Kampagne gegen Klimaforscher:Wo Wüsten Hokuspokus sind

Koordinierte Attacken gegen Klimaforscher: Firmen wie ExxonMobil geben Millionen Dollar dafür aus, die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft systematisch zu vernichten.

C. Jiménez und J. Rubner

Zuletzt machten sie in Arkansas mobil, die Klimaskeptiker mit ihren schwarz gekleideten "Carbon Cops". Vergangene Woche fuhren sie nach Searcy, Pocahontas, Paragould, Magnolia oder Texarkana, alles Städtchen in dem konservativen US-Bundesstaat, wo sie auf Marktplätzen vor allem gegen die Environmental Protection Agency (EPA) Stimmung machten.

Die US-Umweltbehörde hatte im Dezember Treibhausgase als gefährlich für Mensch und Umwelt eingestuft - ein entscheidender Schritt, damit die Regierung Grenzwerte für Kohlendioxid einführen und die Erderwärmung bremsen kann.

Die Carbon Cops treten als unabhängige Kämpfer gegen Klimagesetze auf - tatsächlich aber finanziert sich ihre Organisation "Americans for Prosperity" durch Spenden von Koch Industries. Der wenig bekannte, aber mächtige Mischkonzern gehört den schwerreichen Brüder David und Charles Koch, die laut Forbes zu den zehn vermögendsten US-Bürgern zählen.

50 Millionen Dollar für Leugner des Klimawandels

Koch Industries ist weltweit an Pipelines und Raffinerien, an der Düngemittel- und Faserindustrie, an Asphalt- und Nahrungsmittelfirmen beteiligt - und steckt einen Teil seiner Gewinne in den Kampf gegen Klimagesetze. Fast 50 Millionen Dollar hat Koch Industries zwischen 1997 und 2008 an "Americans for Prosperity" und weitere Organisationen gespendet, die den Klimawandel leugnen. Das geht aus einem am Dienstag in den USA veröffentlichten Bericht der Umweltorganisation Greenpeace hervor.

Damit hat Koch Industries sogar den Ölgiganten ExxonMobil überholt, der bisher mächtigster Unterstützer derjenigen war, die einen steigenden Meeresspiegel und zunehmende Dürren für Hokuspokus halten. Im selben Zeitraum gab ExxonMobil 25 Millionen Dollar dafür aus, Politiker davon zu überzeugen, dass der Klimawandel entweder nicht existiert oder es der Wirtschaft schadet, ihn zu bremsen.

Ein "Netzwerk der Verleugnung" versuche, die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft systematisch zu vernichten, warnt Greenpeace nun - und vergleicht die Kampagne mit jener der Tabakindustrie, die jahrzehntelang versucht hat, die schädlichen Folgen des Rauchens zu verharmlosen.

Die seit ein paar Monaten mit Wucht geführte Kampagne kommt für die Klimaforscher zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Denn ihr Ruf ist angeschlagen, seitdem publik wurde, dass der Bericht des Weltklimarats einige unglaubwürdige Studien zitiert, zum Beispiel jene, wonach die Himalaya-Gletscher bereits im Jahr 2035 abgeschmolzen sein werden.

Zu schaffen macht ihnen auch der Vorwurf, Forscher der britischen Universität von East Anglia hätten Daten manipuliert - ein Vorwurf, der passenderweise kurz vor der Klimakonferenz von Kopenhagen publik wurde. Seitdem sehen sie sich weltweit unter Druck. Die Mail-Affäre nutzen Konzerne in den USA bereits, um gegen die geplanten Gesetze der EPA zu klagen.

Und der republikanische Senator des US-Bundesstaats Oklahoma, James Inhofe, veröffentlichte eine Namensliste führender Wissenschaftler, die seiner Meinung nach angeklagt werden sollen, weil sie die Regierung angeblich falsch beraten hätten. Auf der Liste steht auch der Stanforder Klimatologe Stephen Schneider, der seitdem E-Mails mit Morddrohungen erhält.

Seit 20 Jahren gebe es Attacken gegen Klimaforscher, heißt es im Greenpeace Report. Die neueste Kampagne jedoch sei koordiniert, sie wirke wie ein Virus, der sich weltweit ausbreite und immun sei gegen rationale Argumente.

Ähnlich wie früher die Tabakkonzerne, die zwischen den fünfziger und achtziger Jahren gezielt Zweifel an wissenschaftlichen Studien über die Schädlichkeit von von Nikotin gesät hätten, produzierten die Klimaskeptiker jetzt den Zweifel an den kalkulierten Folgen der Erderwärmung.

Tatsächlich scheint es, als ob viele nur darauf gewartet hätten, dass die Klimaforscher sich blamieren - anders ist die heftige Reaktion auf die Mail-Affäre kaum zu erklären. Mutmaßungen, wonach die Korrespondenz der britischen Forscher im Auftrag gehackt worden ist, konnten bisher nicht belegt werden. "Aber die Koinzidenz mit Kopenhagen ist bemerkenswert", sagt Brenda Ekwurzel von der Union of Concerned Scientists in Washington, die Politiker in Fragen der Klimaforschung berät.

Die Angriffe gegen Klimaforscher zeitigen Wirkung. Einer neuen Umfrage zufolge glauben 25 von 100 Briten inzwischen nicht mehr, dass es einen Klimawandel gibt - vor Kopenhagen waren es nur 15. Und vor kurzem haben die Ölfirmen Conoco und BP die "Koalition der klimaschützenden Unternehmen" verlassen, die sich für den Emissionshandel in den USA einsetzt - ein ernstes Warnsignal an Washingtons Politiker.

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