Wunder in Japan:Hilfskräfte retten 80-Jährige

Das Wunder von Ishinomaki: Nach mehr als einer Woche sind eine 80-jährige Frau und ihr Enkel aus einem zerstörten Haus gerettet worden. Unterdessen macht auch eine Meldung aus Fukushima-1 Hoffnung: Der Reaktorblock 2 des havarierten Atomkraftwerks hat wieder Strom. Doch im gefährlichen Reaktor 3 ist der Druck gestiegen.

Während die Einsatzkräfte am havarierten Atomkraftwerk Fukushima-1 noch immer versuchen, den Super-GAU zu verhindern, gibt es eine gute Nachricht aus dem Katastrophengebiet. Mehr als eine Woche nach dem verheerenden Erdbeben und dem Tsunami wurden eine 80-jährige Frau und ihr 16 Jahre alter Enkel aus einem völlig zerstörten Haus gerettet.

Wunder in Japan: Wunder zwischen den Trümmern: Die 80-jährige Sumi Abe und ihr 16 Jahre alter Enkel sind aus einem völlig zerstörten Haus in Ishinomaki (Präfektur Miyagi) gerettet worden

Wunder zwischen den Trümmern: Die 80-jährige Sumi Abe und ihr 16 Jahre alter Enkel sind aus einem völlig zerstörten Haus in Ishinomaki (Präfektur Miyagi) gerettet worden

(Foto: AFP)

Das japanische Fernsehen NHK berichtete ausführlich über die beiden Geretteten, die in Ishinomaki, in der mit am schwersten vom Erdbeben betroffenen Präfektur Miyagi, gefunden worden seien. Großmutter Sumi Abe und Enkel Jin Abe wirkten demnach geschwächt, hätten jedoch auf Fragen der Polizei reagiert. Der Junge soll an Unterkühlung leiden.

Als die Erde bebte, seien Enkel und Großmutter in der Küche gewesen, berichtete der 16-Jährige Helfern im Krankenhaus. Seine Großmutter wurde unter schweren Möbelstücken eingeklemmt. Die beiden hätten sich dann von Joghurt und anderen Dingen, die in einem Kühlschrank lagen, ernährt. In den ersten Tagen hatte der Junge noch mit seiner Mutter telefonisch Kontakt. Erst am Sonntag gelang es ihm, sich aus den Trümmern des Hauses zu befreien und auf dem Dach nach Hilfe zu rufen. Ein Suchtrupp der Einsatzkräfte habe ihn entdeckt.

Unterdessen scheint sich im Atomkraftwerk Fukushima -Daiichi die Lage, zumindest langsam, zu stabilisieren. Angaben der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo zufolge ist es den Einsatzkräften gelungen, den Reaktor 2 an das Stromnetz anzuschließen. Das soll helfen, die Kühlung in Gang zu setzen. Ob die Wasserpumpen allerdings funktionieren, war noch unklar. Die Betreiberfirma Tepco bemühe sich zudem darum, die Funktion des Kontrollraums, der Beleuchtung sowie der Kühlung in Reaktor 1 wiederherzustellen, der über ein Stromkabel an Reaktor 2 angeschlossen ist.

In dem wegen seiner Plutonium-Uran-Mischoxide-Brennelemente (MOX) besonders gefährlichen Reaktorblock 3 sei der Druck, der zunächst noch gestiegen war, inzwischen stabil, heißt es. Vorerst soll jedoch kein Druck aus dem beschädigten Reaktor abgelassen werden.

Kühlsystem in Reaktor 6 wieder in Gang gesetzt

Block 3 stand bis Sonntagfrüh 13 Stunden lang unter dem Beschuss von Wasserwerfern. "Das war eine sehr gefährliche und schwierige Aufgabe", sagte einer der beteiligten Feuerwehrmänner. "Überall lagen Trümmer herum. Den Mitgliedern des Teams war die Gefahr der Verstrahlung sehr bewusst."

Auch Block 4 wurde für zunächst etwa eine Stunde mit Wasser bespritzt. Eingesetzt wurden zehn Wasserwerfer der japanischen Streitkräfte und ein Fahrzeug der US-Streitkräfte. Dort ist es ebenfalls das Ziel, den Wasserstand des Abklingbeckens mit abgebrannten Kernbrennstäben zu erhöhen. Der Reaktor 4 war wegen Wartungsarbeiten schon vor dem Erdbeben abgeschaltet. Nach dem Einsatz von Wasserwerfern ging die Strahlung am Rand der Anlage um rund 25 Prozent auf 2625 Mikrosievert pro Stunde zurück, wie der Rundfunksender NHK berichtet.

Unterdessen wurde das Kühlsystem im Reaktor 6 wieder in Gang gesetzt, nachdem dort die Stromversorgung wiederhergestellt worden war. Anschließend sei die Temperatur in einem überhitzen Kühlbecken deutlich gesunken, wie die japanische Nachrichtenagentur Kyodo unter Berufung auf den Kraftwerksbetreiber Tepco berichtete. Auch in Reaktor 5 ist die Temperatur auf ein fast normales Niveau gesunken: "Wir machen Fortschritte, aber wir sollten nicht zu optimistisch sein", sagte Hidehiko Nishiyama von der Atombehörde.

Die Stromversorgung für die zentralen Kontrollräume der Reaktorblöcke 1 und 2 soll am Sonntag wiederhergestellt werden - mit dem Ziel, zunächst die Beleuchtung und dann möglicherweise auch die Kühlung der dortigen Abklingbecken in Gang zu setzen. Die von Fukushima-1 ausgehende Strahlung belastet zunehmend Trinkwasser und Lebensmittel.

