut in die DNS männlicher Mücken ein zusätzliches Gen ein. Es bewirkt, dass die Larven sterben, die aus der Paarung der manipulierten Männchen mit wildlebenden Weibchen hervorgehen. Jahrelangen Laborversuchen ließ Alphey vor kurzem einen ersten Feldversuch folgen (Nature Biotechnology, online).

Auf der Karibikinsel Grand Cayman ließ er in vier Wochen rund 19.000 seiner gentechnisch veränderten Männchen namens OX513A frei. Auf dem zehn Hektar großen Versuchsgelände paarten sie sich mit wildlebenden Weibchen - und zeugten nur halb so viele Nachkommen wie natürliche Männchen, berichtet Alphey. Die Methode könne Dengue eindämmen, wenn man nur eine genügend große Anzahl gentechnisch veränderter Insekten freisetze.

Im Anschluss an die Nature-Studie gab der Forscher bekannt, dass er und sein Team mittlerweile weitere 3,3 Millionen Gentech-Mücken auf Grand Cayman freigelassen hätten, wodurch die natürliche Mückenpopulation innerhalb von drei Monaten um 80 Prozent geschrumpft sei. Diese Ergebnisse sind aber noch nicht veröffentlicht. Derzeit bereitet Alphey mit seinem Biotech-Unternehmen Oxitec einen Freilandversuch in Brasilien vor. "Auch in anderen Ländern, unter anderem den USA, Indien und Panama, versuchen wir, die Genehmigung zu bekommen", sagte ein Sprecher der Firma.

Bakterien gegen Viren

Bei der zweiten neuen Bekämpfungsmethode setzen Wissenschaftler ein Bakterium namens Wolbachia ein, das in etwa 70 Prozent aller Insekten als harmloser Bewohner innerhalb der Körperzellen zu finden ist - nicht aber in Aedes aegypti. Infiziert das Bakterium die Mücken, so kann sich das Dengue-Virus in deren Körpern nicht mehr vermehren und auf den Menschen übergehen.

Denguefieber in Pakistan

Denguefieber in Pakistan. Die Patienten leiden unter Knochen- und Gliederschmerzen, Übelkeit und hohem Fieber. Kommt es zum hämorrhagischen Fieber DHF oder zum Dengue-Schocksyndrom DSS, droht der Tod. Tausende Menschen sterben jährlich aufgrund der Infektion.

(Foto: dpa)

Biologen von der Universität Melbourne zeigten kürzlich, dass die Mücken das Bakterium auch ihren Nachkommen vererben. Zunächst erprobten die Biologen das Verfahren in Käfigen, später in einem Feldversuch an der Nordostküste Australiens. Zehn Wochen lang setzten sie dort alle sieben Tage Wolbachia-infizierte Mücken frei, insgesamt knapp 310.000 Exemplare.

Fünf Wochen nach der letzten Freisetzung stellten die Forscher fest, dass nahezu alle Larven in den Testgebieten mit den Mikroben infiziert waren. "Wir haben bewiesen, dass es möglich ist, eine lokale Wolbachia-Invasion anzuzetteln. Außerdem zeigen unsere Labordaten, dass Dengue dadurch in den Mücken unterdrückt wird", sagt Hoffmann.

Wird das Dengue-Virus also bald Geschichte sein? Die Äußerungen beider Forschergruppen klingen so, als könne es schon morgen losgehen mit dem weltweiten Einsatz der veränderten Mücken. Doch viele Fragen sind noch offen, und Kritiker protestieren gegen die ihrer Ansicht nach übereilten Freilandversuche.

Der Mikrobiologe Anthony James von der University of California betont im Wissenschaftsmagazin Science, dass sich ein möglicher Erfolg durch gentechnisch veränderte Moskitos nicht beurteilen lässt, wenn man ausschließlich die Entwicklung der Mückenpopulation betrachtet. Nur wenn wirklich weniger Menschen an Dengue erkranken und sterben, sei das ein Hinweis auf die Wirksamkeit der Methode.

Doch keine der bisherigen Studien beantwortet die Frage, ob tatsächlich weniger Menschen an dem Virus erkranken oder sterben, wenn Aedes aegypti ausgerottet ist oder mit dem Wolbachia-Bakterium harmlos gemacht wird. "Um sicherzugehen, dass es einen Effekt gibt, muss Dengue in mehreren Regionen mit vielen Menschen über Jahre untersucht werden", sagt Hoffmann.

