Atomkatastrophe in Japan:Hinweise auf Austritt von Plutonium

Die Betreiberfirma hat Hinweise, dass Plutonium und Uran aus dem havarierten AKW Fukushima ausgetreten sind. Zuvor mussten die Helfer ihre Arbeiten abbrechen, weil schwarzer Rauch aus Block 3 austrat. Und in Tokio darf Babys kein Leitungswasser mehr gegeben werden - die Strahlungswerte überschreiten die Grenzwerte.

Aus dem Katastrophen-AKW Fukushima-1 sind anscheinend geringe Mengen von Plutonium und Uran ausgetreten. Die Betreibergesellschaft Tepco erklärte am Mittwoch, dass sie in 1,5 Kilometern Entfernung vom Reaktor insgesamt 13 Mal Neutronenstrahlen auf dem Betriebsgelände gemessen habe, was auf einen Austritt der radioaktiven Stoffe hindeutet. Die Regierung hatte zuvor erklärt, es bestehe keine Notwendigkeit, die Evakuierungszone um das AKW auszuweiten.

Bereits zuvor gab es schlechte Nachrichten aus Fukushima-1: Aus Block 3 des havarierten Kernkraftwerks stieg schwarzer Rauch auf. Die Ursache war zunächst noch unklar, wie die Atomaufsicht einräumte. Die Betreibergesellschaft Tepco zog daraufhin ihre Arbeiter ab, die das AKW unter Kontrolle bringen sollen. Feuerwehrmänner sollten den Reaktor mit Wasser kühlen, diese Aktion wurde aber gestrichen. Tepco hat mitgeteilt, der Rauch könnte aus dem Turbinengebäude stammen. Der Fernsehsender NHK zeigte Bilder von dunklen Schwaden über dem Reaktor - Flammen waren jedoch nicht zu sehen.

Zuvor mussten schon an Block 2 des Kraftwerkes die Arbeiten eingestellt werden, nachdem zu hohe Strahlungswerte gemessen wurden. Der Messwert lag dort bei 500 Millisievert pro Stunde. Arbeiter hätten dort höchstens einige Minuten arbeiten können. Es wird befürchtet, dass der innere Reaktorbehälter bei einer Explosion in der vergangenen Woche beschädigt wurde. Techniker wollten dort zunächst die Beleuchtung im Kontrollraum wiederherstellen und Messinstrumente mit Strom versorgen.

Zwei weitere Nachbeben erschütterten am Mittwoch die Region. Zunächst bebte die Erde 50 Kilometer südwestlich des havarierten Atomkraftwerks und 180 Kilometer nordöstlich von Tokio mit einer Stärke von 6,0. Das Beben war auch am Reaktor Fukushima-1 zu spüren. Einige Stunden später ereignete sich ein schwächerer Erdstoß mit der Stärke von 4,7, das Epizentrum lag diesmal jedoch in der Nähe des schwerbeschädigten Kraftwerks. Ein erneuter Tsunami drohe nicht, hieß es in einem Fernsehbericht. Angaben zu möglichen Schäden lagen zunächst nicht vor.

Radioaktivität im Wasser in Tokio festgestellt

Derweil wurden in einer Wasseraufbereitungsanlage in der Hauptstadt Tokio erhöhte Werte von radioaktivem Jod gemessen: Babys sollen nun kein Leitungswasser mehr trinken, sagte ein Sprecher der Stadtregierung. Die Werte übersteigen nach seinen Angaben den Grenzwert, den das Gesundheitsministerium für Kleinkinder festgesetzt hat, um mehr als das Doppelte. Als Grenzwert für Kinder gelten in Japan 100 Becquerel pro Liter. Für Erwachsene und größere Kinder stelle das Wasser aber keine unmittelbare Gefahr da, sagte der Sprecher, weil für sie 300 Becquerel pro Liter erlaubt sind. Die aktuelle Warnung gelte für 22 der 23 Bezirke der japanischen Hauptstadt.

Die japanische Regierung warnte aber vor Panikkäufen von Wasser. Die Einwohner von Tokio sollten nicht mehr Trinkwasser in Flaschen kaufen als nötig. Denn Trinkwasser sei in den Katastrophenregionen im Nordosten weiterhin knapp, sagte Regierungssprecher Yukio Edano. "Wir müssen sicherstellen, dass genug Wasser bereitgestellt wird."

Radioaktive Wolke erreicht Europa

Die Verstrahlung der Umwelt veranlasste am Mittwoch die Regierung, den Lieferstopp für Gemüse aus der Präfektur Fukushima auszuweiten. Das japanische Gesundheitsministerium veröffentlichte eine Liste mit elf Gemüsearten, bei denen nach dem Unglück im AKW Fukushima eine teilweise drastisch erhöhte Radioaktivität festgestellt wurde.

Darunter sind Spinat, Brokkoli, Kohl und das japanische Blattgemüse Komatsuna. Regierungssprecher Yukio Edano sagte, der Verzehr dieses Gemüses gefährde zwar nicht die Gesundheit. "Wir sehen aber, dass die Werte hochgehen und müssen damit rechnen, dass sie ein schädliches Niveau erreichen. "Daher ist es sinnvoll, die Lieferungen jetzt zu stoppen."

Radioaktive Partikel in Europa

Vorsichtshalber sollten Verbraucher kein in der Präfektur Fukushima erzeugtes Gemüse mehr verzehren. In Proben fand das Gesundheitsministerium beim Blattgemüse Kukitachina 82.000 Becquerel an radioaktivem Cäsium und 15.000 Becquerel an radioaktivem Jod - dies übersteigt die zulässigen Grenzwerte um das 164-fache beziehungsweise 7-fache. In der Präfektur Ibaraki wurde auch radioaktiv belastete Milch gefunden.

Die USA stoppten als erstes Land Einfuhren von Milch, Gemüse und Obst aus der Gegend. Deutschland will nach Angaben von Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) Importe von Fisch und Fischerzeugnissen aus der Krisenregion auf Strahlung kontollieren lassen.

Radioaktive Partikel werden aber trotz aller Kontrollen Deutschland erreichen: Am Mittwoch werden Luftströmungen aus dem Katastrophengebiet in Mitteleuropa erwartet. Allerdings werde die Aktivität "sehr, sehr niedrig" sein, sagte der Leiter der Messstation des Bundesamtes für Strahlenschutz Schauinsland bei Freiburg, Erich Wirth.

Die Experten hätten in den vergangenen Tagen die Verbreitung der Radioaktivität erst in Kalifornien und dann in Island verfolgen können. "Und von da ist es nicht mehr weit bis Mitteleuropa."

Wirth sagte, man erwarte Werte im Bereich von hunderttausendstel Bequerel pro Kubikmeter Luft. "Die Belastung steigt praktisch nicht." Die Radioaktivität sei nur mit sehr aufwändigen Methoden nachzuweisen. Bisher sind nach Wirths Angaben die Werte in Deutschland noch nicht angestiegen. Auch langfristig werde Wirth zufolge die Belastung angesichts der immensen Entfernung sehr niedrig bleiben.

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