Lebensmittel verstrahlt

In der Stadt Kawamata, die zur Präfektur Fukushima gehört, wurde verstrahlte Milch festgestellt. Auch Spinat war offenbar betroffen. Allerdings seien die Produkte nicht in den Verkauf gekommen, sagte Regierungssprecher Yukio Edano.

Wunder in Japan: Die Feuerwehr bewässert Reaktor 3 der Atomanlage Fukushima-1: Der Druck im Reaktorkern soll wieder gestiegen sein.

Die Feuerwehr bewässert Reaktor 3 der Atomanlage Fukushima-1: Der Druck im Reaktorkern soll wieder gestiegen sein.

(Foto: AFP)

Die Belastung mit radioaktivem Jod übersteige den zugelassenen Grenzwert, teilte das Gesundheitsministerium nach einer Meldung der Nachrichtenagentur Kyodo mit. Kawamata liegt 45 Kilometer nordwestlich des Atomkraftwerks. Die Regierung wolle am Montag entscheiden, ob sie eine Verordnung zu Agrarprodukten, die in der Nähe von Atomkraftwerken angebaut werden, erlasse.

In der Präfektur Fukushima wie in den angrenzenden Verwaltungsregionen wurde eine geringe Belastung des Trinkwassers mit radioaktivem Jod festgestellt. Die Werte liegen zwischen 0,27 und 77 Becquerel pro Kilogramm bei einem Grenzwert von 300 Becquerel.

Eine Messung des Leitungswassers in Tokio ergab eine Jod-Belastung von 1,5 Becquerel. Die Verstrahlung mit Cäsium erreichte Werte von 0,22 bis 1,6 Becquerel pro Kilogramm bei einem zulässigen Grenzwert von 200 Becquerel. Das Gesundheitsministerium erklärte, im Moment gehe von dem Leitungswasser keine Gefahr für die menschliche Gesundheit aus. Auch radioaktiver Staub und Partikel, die im Großraum Tokio gefunden wurden, stellten nach Angaben der Regierung keine Risiken für die Gesundheit dar.

In Taiwan wurden radioaktiv belastete Bohnen aus Japan entdeckt. Bei einer Ladung von 14 Kilogramm Bohnen aus Kagoshima im Süden Japans seien erhöhte Strahlenwerte gemessen worden, teilten die taiwanesischen Behörden mit. Es ist das erste Mal seit dem Atomunglück, dass aus dem Ausland der Fund radioaktiv belasteter Lebensmittel aus Japan gemeldet wird.

In der Bevölkerung macht sich indes Sorge vor radioaktivem Niederschlag breit. "Eine gewisse Anzahl von Leuten" in Tokio und im Norden des Landes habe bei den Behörden nachgefragt, ob der für die Region Tokio angekündigte Regen radioaktiv verseucht sein könne, sagte der stellvertretende Kabinettssekretär Tetsuro Fukuyama und rief die Bevölkerung zur Ruhe auf. "Die aktuellen Werte bedeuten keinerlei Schaden für die Gesundheit." Wer sich Sorgen mache, solle einen Regenschirm benutzen. "Und wenn Sie nass werden, reinigen Sie sich", empfahl Fukuyama.

Die japanische Wetterbehörde hat drei bis fünf Millimeter Niederschlag im Umkreis des Atomkraftwerks Fukushima-1 vorhergesagt. Für den Abend wurde auch geringer Niederschlag für die 250 Kilometer weiter südlich gelegene Hauptstadt Tokio angekündigt. Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes kann am Sonntag auch der Großraum Tokio von den Schadstoffen beeinflusst werden.

THW-Spezialisten nach Deutschland zurückgekehrt

Die Zahl der Toten und Verletzten nach Erdbeben und Tsunami vom 11. März nähert sich inzwischen der Marke von 20.000. Die Polizei bestätigte nach Angaben der Nachrichtenagentur Kyodo 8133 Todesopfer, 12.272 Menschen werden noch vermisst. Allein in der Präfektur Miyagi befürchten die Behörden mehr als 15.000 Tote. Die Katastrophe vom 11. März ist damit das größte Unglück in der Geschichte Japans seit dem Zweiten Weltkrieg.

Direkt betroffen sind insgesamt 12 der 47 Präfekturen in Japan, wie die Zeitung Asahi Shimbun in einer vorläufigen Bilanz berichtete. Die meisten Todesopfer gab es in Miyagi. Danach folgen die Präfekturen Iwate und Fukushima. Nach unterschiedlichen Angaben sind 360.000 bis 400.000 Menschen in Notunterkünften unterbracht. Sie leiden unter Kälte und mangelnder Versorgung mit dem Nötigsten.

Bergungsspezialisten des Technischen Hilfswerks (THW) kehrten unterdessen aus Japan nach Deutschland zurück. Die 41 Frauen und Männer landeten am Samstagabend mit einer Sondermaschine auf dem Flughafen Frankfurt und wurden in einer Wache der Flughafen-Feuerwehr in Empfang genommen. Messungen vor der Abreise wie nach der Landung hätten keine radioaktive Belastung der Helfer ergeben, sagte der Nuklearexperte des THW-Teams, Mario König. Die Gruppe habe sich dem Unglücksreaktor nicht mehr als 80 Kilometer genähert.

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