Doch je größer und länger die Studien ausfallen, umso schwerer lassen sich statistische Verzerrungen ausschließen. Es sei also noch völlig unklar, wie viele veränderte Mücken über welchen Zeitraum freigesetzt werden müssen, kritisiert der Mikrobiologe James. Insgesamt müsse mit einem erheblichen finanziellen Aufwand gerechnet werden, der letztlich über politische Maßnahmen bereitgestellt werden müsste. "Die Überwachung der Krankheit kann durchaus teuer werden", gibt auch Hoffmann zu bedenken.

Was jedoch auch Anthony James in seinem Science-Artikel unerwähnt lässt: Die ökologischen Folgen der Mückenversuche sind ebenfalls noch ungeklärt. In einem Expertenbericht, der von der Europäischen Lebensmittelbehörde (Efsa) in Auftrag gegeben wurde, weisen Forscher darauf hin, dass der Einsatz veränderter Insekten wissenschaftliche Erhebungen voraussetzt, die bisher weitgehend fehlen. Welche Verhaltensweisen zeigen veränderte Insekten in der Umwelt? Können die Fremdgene auf andere Organismen übergreifen? Und nicht zuletzt: Welche Auswirkungen haben die Veränderungen auf die Gesundheit des Menschen?

Ökologisch eher unproblematisch scheint die künstliche Verbreitung der Wolbachia-Bakterien zu sein. "Wir verwenden keine gentechnisch veränderten Organismen, sondern ein Bakterium, das natürlicherweise in anderen Insekten desselben Gebiets vorkommt und nur in Insekten und in wenigen anderen wirbellosen Tieren überlebt", sagt der Entwickler der Methode, Ary Hoffmann. Deshalb könne man eine Gefahr für Umwelt oder Gesundheit ausschließen.

Gefahr von Resistenzen

Dengue Moskitos

Mit Hilfe von gentechnisch veränderten harmlosen Mücken wollen manche Biologen langfristig die wildlebenden Moskito-Populationen ausrotten. Allerdings ist der Ansatz umstritten.

(Foto: Nimmo/Oxitec Ltd)

Unklar ist noch, ob sich die Bakterien langfristig in der Mückenpopulation halten können. Doch Hoffmann zufolge ließen die bisherigen Ergebnisse erwarten, dass sich Wolbachia in der Mückenpopulation hält. Auch Andreas Krüger, Mückenexperte am Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg und nicht an der Studie beteiligt, sieht die Technik "durchaus als erfolgversprechend, weil die Mücke nicht direkt verändert ist".

Heftige Kritik rufen hingegen Alpheys Gentechnik-Versuche hervor. Kein Wissenschaftler kann derzeit die Frage beantworten, welche Konsequenzen es für das Ökosystem mit seiner sensiblen Nahrungskette haben wird, wenn Aedes aegypti komplett ausgerottet ist. "Viele Singvögel auf der Welt ernähren sich zum Großteil auch von Mücken", sagt Krüger. Deshalb sei es heikel und zudem anthropozentrisch, eine Mückenart komplett ausrotten zu wollen.

Auch könne der Versuch scheitern, wenn die Nachkommen der genetisch veränderten Mücken langfristig Resistenzen entwickeln und daher lebensfähig bleiben. Möglicherweise kann sich das Dengue-Virus dann erst recht durchsetzen. Der Ökologe Mathieu Legros von der ETH Zürich gibt zudem zu bedenken, dass das eingefügte Gen auch auf andere Insekten übergreifen könnte.

"Vor allem bei verwandten Mückenarten kann diese Gefahr bestehen", so Legros. "Es wäre auch denkbar, dass eine andere Mückenart die ökologische Nische füllt und plötzlich zum Dengue-Überträger wird." In einer Stellungnahme zu Alpheys Freilandversuchen warnt Greenpeace vor "unvorhersehbaren Folgen für Umwelt und Gesundheit von Mensch und Tier". Die Firma Oxitec solle deshalb ihre Freiland-experimente einstellen.

Anthony James und der Mikrobiologe Mark Benedikt von der Universität Atlanta geben in der Medizinzeitschrift Jama zu bedenken, dass die Alternativen im Kampf gegen Dengue, nämlich der breite Einsatz von Insektiziden und die Austrocknung von Tümpeln, mindestens ebenso negative ökologische Konsequenzen mit sich brächten. Allerdings hatte James selbst Alphey heftig kritisiert, nachdem dieser 2010 auf einem Kongress in Atlanta von seinen Versuchen in freier Wildbahn erzählt hatte. Alphey habe die Öffentlichkeit nicht ausreichend informiert.

Welche Folgen dieser Vorwurf haben kann, weiß der Forscher nur zu gut. An diesem Punkt nämlich waren vor einigen Jahren seine geplanten ersten Freilandversuche in Malaysia gescheitert - die Proteste der Bevölkerung waren zu stark.

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